US-Fußballerinnen klagen auf Gleichbehandlung

"Das hat schon lange gebrodelt"

08:17 Minuten
Die Spielerinnen der amerikanische Fußballnationalmannschaft formen einen Mannschaftskreis im Stadion im französischen Reims.
Die diesjährige Fußball-WM der Frauen ist sichtbarer als vorherige WMs - und die US-Spielerinnen wollen auch endlich gleich bezahlt werden. © imago/ HMB-Media/ Heiko Becker
Kerstin Zilm im Gespräch mit Thomas Wheeler |
Audio herunterladen
Die amerikanischen National-Fußballerinnen klagen auf Gleichbehandlung. Sie sind erfolgreicher als ihre männlichen Kollegen und erhalten trotzdem nur einen Bruchteil der Preis- oder Sponsorengelder. Die Klage ist günstig platziert, so Korrespondentin Kerstin Zilm.
Wheeler: Das ist ja bereits die zweite Klage der Nationalspielerinnen nach 2017. Ist die erste denn im Sande verlaufen?
Zilm: Nein, die hat sich nur bis jetzt hingezogen, und der Prozess, da durchzugehen, war auch überhaupt notwendig, um die Klage vor dem Bundesgericht zu erlauben. Es war eine Klage vor der US-Kommission für Gleichberechtigung, und bis zum Februar wurde da verhandelt, nach Kompromissen gesucht, dann hat die Kommission die Untersuchung beendet - es gab keinen Kompromiss – aber die Fußballspielerinnen haben dadurch jetzt das Recht, auf der höheren Eben zu klagen.
Wheeler: Wenn ich es richtig gelesen habe, dann handelt es sich hier um 28 Klägerinnen, also um 28 Spielerinnen. Worum geht es denen genau?
Zilm: Ja genau, es sind 28 Klägerinnen, und sie sagen eben, sie wurden systematisch diskriminiert und zwar aufgrund ihres Geschlechts haben sie schlechtere Bezahlung, schlechtere Trainings-, Reise- und Spielbedingungen gehabt. Und da kann man einige Beispiele nennen, was die Bezahlung angeht. Eines wäre zum Beispiel, die Frauen, die 2015 die WM gewonnen haben, haben zusammen einen Bonus von 1,7 Millionen Dollar bekommen, die Männer, die 2014 nach der Vorrunde rausgeflogen sind, haben 5,4 Millionen bekommen. Und die Spielerinnen haben dann auch aufgezeigt, was sie im Durchschnitt pro Spiel für die Nationalmannschaft bekommen, das sind knapp 5000 Dollar – und die Männer bekommen ungefähr 13.000 bis 14.000 Dollar. Und sie haben ausgerechnet, dass sie eben insgesamt nur um die 38 Prozent von dem bekommen, was die Männer in der Nationalmannschaft bekommen. Und sie fordern natürlich, das zu ändern, und zwar rückwirkend bis Februar 2015, sodass auch die, die bei der letzten WM dabei waren, was davon haben. Sie wollen den Ausgleich für geringere Bezahlung und Anwaltskosten erstattet haben. Und ihre Argumente sind, dass sie eben mehr gewonnen haben, wie Sie ja auch schon gesagt haben, dass sie auch mehr an Gewinn dem Verband eingebracht haben, sie haben höhere Einschaltquoten, sie reisen mehr, sie trainieren mehr, sie geben auch mehr Interviews. Und Nationalspielerin Megan Rapinoe, die im ersten Spiel übrigens Tor Nummer neun geschossen hat, sagt, die WM ist ein guter Moment für die Klage, weil es gerade eben die ganze Aufmerksamkeit gibt.

"Zeit für mutige Aktionen"

Rapinoe sagt, es ist jetzt genau die Zeit für mutige Aktionen, und die Klage habe die Mannschaft auch noch enger zusammengebracht, sie sind stärker geworden und verstehen jetzt auch, welchen Einfluss sie haben, wenn sie zusammen für das kämpfen, was sie verdient haben.
Wheeler: Das hört sich nach einem ziemlich großen Forderungskatalog an, den die 28 US-Nationalspielerinnen da haben. Das Missverhältnis ist natürlich klar, was die Bezahlung zwischen Frauen und Männern im US-Fußball angeht, nicht nur dort. Wie reagiert denn der amerikanische Fußballverband darauf?
Zilm: Der hat sofort widersprochen und sagt, die unterschiedliche Bezahlung hat überhaupt nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern mit unterschiedlichen Ergebnissen von Tarifverhandlungen zum einen, zum anderen dann eben aber auch mit der Marktsituation. Was sich weltweit viel besser vermarkten lasse, das sei Männerfußball. Und da bezieht man sich eben auf Fifa-Zahlen. Und der Verband sagt, wir orientieren uns nicht an dem, was sein sollte, sondern an dem, was ist, und das ist eine wirtschaftliche Entscheidung und das hat gar nichts mit Diskriminierung zu tun.
Wheeler: Was bislang wahrscheinlich auch unbestritten ist, dass sich die Männer besser vermarkten lassen als die Frauen. Andererseits müsste der Verband doch wirklich sehr unter Druck stehen, wenn man da vergleicht, ich habe es angesprochen, die extrem erfolgreichen Frauen auf der einen Seite und auf der anderen Seite die erfolglosen Männer, die international noch nie einen Titel gewonnen haben.
Zilm: Das hat schon lange gebrodelt, aber jetzt, wie die Zeiten sich eben verändert haben, da steht der Verband auch deutlich mehr unter Druck. Es gibt heftige Debatten in den USA um Frauenrechte, das geht von der Abtreibung bis hin zu politischem Einfluss, zu den Kandidatinnen für das Präsidentschaftsamt, die Metoo-Bewegung ist sehr aktiv. Fans engagieren sich viel mehr für die Frauen, Hollywoodstars und auch die Männerfußballmannschaften und Männersportler insgesamt unterstützen das Team, es gibt überall nur positive Kommentare für die Frauen. Und Ex-Nationalspielerin Julie Foudy sagt, die Ungerechtigkeit und das mit der Vermarktung, das beginnt ja bei den Fußballverbänden, in den USA und weltweit, also auch bei der Fifa, die den Frauenfußball eben vernachlässigen.

Kritik an der Fifa

Julie Foudy sagt, alle wissen, dass Ungerechtigkeit nicht okay ist und dass Frauen natürlich besser bezahlt werden sollten, und sie geht da auf die Fifa ein und sagt, die investiere kein Geld und keine Energie in Strategien zur Vermarktung von Frauenfußball.
Wheeler: Andererseits bildet die Fifa, also der Weltfußballverband, das Turnier in Frankreich ganz groß auf seiner Homepage ab, auf der Startseite. Es ist ja nun so, dass in den USA viele andere Themen rund um die Gleichberechtigung von Frauen auch in der Diskussion sind, Equal Pay, also die gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit ist ja dann ein weiteres großes Thema. Wie sieht es da eigentlich aus im Fußball bei den Sponsorengeldern, gibt es da auch so extreme Unterschiede?
Zilm: Insgesamt ist das überhaupt nicht vergleichbar mit Fußball, was da in anderen Ländern oder auch in anderen Sportarten in den USA passiert. Ein Vergleich: Lebron James, NBA-Superstar, bekommt jedes Jahr mehr als 30 Millionen Dollar von Sponsoren, Alex Morgan, die im Auftaktspiel fünf Tore geschossen hat, bekommt so ungefähr drei Millionen. Und unter den 100 bestbezahlten Athleten auf der "Forbes"-Liste hat keine einzige Frau dieses Jahr gestanden. Aber, wie Sie auch schon angesprochen haben, die Firmen sehen, das ändert sich, die Stimmung ändert sich, es gibt mehr Unterstützung, Nike hat jetzt endlich einen supercoolen Spot auch für Frauen-WM geschossen, ein Energieriegel, eine Firma zahlt den Frauen, die jetzt dabei sind im Kader, jeder 31.250 Dollar – und das ist die Differenz, diese mehr als 30.000 Dollar, was die Frauen dafür bekommen, dass sie im Nationalteam sind, im Vergleich zu dem, was die Männer bekommen. Und da hat eben dieser Riegel quasi auch Imagepflege, aber auch gute Bezahlung getan. Man sieht, die Zeiten ändern sich und die Sponsoren sagen aber, sie investieren noch nicht so viel, weil Frauenfußball einfach zwischen diesen großen Ereignissen, zwischen Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften zu wenig präsent in den Medien ist, und Investitionen sich deshalb nicht lohnen.

Viewing-Partys in Kalifornien

Wheeler: Und das US-Frauennationalteam ist zweifellos ein Aushängeschild für den US-Sport, also die Fußballerinnen, die sind leicht und locker, wir haben es eingangs angesprochen, in diese Weltmeisterschaft in Frankreich gestartet, 13:0 gegen Thailand, WM-Rekord. Also mir haben die Asiatinnen echt leidgetan. Bei dem, was der Titelverteidiger anzubieten hat, müssten doch die WM-Spiele in Frankreich ein echter Straßenfeger in den USA sein. Will heißen, wie groß ist denn die öffentliche und auch die mediale Wahrnehmung?
Zilm: Also, was klasse ist, ist, dass alle Spiele live übertragen werden auf Englisch und auf Spanisch im Fernsehen. Das ist jetzt hier, zumindest in Kalifornien an der Westküste, manchmal sehr, sehr früh. Die Spiele sind bei uns morgens und mittags, das Spiel USA Thailand war in Kalifornien um zwölf Uhr, also zur Mittagspause. Da waren tatsächlich, ich bin ein bisschen rumgefahren, in den Kneipen haben viele gesessen und zugeschaut, es gab auch große Viewing-Partys, zum Beispiel im Fußballstadion der Fußballmannschaft von hier, L.A. Galaxy. Es gibt abends Wiederholungen, Zeitungen berichten groß – und dabei auch immer über die Klage. Also, das war schon ein ganz guter taktischer Zug, das jetzt zu machen mit der Klage für die gleiche Bezahlung. Wenn die USA weiter so gewinnen, dann werden die Frauen sicher noch viel mehr Einschaltquoten und Medien bekommen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema