Obamas Alleingang bringt keine Lösung
Mit seinen Plänen zur Einwanderungspolitik hat US-Präsident Barack Obama die Republikaner gegen sich aufgebracht. Dabei bringt sein Alleingang nicht die längst überfällige Lösung, sondern weitere Verzögerungen, kommentiert Marcus Pindur.
Das amerikanische Einwanderungssystem funktioniert nicht mehr. In diesem Befund sind sich alle einig. 1990 waren 3,5 Millionen illegale Einwanderer in den USA, heute sind es 11,3 Millionen. Die meisten von ihnen sind zwischen 16 und 44 Jahren alt, sie arbeiten auf Baustellen, in der Landwirtschaft und in Dienstleistungsjobs. Die Mehrheit ist bereits seit zwischen fünf und neun Jahren im Land – viele von ihnen auch länger. Diese Menschen sind da – und sie werden nicht mehr gehen.
Was Barack Obama machen will, ist keine Lösung für das Problem, sondern ein erster Schritt, den Menschen mehr Sicherheit zu geben. Ungefähr 4,7 Millionen der undokumentierten Einwanderer sollen den Plänen des Weißen Hauses zufolge eine Aufenthaltsberechtigung bekommen.
Mehr kann der Präsident nicht tun, sonst überschreitet er seine Befugnisse. Der dringend notwendige zweite Schritt, ein Weg zur Staatsbürgerschaft, kann nur vom Kongress beschlossen werden.
Geheuchelte Wut der Republikaner
Im Senat wurde bereits letztes Jahr der Entwurf für eine Immigrationsreform ausgehandelt und mit überparteilicher Mehrheit verabschiedet. Doch dann steckte die Reform im Repräsentantenhaus fest. Der rechte Flügel der Republikaner verhinderte eine Abstimmung. Insofern ist die Wut aufseiten der Republikaner über die angebliche Kompetenzüberschreitung des Weißen Hauses verlogen.
Das ist der Hintergrund von Obamas Alleingang. Doch jetzt steckt die Reform fest. Weder kann Obama den wichtigen Teil, den Weg zur Staatsbürgerschaft durchsetzen, noch können die Republikaner verhindern, dass Millionen illegaler Einwanderer einen Aufenthaltsstatus bekommen. Wieder einmal Blockade in Washington. Obama hat ein Lieblingsprojekt in Angriff genommen, aber gleichzeitig die Möglichkeit zerstört, es auch zu Ende führen zu können. Die Menschen bleiben weiter in einem Schwebezustand.
Kaum mehr Aussicht auf Einigung
Wahlen haben Konsequenzen, und die letzten Zwischenwahlen haben nun einmal den Republikanern die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses beschert. Das politisch kluge Vorgehen wäre gewesen, den Republikanern im neu konstituierten Kongress eine Frist von wenigen Monaten zu setzen und ihnen konkrete Angebote zu machen – am besten auf Grundlage des im Senat ausgehandelten Kompromisses. Jetzt ist mit Obamas Alleingang bereits zu Beginn der Legislaturperiode so viel Porzellan zerschlagen worden, dass in den kommenden zwei Jahren kaum noch Aussichten auf Einigungen bei anderen Themen bestehen.
Bill Clinton hat Obama dazu geraten, über den Haushaltsprozess mit den Republikanern Kompromisse auszuhandeln und überparteiliche Mehrheiten zu suchen. Clinton stimmte 1996 einer Sozialhilfereform zu und bekam dafür eine Erhöhung des Mindestlohnes. Doch das Aushandeln von Kompromissen ist nicht Obamas Stärke. Wie so oft, ist der Präsident damit zufrieden, Applaus von der richtigen Seite zu bekommen. Obama ist, anders als Clinton, kein Problemlöser. Für eine halbe Reform hat er seine innenpolitische Durchsetzungskraft verspielt. Ab jetzt ist er eine lahme Ente.