"Große politische Niederlage für Trump"
Das US-Einreiseverbot für Bürger aus sieben Ländern bleibt weiterhin außer Kraft, hat ein Bundesberufungsgericht in San Francisco entschieden. Dieses Urteil beschädige die Reputation des US-Präsidenten Trump, meint der Politologe Christian Lammert.
Der Politologe Christian Lammert bewertet die jüngste Entscheidung des Bundesberufungsgerichts in San Francisco zum US-Einreiseverbot als Beschädigung der Reputation des amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Das Einreiseverbot weiter auszusetzen, sei als "große politische Niederlage" für die Trump-Administration zu sehen, sagt er im Deutschlandradio Kultur.
Nach einem möglichen Einspruch, der dann vor dem Supreme Court verhandelt werde, stellten sich für Trump weiterhin Probleme, betont Lammert. Da bereits zwei Gerichte entschieden hätten, scheine sich eine bestimmte Interpretation dahingehend durchzusetzen, dass das Dekret nicht gesetzesmäßig sei. Darüber hinaus sei derzeit ein Sitz im Obersten Verfassungsgericht nicht besetzt, erläutert Lammert:
"Das heißt: Wir haben eine Patt-Situation mit vier eher progressiven und vier eher konservativen Richtern. Und bei einem Patt bleibt die Entscheidung der unteren Gerichtsebene in Takt. Und es sieht nicht so aus, als würde die Trump-Administration es jetzt schnell schaffen, diesen vakanten Sitz zu füllen. Das dauert über Monate, so ein Verfahren."
Kontrolle des "unberechenbaren Präsidenten" Trump
Lammert, Professor für nordamerikanische Innenpolitik an der FU Berlin, wertet die heute Nacht gefallene Entscheidung als Beweis für das Funktionieren der Gewaltenteilung. Viele Menschen hätten gerade darauf ihre Hoffnung gesetzt, dass "dieser unberechenbare Präsident" wenigstens durch das von der Verfassung vorgesehene System kontrolliert werde:
"Da wird geguckt: Ist das, was er macht, auf Grundlage der bestehenden Gesetze oder auch der Verfassung? Darüber wird auch noch einmal zu diskutieren sein."
Kritik am zerstrittenen amerikanischen Kongress
Es fehle allerdings noch die weitere Machtkontrolle durch den Kongress, kritisierte Lammert:
"Da ist wirklich noch ein bisschen problematisch, dass diese Instanz, diese Legislative in den USA sich momentan aufgrund der parteipolitischen Polarisierung selbst blockiert."
Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Punktsieg, und zwar auf der ganzen Linie, ein Bundesgericht hat Donald Trumps Einreiseverbot vorläufig gestoppt! Allerdings nur ein vorläufiger Sieg, denn man kann davon ausgehen, dass die Sache erst vor dem Obersten Gericht, also dem Supreme Court endgültig entschieden wird. Aber die Auseinandersetzung ist ja auch ein Machtkampf zwischen Weißem Haus und Trump-kritischen Staaten und Behörden, ein Kampf mit harten Bandagen. Christian Lammert ist Professor für nordamerikanische Innenpolitik an der FU Berlin, guten Morgen!
Christian Lammert: Guten Morgen!
Brink: Welche Auswirkungen hat denn diese Niederlage für Trump?
Lammert: Na ja, das beschädigt schon seine Reputation als neuer Präsident. Dieser Einreisestopp war eins seiner zentralen Wahlversprechungen und auch als das Erste Gericht das mal zeitweise auseinandergesetzt hat, hat er viel politisches Kapital eingesetzt und die Judikative, das Gerichtswesen unter Druck gesetzt, hat die Richter "sogenannte Richter" bezeichnet, hat sie als politisch beeinflusst charakterisiert. Und jetzt hat die nächste Ebene bestätigt, dass seine Exekutivanordnung eben nicht auf Gesetzesgrundlage besteht, und das ist schon eine große politische Niederlage für die Trump-Administration.
Patt-Situation im Obersten Verfassungsgerichtshof
Brink: Wie wird es weitergehen?
Lammert: Ja, er kann jetzt wieder Einspruch erheben und dann würde es vor den Supreme Court gehen, vor den Obersten Verfassungsgerichtshof der USA. Da wird er aber aus zwei Gründen Schwierigkeiten haben: Einmal haben jetzt schon zwei Gerichte entschieden, also: Da scheint sich ja doch eine Interpretation durchzusetzen, dass dieses Dekret nicht gesetzesmäßig ist.
Und das Zweite ist, dass momentan ein Sitz im Obersten Verfassungsgericht nicht besetzt ist, das heißt, wir habe eine Patt-Situation mit vier eher progressiven Richtern und eher vier konservativen Richtern. Und bei einem Patt bleibt die Entscheidung der unteren Gerichtsebene intakt. Und es sieht nicht so aus, als würde die Trump-Situation es jetzt schnell schaffen, diesen vakanten Sitz zu füllen. Das dauert über Monate, so ein Verfahren.
Trump zerstört viel Porzellan - und die Koaltionspartner fehlen
Brink: Aber es gibt ja schon einen Namen dafür, also Neil Gorsuch, also auch einen konservativen Richter. Das heißt, die Linie ist doch klar?
Lammert: Die Linie könnte klar sein, aber wie gesagt, das dauert wahrscheinlich länger als das Verfahren jetzt zum Supreme Court kommt. Deswegen, da wird jetzt auch strategisch, taktisch die Frage sein, wie viel weiteres politisches Kapital die Regierung hier investiert, und da kann man sich auch nicht drauf verlassen.
Man sagt immer so leicht: konservative Richter - aber das sind eben auch Leute, die auf die Verfassung gucken, die auf Gesetzeslagen gucken, und dieser Kandidat Gorsuch hat auch schon die Trump-Administration leicht kritisiert über die Art und Weise, wie er mit den Gerichten umgeht. Also, wie Trump hier auftritt, er zerstört so viel Porzellan, dass er fast keine Koalitionspartner mehr hat.
"Trump hat gleich wieder einen Tweet rausgehauen"
Brink: Interessant … Was heißt interessant, eigentlich abzusehen war ja auch seine Reaktion. Er hat natürlich getwittert und er hat gesagt: Wir sehen uns wieder! Damit meinte er natürlich also das Wiedersehen vor dem Supreme Court. Sie haben ja einen Blog, "Trump Watch" nennt sich der, und beschreiben darin, dass ja der Präsident auch noch in der Lernkurve ist. Ist er aus der jetzt rausgeflogen?
Lammert: Ja … Scheinbar ist er mit zu großer Geschwindigkeit da reingegangen. Wir haben das jetzt bei der Reaktion gesehen, er hat diesen Tweet gleich wieder rausgehauen, nur wenige Minuten nachdem dieser Gerichtsentscheid veröffentlicht wurde. Während das Justizministerium die richtige Reaktion gezeigt hat. Wir werden uns jetzt erst mal zusammensetzen, sagen die, werden uns dieses 29-Seiten-Papier des Gerichts genau angucken und dann beraten, wie wir weitervorgehen.
Und Trump hätte zwei Möglichkeiten. Einmal zieht er diesen Bann wieder zurück erst mal und überarbeitet ihn auf Grundlage der Kritik, die die Gerichte geäußert haben, dann wäre er politisch glaubwürdig. Oder – was jetzt eher zu vermuten ist und das zeigt, dass er eventuell aus der Lernkurve rausgeflogen ist – er setzt weiter auf Konfrontation und geht gegen die Gerichte - und wird dann wahrscheinlich eine krachende Niederlage einfahren.
Beweis für das Funktionieren der Gewaltenteilung
Brink: Also ist doch vielleicht ein kleiner Grundkurs in Verfassungsrecht angebracht. Aber mal dahinter gefragt: Es gab ja ein großes Lamento, auch gerade hier von europäischer Seite aus, man fürchtete um die Demokratie in den Vereinigten Staaten. Ist das jetzt nicht eigentlich ein Beweis für das Funktionieren der Gewaltenteilung, also letztendlich auch der Demokratie in den USA?
Lammert: Genau, da hatten ja viele ihre Hoffnungen reingesetzt - dieser unberechenbare Präsident -, dass er wenigstens durch dieses von der Verfassung implementierte System kontrolliert wird. Und die Gerichte funktionieren hier jetzt auch scheinbar wirklich gut. Da wird geguckt: Ist das, was er macht, auf Grundlage der bestehenden Gesetze oder auch der Verfassung, da wird ja wahrscheinlich auch noch mal drüber zu diskutieren sein.
Jetzt fehlt noch ein bisschen die weitere Machtkontrolle durch den Kongress, da ist noch wirklich ein bisschen problematisch, dass diese Instanz, diese Legislative in den USA sich momentan aufgrund der parteipolitischen Polarisierung selbst blockiert und eigentlich nicht als Akteur gegen die Administration oder gewisse Aktionen auftreten kann. Es gibt immer mehr Widerstand auf einer symbolisch-rhetorischen Ebene, aber noch scheint der Kongress zu zerstritten zu sein, hier in diesem System zu funktionieren. Aber zum Glück gibt es ja noch die dritte Gewalt, die Judikative.
Die Rolle des US-Kongresses
Brink: Aber, kommen wir auf den Kongress zu sprechen, das wird in absehbarer Zeit sich ja nicht ändern. Es hat sich ja auch unter Obama nicht geändert. Haben Sie da irgendwelche Hoffnungen?
Lammert: Na ja, also, Obama hatte natürlich keinerlei Unterstützung in der republikanischen Partei, aber Unterstützung in der eigenen Partei, zumindest weitgehend. Aber es zeigt sich immer mehr, dass viele vor allem republikanische Senatoren mit der Politik Trumps nicht einverstanden sind.
Also, ein Beispiel kann ich sagen: John McCain, der schon gesagt hat, nachdem verlautbart wurde aus dem Weißen Haus, dass eventuell wieder Folter eingeführt wird oder diese Verhörzentren der Geheimdienste im Ausland etabliert werden sollen, - da hat John McCain gesagt: Das wird mit uns nicht passieren!
Und auch bei den Nominierungen der Ministerposten gab es bei der Bildungsministerin zwei Republikaner, die gegen diese Ministerin gestimmt haben. Also, hier deutet sich auch schon an, dass es innerhalb der republikanischen Partei Widerstände gegen diesen Präsidenten gibt.
Brink: Vielen Dank, Christian Lammert, Professor für nordamerikanische Innenpolitik an der Freien Universität Berlin. Danke für das Gespräch!
Lammert: Gerne, danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.