Im Kopftuch zu Olympia
Hijab unterm Helm: Säbel-Fechterin Ibtihaj Muhammad aus den USA wird wohl die erste Frau sein, die ihre Wettkämpfe mit Kopfbedeckung bestreitet. Die 30 Jahre alte afroamerikanische Muslimin will damit Vorbild für junge Sportlerinnen sein. Sie will aber auch eine Medaille mit nach Hause nehmen.
Wenn Ibtihaj Muhammad leichtfüßig und behände auf der Fechtbahn tänzelt oder schnell und kraftvoll mit dem Säbel auf ihre Gegnerin zustürzt, ist sie nicht von den anderen Athletinnen in der Halle zu unterscheiden. Erst wenn die Fechterin den Helm abnimmt wird sichtbar: Sie trägt ein Kopftuch, genauer gesagt einen Hijab.
Ibtihaj Muhammad ist praktizierende Muslimin. Sie bedeckt ihren Körper in der Öffentlichkeit vollständig - bis auf Gesicht und Hände. Weil sie das im Fechten tun kann, ohne Außenseiterin zu sein, kam sie mit 13 Jahren zum Sport, erzählt Ibtihaj in einem Video für die Online-Publikation "Players’ Tribune":
"Ich erinnere mich, dass ich als Kind im Sport immer anders aussah, als der Rest der Mannschaft - mit Ärmeln am Trikot und langen Hosen statt Shorts. Es war immer unangenehm. Mit der Fechtmaske fühlte ich mich zum ersten Mal richtig zum Team dazugehörend."
Serena und Venus Williams als Vorbilder
Sport war immer Teil des Alltags der afroamerikanischen Familie. Die Tennisschwestern Serena und Venus Williams waren Ibtihajs Vorbilder. Ihre Mutter entdeckte Fechten als perfekte Disziplin zur Vereinigung von muslimischem Glauben und sportlicher Betätigung für ihre Tochter:
"Meine Mutter und ich standen an einer Ampel, als ich zwölf Jahre alt war. Sie beobachtete, wie in einer Schul-Sporthalle Kinder Helme, lange Hosen und lange Ärmel trugen. Meine Mutter sagte: Ich habe keine Ahnung, was das ist, aber ich will, dass du es probierst, wenn du ins Gymnasium kommst."
So kam’s und aus der Notlösung wurde Leidenschaft. Mit der Schulmannschaft gewann die Sportlerin zwei regionale Meisterschaften und mit dem Team der Duke University mehrere Medaillen bei bundesweiten Wettkämpfen. 2009 siegte Ibtihaj bei den US-Fecht-Meisterschaften. Drei Jahre später verpasste sie nur knapp die Olympia-Qualifikation.Trotz ihrer Prominenz ist die Fechterin Vorurteilen, Missverständnissen und Beleidigungen ausgesetzt.
"Muslim in den USA zu sein, ist derzeit nicht leicht, vor allem für Frauen, die ihre Religion offen zeigen."
Bei einer Konferenz, zu der Ibtihaj im Frühjahr als Rednerin geladen war, wurde ihr zunächst der Zutritt verweigert.
"Der Helfer am Eingang sagte mir, er könnte mich nur für die Akkreditierung fotografieren, wenn ich meinen 'Hut' abnehme. Ich habe erst gelacht, weil ich dachte, er macht einen Witz. Aber er meinte es ernst. Auf meine Erklärungen, dass ich das Tuch aus religiösen Gründen trage, sagte er nur 'Sie sind hier in Texas!'"
Fechten bekommt durch sie mehr Aufmerksamkeit
Ihre prominente Position bei den Olympischen Spielen hat auch Vorteile: Fechten bekommt soviel Aufmerksamkeit wie selten zuvor. Die Zeitschrift TIME zählte Muhammad zu den hundert einflussreichsten Menschen des Jahres. Michelle Obama trainierte mit der Säbelfechterin. Ihr Ehemann, Präsident Obama, lobte Ibtihajs Leistungen:
"Übrigens, wenn die USA bei den nächsten Olympischen Spielen ins Stadium einläuft wird eine der Sporterinnen mit unserer Fahne eine Fechtmeisterin in ihrem Hijab sein - Ibtihaj Muhammad. Ich hab ihr gesagt, sie soll Gold mit nach Hause bringen!"
Nichts würde die Athletin mehr freuen, als den Wunsch des Präsidenten zu erfüllen. Im Kampf um Medaillen und Gleichberechtigung lässt sie sich selbst von Hass-Botschaften nicht beirren.
"Ich sehe bewusst das Positive und nicht das Negative. Das beachte ich gar nicht weiter. Ich versuche einfach jeden Tag - so kitschig das auch klingen mag - mit Liebe als Grundlage zu leben."
Ibtihaj hat auch schon für die Zeit nach der Fechtkarriere geplant. Mit ihrem Bruder und ihren drei Schwestern gründete sie eine Firma. Louella stellt in Los Angeles Kleidung her für muslimische Frauen, die sich entsprechend ihrer Religionstradition wie die Fechterin im modernen Leben uneingeschränkt bewegen wollen.