Mehr vom Kuchen für die deutsche Indie-Branche
Die Indie-Branche boomt - es herrscht Aufbruchsstimmung. Da passt es, dass gerade in New York das Branchentreffen der amerikanischen Indieszene stattfindet. Erstmals sind auch Vertreter deutscher Musikverlage dabei.
Musikmessen blicken in die Zukunft. Sie prophezeihen neue Musikformate, erklären uns wie und wo wir bald Musik konsumieren werden. Richard Burgess, der Mann hinter der "American Association of Independent Music" (A2IM), der Messe des Indie-Musikverbandes, ist vorsichtig mit Prognosen. Für ihn können die Indies viel aus der Vergangenheit lernen:
"1999 boomte die Industrie noch und CDs kosteten fast 20 Dollar das Stück. Shawn Fenning erfand die kostenlose Online-Musiktauschbörse Napster. Das versetzte der Musikindustrie einen schweren Schlag. Aber sie reagierte zunächst gar nicht. Es war Apple, eine Tech Firma, die dann den digitalen Musikvertrieb iTunes auf den Markt brachte. Ich höre immer wieder Leute die fordern, wir müssen der Musik ihren Wert wieder zurückgeben. Dabei war dieser Wert im da – die Frage ist nur, wer ihn bekommt."
Es geht darum, endlich selbst wieder etwas vom großen Kuchen abzubekommen. Bei der A2IM setzen sich die Indies an einen Tisch mit den großen Sillicon Valley Unternehmen, die, wie James Burgess erzählt, seit Jahren einen Großteil der Einnahmen des Musikgeschäfts für sich einfahren.
Das Buhlen um die Playlist
Christof Ellinghaus, der Chef des Berliner Labels City Slang, ist zum ersten mal bei der New Yorker Indie-Messe. Die Zusammenarbeit mit Streamingservices sind für sein Label und seine Künstler enorm wichtig.
"Wir freuen uns über jeden, der bei einem Streaming Dienst unterschreibt und monatlich dort 9,95€ abgibt um sämtliche Musik der Welt zu hören und finden es natürlich alle schrecklich, dass 40% des weltweiten Musikkonsums bei Youtube stattfindet wo man einfach nichts mitverdient. Wir sind ja alle mittlerweile relativ abhängig von den Apples und Spotifys dieser Welt."
Christof Ellinghaus legt in den drei Messetagen einen Meeting-Marathon hin. Er ist nach New York gekommen, um seinen Digitalvertrieb zu pushen. Streamingservices haben unterschiedliche Konditionen – wieviel die Indie-Musiker und Labels verdienen, wird individuell verhandelt.
Die neueste Schikane sind "Editors" – sie entscheiden, welche Musik auf den Playlists der Streamingdienste promotet wird. Diese Playlists spielen eine wichtige Rolle, wie Oke Göttlich vom Hamburger Digitalvertrieb Finetunes erzählt.
"Genau so wie man Radio-DJs früher davon überzeugen durfte, die Musik zu spielen, sind es eben heute auch die Editoren auf Playlist-Seite. Wer bringt die Musik, die man veröffentlicht, auf Playlisten? Da gibt es immer solche neuen Entwicklungen und da versucht man natürlich auch, mit den Playlist-Editors Treffen zu arrangieren."
Unterstützung vom Ministerium
Oke Göttlich gehört zu einer Delegation aus 30 verschiedenen Musikmachern aus Deutschland. Finanziell unterstützt wird die Anreise auch vom Bundeswirtschaftsministerium. Die deutschen Teilnehmer durften so auch als Nichtmitglieder bei der amerikanischen Indie-Messe mit dabei zu sein.
Aufgrund des Members-Only-Konzepts bietet die Indie-Konferenz A2IM viele Vorteile gegenüber gigantischen Musikmessen wie South by South West, erzählt Alex Schulz, der Organisator des "Reeperbahn Festivals".
"Man kriegt mit langem Vorlauf die Teilnehmerliste und kann sich dann bewerben für Einzeltreffen innerhalb dieser drei Tage. Einige der mitreisenden Kollegen und Kolleginnen unserer Delegation haben bis zu zehn Meetings am Tag, die dauern immer so 15, manchmal 20 Minuten. Aber man weiß sehr genau im Vorweg: Was möchte ich von meinem Gesprächspartner? Für welchen Geschäftszweig kommt er für mich in Frage? Hier passieren die Meetings nicht zufällig wie bei anderen viel, viel größeren Veranstaltungen, bei denen man häufig relativ orientierungslos oder selbstorganisiert herumläuft und schaut, ob man den potentiellen Geschäftspartner irgendwie finden kann oder einen Mitarbeiter aus dem Unternehmen. Das ist hier völlig anders."
Die USA kappen die Fördermittel
Zum zweiten Mal ist das Reeperbahn Festival mit einer New-York-Edition – einem Live Showcase aus internationalen Künstlern - mit dabei. Alex Schulz hat inzwischen viele Partnerschaften mit amerikanischen Indie-Betreibern aufgebaut. Zum nächsten Reeperbahn Festival sollen amerikanische Kleinunternehmer aus dem Musikbereich nach Hamburg kommen.
Während die deutsche Regierung den Geschäftsaustausch unterstützt, kürzt der amerikanische Präsident Zuschüsse, die solch eine transatlantische Musikreise unterstützen.
"Bislang wurden die Reisen unserer Mitglieder zu internationalen Konferenzen wie dem Reeperbahn Festival von der Regierung subventioniert, weil das gut für die Exporte war. Mit der neuen Regierung ist die Förderung sehr viel schwieriger geworden. Andererseits sind wir es auch gewohnt, ohne Zuschüsse zu arbeiten. Dennoch war es schon enttäuschend, nun die wenige Förderung zu verlieren, die es gab. Doch ist es nicht lebensbedrohlich. Wir werden nicht untergehen, nur weil es keine Zuschüsse mehr gibt."