Exzess statt Leistung
Psychische Probleme, Tour-Abbruch, Klinik: Damit machte US-Rapper Kanye West 2016 Schlagzeilen. Jetzt verklagt er seine Versicherung: Sie will für die abgesagten Konzerte nicht aufkommen. Kritiker Klaus Walter sagt dazu: Auch im Pop herrsche das Leistungsprinzip.
Nach seiner abgebrochenen Tour verlangt US-Superstar Kanye West zehn Millionen US-Dollar von seiner Versicherung. Die weigert sich, den Betrag auszuzahlen. Begründung: Der Sänger habe Drogen genommen. Doch gehört das zum Pop-Geschäft nicht dazu? Es sei durchaus die Erwartungshaltung, dass ein Popstar einen bestimmten Lebensstil pflege, meint dazu Pop-Experte Klaus Walter. Drogen, Alkohol, Exzesse jeglicher Art, psychische Defekte seien nicht nur von Nachteil:
"Die tragen ja bei zum Bild eines schillernden Popstars gewissermaßen. Andererseits gilt natürlich auch in der Popmusik das Leistungsprinzip. Der Künstler muss liefern und er muss das viele Geld, das er verdient, irgendwie rechtfertigen. Wenn er das nicht tut, dann ist er schnell raus."
Sex, Drugs and Rock'n'Roll befänden sich seit Jahren im Niedergang, so Walter. Der "letzte Rock'n'Roll-Tote" sei Kurt Cobain gewesen - vor fast einem Vierteljahrhundert. Daran könne man sehen, "wie sehr sich die Rolle des Popstars verändert" habe:
Pop als repräsentative Staatskunst
"Der Popstar hat sich vom Rand der Gesellschaft in die Mitte bewegt: vom Außenseiter ins Zentrum der Gesellschaft. Heute handeln Popstars eigentlich in der Regel verantwortungsvoll und nicht verantwortungslos - gegenüber sich und gegenüber anderen. Sie sind in Benefizaktionen involviert, sie machen Charity, sie machen Spenden, sie retten die Welt und sie agieren im Grunde im Namen von political correctness."
Das gelte mehr denn je auch für schwarze Popstars - was viel mit der Präsidentschaft Barack Obamas zu tun habe, sagt Walter. Obama habe das Weiße Haus "in großem Stil" für schwarze Künstler geöffnet: "Auf diese Art und Weise wurde afroamerikanischer Pop zum ersten Mal in der Geschichte staatstragend und hat politisches Gewicht bekommen." So seien Jay-Z und Beyoncé im Weißen Haus ein und aus gegangen. Pop sei früher per definitionem staatsfern und tendenziell subversiv gewesen - heute sei er "plötzlich eine repräsentative Staatskunst". (bth)