US-Luftschlag gegen Syrien

Etwas Richtiges im Falschen

Die Satellitenaufnahme vom 07.10.2016 zeigt das al-Shayrat Flugfeld in Syrien. Die USA haben den Flughafen der syrischen Armee angegriffen. Mehrere Dutzend Raketen des Typs Tomahawk sind abgeschossen worden.
Die Satellitenaufnahme zeigt das al-Shayrat Flugfeld in Syrien. Die USA haben den Flughafen der syrischen Armee angegriffen. Mehrere Dutzend Raketen des Typs Tomahawk sind abgeschossen worden. © DigitalGlobe via Department of Defense/AP
Von Marcus Pindur |
Nach elf Chaoswochen hat die Trump-Regierung ihre Chance ergriffen und wegen des Giftgasangriffs in Syrien außenpolitisch Stärke bewiesen: Die Bombardierung des syrischen Flughafens war richtig, meint unser Korrespondent Marcus Pindur.
Donald Trump wurde mit dem Problem konfrontiert – und er hat schnell und entschieden das Richtige getan. Etwas, was lange vorher hätte geschehen müssen: nämlich, dem brutalen Diktator Assad klarmachen, dass der Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen sein Volk inakzeptabel ist und nicht ungestraft bleibt.
Trump hat die niedrigste ihm zur Verfügung stehende Eskalationsstufe gewählt: Den Einsatz von Marschflugkörpern gegen ein klar definiertes militärisches Ziel. Das war der Flughafen, von dem aus das Giftgas über der syrischen Stadt Chan Scheichun abgeworfen wurde. Schuld und Sühne sind auf diese Art sehr sichtbar miteinander verknüpft.
Jeder Soldat Assads, der in Zukunft mit Giftgas zu tun hat, muss damit rechnen, dass das tödliche Folgen für ihn haben kann. Und Assad weiß jetzt, dass auch sein Beschützer Putin ihn nicht hinreichend schützen kann. Die Luftschläge haben die Risikokalkulation der Diktatoren verändert. Das wird Menschenleben retten.

Trump schwenkt auf eine Obama-Linie ein

Ironisch ist, dass der mit isolationistischer Rhetorik ins Amt gekommene "America First"-Präsident eine militärische Intervention am anderen Ende der Welt befiehlt. 2013 hatte Trump noch den damaligen Präsidenten Obama per Twitter beschworen, keine Luftangriffe in Syrien anzuordnen. Damals waren ebenfalls viele Menschen nach einem Nervengasangriff gestorben.
Man braucht gar nicht so weit zurück zu schauen. Trumps Außenminister Tillerson hatte noch vor wenigen Tagen die Forderung nach einer Absetzung Assads fallen gelassen, die bis dato die gültige Linie der US-Außenpolitik war. Die Obama-Administration hatte Assad die Hauptverantwortung für den blutigen Konflikt zugewiesen und arbeitete auf seinen Sturz hin. Jetzt kehrt Trump wieder zurück auf diese Obama-Linie, und das mit deutlich mehr Einsatz als Obama.
Es ist nicht nur der Anblick sterbender Kinder, der diesen Wandel in der Trump-Regierung bewirkt hat. Für hartgesottene Realpolitiker wie den Nationalen Sicherheitsberater McMaster steht noch ein anderes Thema auf der Tagesordnung: Die ungestrafte Anwendung von Massenvernichtungswaffen ist ein übler Präzedenzfall und könnte andere Schurkenstaaten ermutigen. Gleichzeitig hat die US-Administration endlich wieder einen Hebel, um Putin unter Druck zu setzen. Er soll mäßigend auf sein Mündel Assad einwirken.
Die relativ verhaltenen Antworten aus Syrien und Russland zeigen, dass die Botschaft dieser Luftschläge angekommen ist. Zumindest vorerst. Das wird die Armee von Trollen und nützlichen Idioten im Internet nicht daran hindern, weiterhin der russischen und syrischen Propaganda zu folgen: Der Einsatz von Nervengas sei nicht bewiesen, er sei ein Komplott, um Assad zu desavouieren, er sei vom Westen gesteuert. Dabei sind das sind mittlerweile längst entlarvte Propagandalügen.

Außenpolitisch handlungsfähig gezeigt

Wir haben die Bilder mit den Opfern im Todeskampf gesehen, wie sie grausam erstickten. Wir haben die Berichte von Augenzeugen gehört, die gesehen haben, wie die Giftgasbomben aus einem Flugzeug russischer Bauart abgeworfen wurden. Und es gibt die Autopsien, die türkische Ärzte an den Opfern vorgenommen haben. Sie fanden das Nervengift Sarin, eine international geächtete Massenvernichtungschemikalie, im Blut der Opfer.
Eine einmalige Militäraktion kann nicht die strategische Balance im syrischen Bürgerkrieg ändern. Und sie ist auch keine weitreichende Strategie zur Beendigung des Bürgerkrieges, dem schon eine halbe Million Menschenleben zum Opfer gefallen sind. Es ist auch nicht unbillig, zu vermuten, dass ein Blick auf das innenpolitische Schlachtfeld in den USA bei der schnellen und entschiedenen Reaktion eine Rolle gespielt hat, denn die Trump-Administration hat innenpolitisch elf Chaoswochen hinter sich. Jetzt konnte sie sich wenigstens außenpolitisch als handlungsfähig präsentieren.
Was an außenpolitischer Strategie in der Zukunft dieser Präsidentschaft liegt, ist bei der Sprunghaftigkeit dieses Präsidenten nicht vorhersagbar. Aber: Eine richtige Entscheidung bleibt eine richtige Entscheidung. Es gibt also doch richtiges Leben im Falschen.
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