US-Serie "Tyrant" von Gideon Raff

Familienzwist auf Arabisch

Regisseur Gideon Raff während der Dreharbeiten zur US-Serie Dig in Dubrovnik, Kroatien.
Regisseur Gideon Raff am Set. © imago stock
Von Noemi Schneider · 16.07.2016
Die Serie "Tyrant" des "Homeland"-Erfinders Gideon Raff bediene sämtliche Klischees über die arabische Welt, sagen manche Kritiker. Die Serie handelt von der Herrscherfamilie eines fiktiven arabischen Staates. Die junge Garde versucht, die Diktatur in eine Demokratie zu wandeln. Mittlerweile ist in den USA die dritte Staffel zu sehen.
"Fauzy, I’m coming to my nephews wedding.”
"I’m not going!”
"You’re going.”
"Promise me, we’ll come back!”
"What?”
"Promise me, we’ll come back.”
Nach 20 Jahren kehrt der sympathische Kinderarzt "Barry" Bassam Al-Fayeed gemeinsam mit seiner Frau und seinen Kindern in seine Heimat, den fiktiven arabischen Staat Abbudin zurück, um an der Hochzeit seines Neffen teilzunehmen. Über Abbudin herrscht Barrys despotischer Vater, der vor zwei Jahrzehnten nicht davor zurückschreckte, chemische Waffen gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen, weswegen Bassam den Kontakt nach Abbudin abbrach.
Nach der Hochzeit stirbt der "alte Tyrann" und Barrys älterer Bruder Jamal übernimmt die Geschäfte. Jamal bittet seinen Bruder ihm als Berater zur Seite zu stehen und Barry versucht, sein Heimatland aus der diktatorischen Gegenwart in eine demokratische Zukunft führen.

Ist "Tyrann" rassistisch und voller Stereotype?

Natürlich haben sich die Macher dieser US-Serie nach Lust und Laune bei sämtlichen Nahost-Diktaturen der letzten Jahre bedient, um einen passenden Staat mit passendem Personal für eine Serie zu zimmern, in der es um folgendes geht: Amerikanischer Zivilisationsgedanke trifft auf ein verkommenes arabisches Regime - und drei Mal dürfen Sie raten, wer besser dabei wegkommt.
Während der Ausstrahlung der ersten Staffel hagelte es dann auch Kritik von allen Seiten: "Tyrant" sei rassistisch, es würden Stereotype und Klischees bedient. Der vorurteilsbeladene westliche Blick auf die arabische Welt werde zementiert, und überhaupt diene die Serie nur zur Rechtfertigung der amerikanischen Politik im Nahen Osten.
Ganz so eindimensional ist "Tyrant" dann aber doch nicht: Selbst Barrys smarter Bilderbuchcharakter erhält schon in der Pilotfolge entscheidende Brüche und lässt Untiefen erahnen, die sich mit der Zeit in allen Figuren und Handlungssträngen finden.

Schauspieler Ashraf Barhom will nicht "Klischee-Araber" geben

In der zweiten Staffel stiehlt der neue "Tyrann" Jamal Al-Fayeed seinem Bruder, dem blauäugigen Barry zunehmend die Show. Was vor allem seinem Darsteller, dem israelisch-arabischen Schauspieler Ashraf Barhom zu verdanken ist, der im ersten Moment zögerte die Rolle anzunehmen, da er, wie die meisten arabischen Schauspieler, wenig Lust hatte, immer den "Klischee-Araber" zu geben.
"Für mich als Schauspieler ist es grundsätzlich nicht reizvoll, Menschen zu spielen, die eine Nation repräsentieren sollen, schon gar nicht meine eigene. Denn wenn wir immer nur über Völker und Nationen reden, dann verlieren wir das Wesentliche aus den Augen: Wer immer nur die Zugehörigkeit zu einer Nation betont, der will damit meist politische Ziele verfolgen. Ich glaube, dass sich Kunst und Kino immer auf Menschen konzentrieren sollten und nicht auf Nationalitäten. Denn selbst, wenn es gut gemeint ist, trennt es die Menschen voneinander."

Zwischen Familienzwist und Staatsaffäre

Gideon Raffs Drehbuch überzeugte Ashraf Barhom dennoch und er übernahm die Rolle des, verdächtig an Saddam Husseins missratenen Spross Uday Hussein erinnernden, Jamal Al Fayeed. Eine ausgesprochen unsympathische Figur, die vielfach kritisiert, gleich in der Pilotfolge seine zukünftige Schwiegertochter vergewaltigt, um sich ihrer Jungfräulichkeit zu versichern.
"Als Schauspieler klassifiziere ich meine Figuren nicht. Meine Beziehung zu Jamal ist die: Ich sehe eine Figur voller Widersprüche, voller Geschichte, voller Schmerz und gleichzeitig hat sie auch gute Seiten. Und da, finde ich, wird Jamal interessant. Wenn wir über Menschen reden, dann reden wir immer über zwei Seiten - außer die Figur will ausschließlich böse sein. Aber ich glaube nicht, dass Jamal böse sein will, er ist einfach ein Mensch, der eben mit dem zu kämpfen hat, was seine Position so mit sich bringt."
Barhom verleiht dem Tyrann eine shakespearesche Dimension, die ganze Serie gerät zunehmend zu einem hochinteressanten Experiment, das eine Familiensache mit einer Staatsaffäre kombiniert und nicht vor Gegenwartsbezügen zurückschreckt.
"Die Serie ist verzwickt und das Thema ist verzwickt. Und so ein heikles Thema stellt immer eine große Herausforderung für die Beteiligten dar, weil alle unterschiedliche Hintergründe und Mentalitäten haben. Ich will das nicht beurteilen, aber ich finde das Ergebnis sehr interessant. Die Serie hat eine Sogwirkung entwickelt und im Kern ist sie sehr vielversprechend."

Die dritte Staffel von "Tyrant" läuft seit letzter Woche im amerikanischen Fernsehen. Hierzulande ist sie auf iTunes mit und ohne Untertitel zu sehen.

Mehr zum Thema