US-Strafzölle

Keine Gefahr für deutsche Autofirmen

Neuwagen des BMW-Konzerns stehen am 12.06.2017 auf dem Autoterminal der BLG Logistics Group in Bremerhaven (Bremen) zur Verschiffung bereit.
Deutsche Autos sind in den USA unverändert gut nachgefragt, vor allem teure Modelle. © picture alliance / Ingo Wagner
Helmut Becker im Gespräch mit Ute Welty |
Volkswirt Helmut Becker hält die Ankündigung von US-Strafzöllen für leere Drohungen und gibt Entwarnung: Bei teuren Modellen drohe kein Verkaufsrückgang in den USA. Viele Autos würden ohnehin in den USA hergestellt.
Die Euroäische Union reagiert auf Donald Trumps Ankündigung hoher Strafzölle mit Gegenmaßnahmen: In Vorbereitung seien Strafzölle auf typisch US-amerikanische Produkte wie Bourbon-Whiskey, Harley-Davidson-Motorräder oder Levi’s-Jeans, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Die EU werde nicht tatenlos zusehen, wenn Unternehmen und Arbeitsplätze in Europa bedroht seien. Auch in den USA ist Trumps Vorstoß hochumstritten: Hier formiert sich bereits Widerstand.

Kaum Folgen für die deutsche Autoindustrie

Der frühere Chefvolkswirt von BMW, Helmut Becker, rät zur Gelassenheit. Für die deutsche Autoindustrie hätten Trumps Pläne kaum Konsequenzen. "Das sind ja nur Drohungen bisher, die sich hochgeschaukelt haben", sagte Becker, der in München das Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation leitet.
Bislang handle es sich nur um Ankündigung, in Kraft gesetzt sei keine Maßnahme. Es werde auch nicht damit gerechnet, dass es dazu komme. Auch die US-Regierung könne nicht einfach gegen die WTO-Bestimmungen verstoßen, so Becker.

Außer Konkurrenz

Deutsche Hersteller stellten ihre Premiumautos ohnehin schon in den USA her. Den dortigen Markt hätten sie in diesem Segment fest im Griff: Wettbewerber im eigentlichen Sinne "gibt es in der amerikanischen Autoindustrie keine, sodass man also auch Strafzölle sozusagen über den Preis leichter weitergeben kann an den Kunden." Wer sich für einen BMW oder Mercedes entscheidet, dem sei der Preis weniger wichtig.
US-Präsident Donald Trump hat mit Strafzöllen auf europäische Autos gedroht. 
Trump droht mit Strafzöllen auf europäische Autos© dpa/ Kyodo / MAXPPP

Das Interview im Wortlaut:

Ute Welty: "America First" – diese Devise hat der amerikanische Präsident ausgegeben, und diese Devise setzt Donald Trump dann auch um, zumindest verbal. Trump droht eben mit Strafzöllen für europäische Autobauer, und ob man diese Drohung ernst nehmen sollte oder ob Strafzölle viel weniger Auswirkungen hätten als gedacht, das weiß Helmut Becker. Der langjährige Chefvolkswirt von BMW leitet in München das Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation und berät unter anderem Unternehmen in automobilspezifischen Fragen. Guten Morgen, Herr Becker!
Helmut Becker: Guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Erreichen Sie zurzeit besonders viele besorgte Anrufe?
Becker: Nein, eigentlich nicht, weil das, was da in Aussicht gestellt worden ist, ist ja nur Teil eines verbalen Prozesses. Das sind ja nur Drohungen bisher, die sich hochgeschaukelt haben. Sie sind ja nicht in Kraft gesetzt, und allgemein, muss man sagen, wird damit gerechnet, dass es dazu auch nicht kommt.
Welty: Warum? Was macht Sie da so ruhig?
Becker: Zum einen, weil das ist nicht so einfach. Die Zölle, die Trump ursprünglich angekündigt hat auf Rohstoffe beziehungsweise auf Grundstoffe Aluminium und Stahl, die kann er begründen mit nationalen Sicherheitsinteressen, aber alle anderen und weiteren Zölle auf bestimmte Produkte oder bestimmten Ländern muss im Rahmen der WTO abgewickelt werden und sind so ohne Weiteres gar nicht durchsetzbar. Das heißt, dagegen könnte man klagen, und es gibt ein allgemeines Abkommen im Rahmen der WTO, das stammt aus dem Jahr 1994, und danach ist das eigentlich verboten.
Welty: Abkommen können aber auch aufgekündigt werden.
Becker: Die könnten aufgekündigt werden, er könnte aus der WTO austreten, aber das sind Prozesse, die würden die Weltwirtschaft ins Chaos stürzen, nicht nur die Automobilindustrie. Auch andere, die Textilindustrie und der gesamte freie Welthandel mehr oder weniger wäre damit bedroht.
Automarken VW, BMW, Audi, Porsche, Mercedes, Symbolfoto zum Kartellverdacht (Fotomontage)
Deutsche Automarken sind in den USA angesagt © imago stock&people

Premiumautos von deutschen Herstellern

Welty: Wie sehr konkurrieren denn überhaupt in den USA die europäischen und da vor allem die deutschen Automarken mit amerikanischen Herstellern?
Becker: Eigentlich konkurrieren die, jetzt sage ich mal ganz was Schlimmes, überhaupt nicht, denn die deutschen Hersteller stellen Premiumautos her, haben damit weltmarktmäßig gesehen sogar einen Anteil am Weltmarkt mit ihren Produkten, mit ihrer Auslegung der Produkte, die BMWs, Daimlers und Audis, von 80 Prozent. Und der amerikanische Hochpreismarkt, der Premiummarkt ist eigentlich fest in deutscher Hand. Das heißt, Wettbewerber in dem Sinne gibt es in der amerikanischen Autoindustrie keine, sodass man also auch Strafzölle sozusagen über den Preis leichter weitergeben kann an den Kunden.
Welty: Weil diese Kundschaft sich sowieso um ein paar Tausend Dollar nicht schert.
Becker: Sie sprechen genau die Wahrheit aus. Der Hauptabsatz der deutschen Autos findet an der Ost- und an der Westküste statt, nicht im flachen Land, nicht im großen mittleren Westen, das heißt, da wo die Bevölkerung hoch ist und die Einkommen noch höher mehr oder weniger. Das heißt, die Nachfrage reagiert dort sehr preisinflexibel. Das heißt, die Elastizität der Nachfrage, so der Fachausdruck, auf Preiserhöhungen, sprich die Weitergabe zum Beispiel der Zölle in den Preisen für amerikanische Hersteller ist verschwindend gering. Das heißt, das ist ohne Weiteres mehr oder weniger durchsetzbar.
Wir haben übrigens da auch noch ein Beispiel in China, wenn ich das noch anfügen darf. In China erheben die Chinesen Zölle auf importierte Autos in der Größenordnung von 30 Prozent. Und was lesen wir in der Zeitung: Die Gewinne der deutschen Hersteller, die sie in China machen, sind gigantisch. Also, so schlimm kann es nicht sein, weil die Nachfrage eben auch in China von den reichen und begüterten Bevölkerungsschichten getragen wird.
BMW-Museum in Greer, im US-Bundesstaat South Carolina. 
Der deutsche Autobauer und seine Zulieferer sorgen für viele Arbeitsplätze in Greer, im US-Bundesstaat South Carolina. Dort gibt es auch ein BMW-Museum. © Deutschlandradio / Vanessa Lünenschloß

Deutsche Produktion in den USA

Welty: Deutsche Autobauer produzieren ja schon zum Teil in den USA. Lassen sich Strafzölle damit umgehen, indem man diese Produktionsstätten weiter ausbaut?
Becker: Dies wäre mit Sicherheit der Fall, und das würde auch geschehen. Heute produzieren die deutschen Hersteller in den USA allein 1,6 Millionen Autos. Von diesen 1,6 Millionen Autos bleiben 500.000 oder 800.000 im Land, die Hälfte. Fast die Hälfte der Produktion in den USA ist für den amerikanischen Markt gedacht. Dazu kommen noch 500.000 Autos, die importiert werden, sodass insgesamt der Absatz der deutschen Autos in den USA bei rund 1,3 Millionen liegt.
Das heißt, ein großer Teil des US-Absatzes der deutschen Hersteller findet aus US-Produktion statt und wäre natürlich von den Zöllen nicht betroffen. Betroffen wäre kurioserweise allerdings der Export, den die deutschen Hersteller aus ihren US-Werken nach Deutschland, nach Europa und in den Rest der Welt machen würden. Das ist das Merkwürdige.
Welty: Inwieweit?
Becker: Wenn zum Beispiel andere, das, was Junkers vorgeschlagen hat, wenn da Gegenmaßnahmen ergriffen würden seitens der EU oder von wem auch immer …

Amerikaner würden sich selbst schaden

Welty: Sie sprechen von den möglichen Strafzöllen auf Motorräder, Whiskey und Jeans waren es, glaube ich?
Becker: Genau, richtig. Wenn also diese Retoursionsmaßnahmen ergriffen würden und hier die Europäer Zölle auf US-Produkte und auf US-Fahrzeuge erheben würden, Strafzölle, dann würden die Deutschen natürlich über ihre Reimporte davon genauso betroffen.
Welty: Kein Autobauer kommt ohne Zulieferer aus. Inwieweit wären die dann von Strafzöllen betroffen?
Becker: Genauso wie die Hersteller selbst. Das heißt, auch die Zulieferer, die ja nun in großem Maße in den USA auch selbst produzieren, so wie die Hersteller auch, aber eben auch aus Europa und aus Deutschland zuliefern, würden natürlich auch von den Strafzöllen betroffen werden. Auch da würde sich natürlich der Preis für die Abnehmer erhöhen, ganz klar.
Aber wie gesagt, wir haben insgesamt in den USA allein die deutsche Autoindustrie, also Hersteller plus Zulieferer beschäftigen über 35.000 Menschen. Das ist also ein großer Anteil an der gesamten amerikanischen Autoindustrie, die davon betroffen wären. Und dies hilft auch dabei, eben solches zu verhindern, nämlich die Amerikaner würden sich mit diesen Strafzöllen ja selber schaden.
Welty: Die deutschen Autobauer und die amerikanischen Strafzölle – alles halb so wild, meint Helmut Becker vom Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation. Herr Becker, ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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