US-Kassenschlager "Findet Dorie"

Das Pixar-Geheimnis: Große Lust auf eine neue Geschichte

Dorie inmitten eines Schwarms von Quallen (Szenenfoto).
Dorie inmitten eines Schwarms von Quallen (Szenenfoto). © Buena_Vista
Andrew Stanton im Gespräch mit Moderatorin Susanne Burg |
"Findet Nemo" war ein Publikumskracher. Die Fortsetzung - "Findet Dorie" - ist noch erfolgreicher. In den USA hat sie den besten Start eines Animationsfilms aller Zeiten gehabt. Regisseur Andrew Stanton verrät, was ihm bei dieser Sequel-Verfilmung wichtig war.
Zwei Gründe hat Disney in diesen Tagen um anzustoßen: Vor zehn Jahren übernahm der Konzern das Zeichentrickstudio Pixar und der Pixar-Film "Findet Dorie" legte den besten Start eines Animationsfilms aller Zeiten in den USA hin mit einem Einspielergebnis von 136 Millionen Dollar. Am Donnerstag kommt der Film nun in Deutschland in die Kinos.
"Findet Dorie", die Fortsetzung der Geschichte um den roten Clownsfisch Nemo, ist diesmal die Geschichte des Paletten-Doktorfisch-Mädchens, das unter Amnesie leidet. Die Flossendame ohne Kurzzeitgedächtnis lebt mit Nemo und Marlin im Korallenriff, als sie einen Geistesblitz hat: Irgendwo da draußen müsste doch ihre Familie sein, die vielleicht längst nach ihr sucht. Und so machen sich die Freunde dann auf nach Kalifornien, um Dories Eltern zu finden.
Wie schon "Findet Nemo" entstammt auch die Fortsetzung der Fantasie von Andrew Stanton. Auch hier hat er Regie geführt.
Angesprochen auf seine Aussage in der L.A. Times vor einigen Jahren, dass mehr Fortsetzungen scheitern als dass sie Erfolg haben, bestätigt Stanton noch einmal seine Aussage von damals und er hat eine Idee, woran es liegen könnte, dass es bei "Findet Dorie" offenbar anders läuft:
Andrew Stanton: Ich glaube, niemand dreht absichtlich einen schlechten Film oder ein missglücktes Sequel. Aber es ist eben sehr schwierig, solche Fortsetzungen zu drehen. Und es ist bei mir so, es war ja schon mein fünftes Sequel, mit dem ich zu tun hatte, "Toy Story I, II, III", dann bei "Cars I, II". Ja, das war jetzt meine fünfte Erfahrung, die ich diesmal ganz alleine stemmen musste, und ich weiß einfach, wie schwierig das ist. Aber es gibt vielleicht zwei Gründe, warum "FindeSequel-Verfilmung Dorie" so ein Erfolg geworden ist. Wir haben einerseits natürlich versucht, so frisch, so offen an diesen Film heranzugehen wie bei dem Original, als wäre es ein unabhängiger Film, der für sich alleine steht und dass Publikum den auch goutieren kann, ohne den ersten Film gesehen zu haben.
Das sagt sich leicht, ist dann aber natürlich immer schwer zu realisieren. Aber hinzu kommt noch ein weiterer Umstand, nämlich die "Memo"-DVD, "Findet Memo", ist unglaublich populär. Die ist fast in jedem Haushalt zu finden und wurde immer wieder angeschaut. Das heißt, obwohl der Film 13 Jahre alt ist, haben die Kinder, die ihn damals gesehen haben, dann auch ihren heutigen Kindern schon gezeigt. Und dadurch gab es einen richtigen Wunsch danach, diese Geschichte weiterzuführen. Und ich glaube, diese beiden Elemente, dass wir es wirklich geschafft haben, dass diese Fortsetzung nicht redundant wird, und diese Lust auf eine neue Geschichte nach 13 Jahren haben dazu beigetragen, dass das so funktioniert hat.

"Dorie möchte, dass jeder Fisch, den sie trifft, bei ihr bleibt"

Burg: Sie fokussieren sich ja jetzt eben auf Dorie. Sie hat ihr Gedächtnis verloren, ist aber immer irgendwie aufgedreht und fröhlich und voller Energie. Eigentlich ja eine sehr lustige Figur. Wie wichtig war es Ihnen, dass dabei auch so eine Portion Tragik mit in dieser Figur steckt?
Stanton: Ich glaube, ich hätte das Sequel nicht gemacht, wenn ich mir nicht eine Figur überlegt hätte, die auch etwas Tragisches hat oder bei der etwas zerbrochen ist oder etwas Unvollkommenes und Ungelöstes ist. Sonst ist ein Publikum nicht bereit, sich 90 Minuten lang einer Figur so zu widmen. Und im ersten Film, in "Findet Memo", da gab es ja auch diesen Konflikt des Vaters, der ein Trauma hatte als alleinerziehender Vater, der irgendwie auch Ängste hatte.
Und da war es mir ganz wichtig, dass jetzt in der Fortsetzung eben auch eine neue Figur, ja, unter gewissen Komplikationen leidet. Und mir persönlich war das klar, auch wenn ich es niemandem gesagt habe, als ich die Figur von Dorie 1999/2000 dann etwa entwickelte, da wusste ich schon, dass sie ganz alleine durch den Ozean geschwommen ist, und, weil sie aber ein Kurzzeitgedächtnis hat, sich gar nicht mehr genau erinnern kann, warum. Und wenn man aber so ist wie Dorie, dann muss man das ja irgendwo kompensieren. Sie hat ja immer diese Angst, alleine zu sein. Und deswegen ist sie so liebenswürdig, deswegen ist sie so freundlich, denn sie möchte natürlich, dass jeder Fisch, den sie trifft auf ihrer Reise, eigentlich bei ihr bleibt.
Und das führt natürlich auch dazu, dass in ihr so eine gewisse Traurigkeit auch liegt. Und bei Marlin, da war es ja so, dass er im ersten Film eben auch gesagt hat, er geht jetzt nach Hause. Und alle erinnern sich natürlich daran, wie Dorie in dem Moment eben auch geweint hat. Und es ist eben auch ein Teil von ihr, dass sie auch so eine traurige Seite hat trotz ihrer Fröhlichkeit und Liebenswürdigkeit.
Burg: Nun liegt ja "Findet Nemo" schon 13 Jahre zurück und es ist damals auch gerade wegen seiner grandiosen Ästhetik gelobt worden, dieser 3D-Animation aus dem Computer, mit dem Spiel von Licht und Farbe, Traumhaftes gemischt mit Naturalistischem. Die Technik hat sich seitdem unglaublich weiterentwickelt. Wie schwierig war es, an den Look von damals anzuknüpfen?
Stanton: Ach, das mit dem Look, das war eigentlich gar nicht so schwer, denn wir haben eigentlich bei "Findet Nemo" mit einem Trick gearbeitet. Und 75 Prozent oder 80 Prozent des Films suggerieren wir das Wasser eigentlich nur, weil wir die Fische in permanenter Bewegung halten, aber wirklich Wasser sehen Sie fast gar nicht in dem Film. Das war einfach so ein kleiner Zaubertrick, den wir da verwendet haben, weil es damals wirklich vor 13 Jahren unglaublich schwer war, die Oberfläche von Wasser realistisch darzustellen. Nun sind wir natürlich technisch sehr viel weiter, heute können wir Wasser zeigen. Und das haben wir natürlich auch gemacht.
Und bei "Dorie" geht es ja eben auch darum, dass wir uns letztendlich das Leben diesmal ein bisschen schwerer gemacht haben in diesem zweiten Teil. Und das ist ein bisschen so, wie Sie vielleicht heute mit einem neueren Computer umgehen: Vor fünf Jahren war Ihr Computer noch nicht in der Lage, die Hälfte von dem zu tun, was er heute kann, aber dafür geben Sie sich dann heute einfach mehr Mühe, so viel wie möglich aus diesem Computer herauszuholen, Sie haben einfach mehr Appetit, den Computer richtig auszureizen. Und das ist genau das, was wir jetzt im zweiten Film gemacht haben. Also war es eigentlich genauso schwierig, den zweiten zu machen, wie den ersten, weil wir jetzt zum Beispiel auch Wasseroberflächen zeigen.
Burg: Sie haben sich neue Herausforderungen gesucht, sagen Sie. Dazu gehört auch, das Sie für "Findet Dorie" einen Kraken geschaffen haben. Der war besonders schwer zu kreieren. Warum?
Stanton: Nun, so einen Kraken herzustellen ist unglaublich kompliziert. Sie müssen sich das so vorstellen, als würde ein Puppenspieler in etwa 1000 Fäden haben, an denen er ziehen müsste, um seine Puppe zu bewegen. Und das ist wirklich, was es so kompliziert hier gemacht hat. Ein Auto oder eine Figur wie Buzz Lightyear aus den "Toy Story"-Filmen, das ist relativ einfach, denn das ist einfach eine überschaubare Figur. Aber ein Kranke verändert sich dauernd und er hat all diese vielen Arme und all das muss dargestellt werden. Und das macht es wirklich sehr kompliziert.

Die Regeln des Ozeans gelten auch für den Film

Burg: Jetzt schwimmen in diesem großen Ozean viele, viele unterschiedliche Fische. Und man hat den Eindruck, die Menschen sind immer noch eine potenzielle Bedrohung, aber so richtig viel Streit gibt es in der Unterwasserwelt von Dorie eigentlich nicht. Geht es der multikulturellen Fischgesellschaft im Jahr 2016 besser als 2003, wo Nemo ja noch vom Hai attackiert wurde?
Stanton: Im ersten Film habe ich ganz bewusst versucht, die Regeln des Ozeans zu beherzigen, und wollte mich auch so ein bisschen von "Lion King" absetzen. Und ich wollte einfach, dass diese Furcht für den Zuschauer auch fühlbar wird in der Geschichte, dass man als Zuschauer genauso nervös ist wie der Vater, der eben sein Kind beschützt, sein Fischkind in diesem Fall. Bei diesem neuen Film, "Findet Dorie", da war das nicht so nötig, diese Form von Gefahr zu zeigen. Wir wollten trotzdem nicht unrealistisch sein und es stimmt, zum Beispiel Seelöwen fressen Fische. Aber wir haben einfach Seelöwen kreiert, die so faul sind, dass sie viel zu faul sind, um diese Fische zu fressen. Und in dem zweiten Film hier ging es einfach um eine andere Geschichte, da ging es um die Geschichte von Dorie und die hatte eben nicht so viel zu tun mit der Angst, die im ersten Teil bei "Findet Nemo" ausgestanden wurde.
Burg: Wenn wir beiden Filme noch mal vergleichen: Bei "Findet Nemo" landet Nemo in einem Aquarium und es geht darum, auszubrechen, wieder zurückzukommen in die freie Wildbahn. Bei "Findet Dorie" ist es eher umgekehrt, sie ist in der freien Wildbahn, sucht ihre Eltern und ist auch bereit, dafür in ein Aquarium zu ziehen. Ist "Findet Dorie" insofern auch eine Ode an die Familie, nicht an die Freiheit, auch wie bei "Nemo"?
Stanton: Ehrlich gesagt, das weiß ich gar nicht. Und wenn dem so ist, dass das jetzt eine Ode an die Familie geworden ist, dann war uns das wirklich nicht ganz bewusst. Allerdings ist hier eben einfach die Geschichte die, dass es Dorie fast unmöglich sein soll, ihre Eltern zu erreichen. Und da das so schwer ist, muss sie erst einmal diesen Weg gehen, sich selber mehr zu vertrauen, sich selber mehr anzunehmen und auch unabhängiger zu werden. In gewisser Weise ist das, was sie macht, dieser Weg eine Art Hindernisparcours.
Regisseur Andrew Stanton
Regisseur Andrew Stanton© EPA
Wir wussten nicht sehr viel über Dorie im ersten Film. Man wusste nur, sie hat irgendwie eine Familie, aber wo die genau lebt, das war wirklich keinem bekannt, auch mir nicht. Alles, was wir über Dorie wussten, ist: Sie hat ein Kurzzeitgedächtnis, sie spricht schlecht, aber immerhin irgendwie die Walsprache, die Sprache der Wale, und sie kennt sich irgendwie mit Menschen aus, weil, sie redet ein bisschen so wie Menschen. Und da war eben die Frage, die wir uns immer gestellt haben: Wie kann ein Fisch das alles wissen? Und dann war irgendwo ganz klar, dass sie sich unter Menschen bewegt haben muss und dass sie eben auch eine Weile in einem Aquarium verbracht haben muss.
Burg: Das Ganze sieht man jetzt in dem Kinofilm "Findet Dorie", Andrew Stanton ist der Regisseur. Herzlichen Dank fürs Gespräch! Thank you very much for talking to us!
Stanton: Always my pleasure, thank you!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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