Wie viel kosten 250 Jahre Sklaverei?
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Rund 250 Jahre dauerte die Sklaverei in den USA. Die Folgen reichen bis heute: Benachteiligung, Rassismus, Armut, Polizeigewalt. Jetzt ist die Debatte um Reparationszahlungen neu entfacht - was auch mit dem Wahlkampf der Demokraten zu tun hat.
In der CNN-Debatte für Demokraten, die Donald Trump ablösen wollen, bekam die Außenseiterkandidatin Marianne Williamson mehrfach großen Beifall, unter anderem für ihre Erklärung, warum Reparationen für die Nachfahren von Sklaven notwendig sind - jetzt.
200 bis 500 Milliarden Dollar, sagt die Bestseller-Autorin, müssen bezahlt werden. Das sei keine finanzielle Hilfe, sondern das Abzahlen einer Schuld. Spitzenkandidatin Elizabeth Warren fordert erstmal eine landesweite Diskussion. Beto O’Rourke aus Texas fordert, geschehenes Unrecht anzuerkennen und die Wiedergutmachung zu beginnen. New Jersey Senator Corey Booker fordert, die komplexe Fragestellung in mehr als wahlkampftauglichen Ein-Minuten-Statements zu behandeln.
Im Kampf darum, wer antritt, Donald Trump im Weißen Haus abzulösen, kann es sich kein Demokrat leisten, Entschädigungen für Afroamerikaner nicht zumindest in Erwägung zu ziehen.
Ein früheres Randthema ist zurück auf der Agenda
Mehr als 150 Jahre lang war Reparation ein politisches Randthema in den USA. Ein unbequemes Thema. Ein unlösbares Thema.
Der Oberste US-Gerichtshof lehnte mehrere Klagen für den Ausgleich unbezahlter Sklavenarbeit ab, die erste vor über hundert Jahren. Die letzte 1995. Die Richter bezeichneten Geldverteilung aufgrund von Rassenzugehörigkeit als verfassungswidrig. Dochdie USA haben schon Reparationen gezahlt. An andere Bevölkerungsgruppen.
1980 sprach das Oberste Gericht neun Stämmen der Sioux Ansprüche zu: 102 Millionen Dollar als Ausgleich für Land, das ihnen versprochen worden war und trotzdem abgenommen wurde. Die Summe ist auf mehr als 1,3 Milliarden Dollar angewachsen, weil die Sioux den Richterspruch ablehnen. Sie wollen ihr Land, nicht das Geld.
Unter Präsident Ronald Reagan bekamen US-Bürger japanischer Herkunft, die während des Zweiten Weltkriegs interniert waren, eine Entschädigung: 20.000 Dollar pro Person.
Eine Einigung auf Wiedergutmachung für rund 250 Jahre Sklavenhaltung plus 90 Jahre Rassentrennung, plus 60 Jahre Benachteiligung ist dagegen bis heute unerreicht.
Auch Obama zögerte
Autor und Journalist Ta-Nehisi Coates stieß die Diskussion vor fünf Jahren neu an, mit seinem Artikel "The Case for Reparations" in der Zeitschrift Atlantic.
"Die Idee, Reparationen zu zahlen macht uns nicht nur Angst weil wir denken, wir haben vielleicht nicht genug Geld dafür. Es steht mehr auf dem Spiel: Amerikas Kulturerbe, Geschichte und Ansehen in der Welt."
Selbst US-Präsident Barack Obama blieb skeptisch. Er argumentierte noch im Jahr 2016, Sklavenhaltung habe Schaden angerichtet und Wunden geschaffen, die durch Geld nicht ausgeglichen werden können. Besser sei es, Folgen wie Armut, schlechtere Gesundheitsversorgung und höhere Gefängnisstrafen direkt anzugehen.
Doch die Stimmung im Land hat sich geändert.
Erstmals eine Anhörung im US-Abgeordnetenhaus
Studenten der Georgetown University in Washington DC stimmten im April dieses Jahres dafür, Nachfahren von Sklaven zu entschädigen, die 1838 von der Universität verkauft wurden. Bezahlt werden sollte das, so die Studierenden, aus erhöhten Studiengebühren. Die Leitung der Hochschule debattiert derzeit noch, wie diese Forderung umgesetzt werden soll.
Am 19. Juni hielt das US-Abgeordnetenhaus erstmals eine Anhörung zum Thema Reparationen. Niemand ist darüber mehr überrascht als Ta-Nehisi Coates:
"Ich bin schockiert, dass wir heute noch darüber reden", und weiter: "Ich bin schlecht in Prognosen und weiß nicht wie es nun weiter geht. Ich versuche meine Erwartungen nicht zu hoch anzusetzen und nicht zu niedrig. Ich gehe davon aus, dass dieser Kampf noch Generationen beschäftigen wird."
Den Kongress beschäftigt er seit mehr als einer Generation.
Ein beharrlich geführter Kampf
1989 brachte der demokratische Kongressabgeordnete John Conyers zum ersten Mal einen Gesetzesentwurf zur Einrichtung einer Reparationskommission ein: HR 40. Sie soll untersuchen, wie Wiedergutmachung aussehen könnte, wer Entschädigung bekommt, wofür und wie viel. Wie dafür bezahlt wird, und ob sie über Geldzahlungen hinausgeht.
Bis 2017 brachte Conyers den Entwurf jedes Jahr von Neuem ein. Dann schied er aus dem Kongress aus. Sheila Jackson Lee übernahm die Aufgabe.
HR 40 beruft sich auf ein Versprechen der US-Regierung aus dem Jahr 1865. Danach sollte jeder ehemalige Sklave 40 Morgen Land und einen Maulesel bekommen. Inzwischen habe sich mehr Schuld angehäuft, sagte Lee in einem CBS-Interview.
"Die Ungleichheiten in Wohnbesitz, Gesundheitsversorgung, Bildung, Vermögen, Polizeibrutalität, Gefängnisstrafen können in die Diskussion einer Kommission um Reparationen einfließen."
McConnell hält Reparationen "für keine gute Idee"
Mitch McConnell, Sprecher der republikanischen Mehrheit im Senat, lehnt eine solche Kommission und eine Entschädigung kategorisch ab. Für ihn ist das Thema erledigt:
"Ich halte Reparationen für etwas, das vor 150 Jahren passierte und wofür niemand von uns verantwortlich ist, für keine gute Idee. Wir haben versucht, unserer Erbsünde der Sklaverei gutzumachen mit dem Bürgerkrieg und mit richtungsweisenden Bürgerrechtsgesetzen. Wir haben einen afroamerikanischen Präsidenten gewählt."
Zwei Drittel der Bevölkerung gegen Entschädigung
Gut zwei Drittel der US-Bevölkerung sprechen sich laut einer Gallup-Umfrage derzeit gegen finanzielle Entschädigung für Nachfahren von Sklaven aus. Eine starke Mehrheit, aber 15 Prozent weniger als im Jahr 2002.
Demokratin Marianne Williamson warnt: Wenn die USA ihre Schuld jetzt nicht bezahlt, wird sie einen hohen Preis dafür zahlen.
"Es ist höchste Zeit für uns zu erkennen, dass dieses Land keine Heilung erfahren wird, wenn wir nicht zugeben, dass die ökonomische Diskrepanz zwischen Schwarzen und Weißen in Amerika auf einer großen Ungerechtigkeit beruht, mit der wir uns nicht auseinandergesetzt haben. Sie kann nur durch Reparation gutgemacht werden."