US-Kongresswahlen

Republikaner werden Kompromisse machen

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Das Capitol in Washington, Sitz des US-Kongresses © Jim Lo Scalzo/epa
Moderation: Nana Brink |
Nach den US-Kongresswahlen haben die Republikaner eine Mehrheit in beiden Parlamentskammern - Repräsentantenhaus und Senat. Nun können sie Präsident Obama handlungsunfähig machen. Doch die Politologin Constanze Stelzenmüller erwartet von den Wahlsiegern auch Kompromisse.
Nach ihrem Sieg bei den Zwischenwahlen zum US-Kongress werden die Republikaner aus Sicht der Politologin Constanze Stelzenmüller versuchen, Präsident Obama als handlungsunfähig darzustellen. Gleichzeitig müssten sie sich jedoch davor hüten, ihn grundsätzlich zu torpedieren: "Das wird von amerikanischen Wählern auch nicht goutiert."
Die ganz Extremen notfalls mal abhängen
Wegen der jetzt errungenen großen Mehrheit der Republikaner habe deren Mehrheitsführer Boehner die Möglichkeit, "die ganz Extremen" innerhalb seiner Partei auch "notfalls mal abzuhängen und ein paar Vorzeigekompromisse zu schließen", so die Expertin vom Washingtoner Think Tank Brookings. In der Innenpolitik würden das die Republikaner von Thema zu Thema anders handhaben.
Konsens im Kampf gegen den Islamischen Staat
Veränderungen in der US-Außenpolitik nach dieser Wahl seien schwer vorherzusagen. Im Kampf gegen den Islamischen Staat erwartet die Expertin allerdings keine andere Strategie: "Da gibt es mit Sicherheit Konsens." Angesichts der Kriegsmüdigkeit der Amerikaner würden republikanische Politiker nicht ernsthaft fordern, Bodentruppen in die Krisenregion zu entsenden.

Lesen Sie hier das ganze Interview:
Nana Brink: Es ist passiert, der Albtraum für die Demokraten in den USA ist wahrgeworden. Sie haben ihre Mehrheit im Senat verloren. Die Republikaner führen nun beide Kammern des amerikanischen Kongresses an, denn sie konnten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus ebenfalls verteidigen. Keine wirkliche Überraschung, die Wahlschlappe war ja sozusagen eine angekündigte. Constanze Stelzenmüller ist Expertin für Außen- und Sicherheitspolitik, arbeitet für den renommierten Washingtoner Thinktank Brookings. Guten Morgen, Frau Stelzenmüller – oder besser schönen guten Abend, bei Ihnen ist ja jetzt gerade mitten in der Nacht.
Constanze Stelzenmüller: Guten Morgen nach Deutschland!
Brink: Es ist ja nun nichts Ungewöhnliches, dass die Partei eines Präsidenten bei den Midterm Elections, also bei den Zwischenwahlen, verliert. Das ist in der Vergangenheit immer wieder passiert. Was ist denn jetzt der politische Gestaltungsspielraum für den Präsidenten?
"Republikaner werden Obama nicht grundsätzlich torpedieren"
Stelzenmüller: Da muss man, glaube ich, unterscheiden zwischen Innenpolitik und Außenpolitik. In der Innenpolitik ist es sicherlich so, dass die Republikaner es drauf ankommen lassen werden, ihn als "lame duck", also als unfähigen und handlungsunfähigen Präsidenten darzustellen, um ihre Chancen für die Präsidentschaftswahl in zwei Jahren – und der Vorwahlkampf beginnt ja praktisch morgen früh, zu vergrößern.
Allerdings muss man gleichzeitig sagen, lassen sich die Republikaner natürlich auch davor hüten, so zu erscheinen, als würden sie den Präsidenten grundsätzlich und koste es, was es wolle, torpedieren. Das wird von amerikanischen Wählern auch nicht goutiert. Allerdings hat der Mehrheitsführer im Kongress, Boehner, jetzt die Möglichkeit, weil er eben eine so große Mehrheit hat, sagen wir mal, die ganz Extremen unter den Republikanern auch notfalls mal abzuhängen und ein paar sozusagen Vorzeigekompromisse zu schließen.
Brink: Wo könnten diese Kompromisse liegen, die in der Vergangenheit nie funktioniert haben?
Stelzenmüller: Also, ich glaube, es ist einfach zu früh, das jetzt zu sagen. Es gibt eine ganze Menge Themen, die anstehen. Das sind Steuerreformen, das sind Infrastrukturprojekte, Sachen, die den Menschen wichtig sind. Und viele, nicht nur Liberale, sondern auch Konservative, würden, glaube ich, angesichts dieser Wahlen sagen, es ist auch an der Zeit, sich zu überlegen, ob man nicht das Wahlrecht selber und einige der Regeln zum Wahlkampf reformieren muss, unter anderem sich noch mal anschauen muss die Rechtsprechung des Supreme Court, nachdem sozusagen Geld freie Rede ist, wonach einfach derjenige, der Förderer mit dem meisten Geld, auch am meisten Stimmen kaufen kann am Ende.
Gradwanderung zwischen Ultrakonservativen und gemäßigten Internationalisten
Brink: Nun hat ja die meisten Menschen in den Vereinigten Staaten auch immer wieder irritiert oder es hat sie auch verärgert, dass die Parteien ja nicht zusammenarbeiten. Sehen Sie denn jetzt, dass es da ein Aufeinanderzubewegen geben könnte?
Stelzenmüller: Wie schon gesagt, die Republikaner müssen da sozusagen eine Gradwanderung machen, zwischen ihre eigene, doch sehr zersplitterte und sehr weit auseinanderstrebende, also zwischen den Ultra-Konservativen, auch der Tea Party nahestehenden, an Außenpolitik und globaler Politik sehr wenig interessierten Wählern auf der einen Seite und den gemäßigten Internationalisten auf der anderen Seite zu finden. Sie müssen gleichzeitig sozusagen eine eigene Linie markieren und zeigen, dass sie nicht sabotieren. Und das werden sie, glaube ich, von Thema zu Thema anders handhaben.
"Obama hatte viele kluge Erkenntnisse artikuliert"
Brink: Sie haben es schon gesagt, man muss jetzt auch bei dieser Wahl unterscheiden zwischen Außen- und Innenpolitik. Kommen wir auf die Außenpolitik zu sprechen. Was deutet sich da an? Was würde sich da ändern unter einer republikanischen Mehrheit?
Stelzenmüller: Das ist, ehrlich gesagt, ganz schwer vorherzusagen, weil die Republikaner so wenig Profil gezeigt haben in konkreten außenpolitischen Fragen. Man muss ja sagen, dass dieser Präsident, so groß seine handwerklichen Fehler im Management der Außenpolitik und der Politik generell, vor allen Dingen im Verhältnis zum Kongress gewesen sind – er hatte ja auch ein sagenhaftes Pech. Er hat sehr viele sehr kluge Erkenntnisse artikuliert, unter anderem die Tatsache, dass auch die Supermacht Amerika in der Welt relativ weniger mächtig ist als früher.
Die Erkenntnis, dass Amerika sich aus zwei Kriegen, in Afghanistan und Irak, zurückziehen muss, die Erkenntnis, dass es mit Europa enger zusammenarbeiten muss, auch im Bereich des Handels. Und es müsste ihm eigentlich auch zugute kommen, dass die Wirtschaft so gut da steht wie nie in sechs Jahren, mit einem Börsenhoch, mit einem Niedergang der Arbeitslosigkeit. Aber die Menschen haben große Angst vor der Globalisierung, und das Symbol für die Globalisierung ist für sie die Ausbreitung der Ebola-Krankheit, die eben inzwischen auch Amerika erreicht hat. Und dagegen ist auch eine Supermacht machtlos.
Viele der Hardliner haben unrealistisches Bild von Amerikas Einfluss
Brink: Wird das also eine Rolle spielen? Wird sich da vielleicht was verändern? Weil Sie gesagt haben, man kann es nicht vorhersehen, aber es ist ja bekannt, dass die Hardliner, zumindest in den Reihen der Republikaner, auch die, die die Distanz zu Europa weiter befördern, ja durchaus eine Mehrheit haben.
Stelzenmüller: Ich glaube, viele der Hardliner haben ein unrealistisches Bild von dem, was für Amerika in der Welt möglich ist. Sozusagen, sie sehnen sich danach, die Uhr zurückzudrehen zu einem Amerika, das ohne Zweifel in der Welt den Ton angab, auch den Weltpolizisten spielte und meint, mit seiner übermächtigen Militärkraft einfach in Krisen eingreifen konnte und die dann nach Gutdünken regeln konnte und auch Alliierten gelegentlich mal sehr deutlich den Marsch blies.
Das geht heute so nicht mehr. Dazu sind die Probleme zu kompliziert geworden, und man kann eben mit Raketen und Soldaten ein Problem wie Ebola nicht lösen. Da kommt es auf andere Dinge an. Und das ist nach meinem Eindruck so manchem Republikaner nicht ganz klar. Sagen wir mal, aufgeklärte Amerikaner selber beklagen den Niedergang in außenpolitischer Kompetenz und Netzwerken in der eigenen Partei.
Forderung nach Bodentruppen gegen IS unwahrscheinlich
Brink: Sie sehen also keine veränderte Linie für Obama in der Außenpolitik? Gucken wir uns zum Beispiel den Kampf gegen den Islamischen Staat an. Also die Sache, wir fahren zwar Luftangriffe, schicken aber keine "boots on the ground", also keine Bodentruppen.
Stelzenmüller: Also, da gibt es mit Sicherheit Konsens. Ich kann mir nicht vorstellen, dass angesichts der Kriegsmüdigkeit der Amerikaner republikanische Politiker ernsthaft fordern würden, dass man da jetzt einen Militäreinsatz mit Truppenentsendung in diese Krisenregion beginnt. Das wäre so unpopulär, davor würde sich jeder Republikaner hüten.
Brink: Constanze Stelzenmüller, herzlichen Dank, Expertin für Außen- und Sicherheitspolitik beim Thinktank Brookings in Washington. Schönen Dank und eine gute Nacht für Sie!
Stelzenmüller: Gern geschehen, und schönen Tag noch. Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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