Emran Feroz ist freier Journalist mit afghanischen Wurzeln. Er hat in Tübingen Politologie und Philosophie studiert. Regelmäßig berichtet er über die politische Lage im Nahen Osten und Zentralasien in deutsch- und englischsprachigen Medien. Im Oktober 2017 veröffentlichte er sein erstes Buch "Tod per Knopfdruck: Das wahre Ausmaß des US-Drohnen Terrors oder Wie Mord zum Alltag werden konnte".
Aussichtslos, aber zum Erfolg verdammt
04:07 Minuten
Bei den US-Friedensverhandlungen mit den Taliban hieß es immer wieder, ein Deal sei in Sicht – bis US-Präsident Trump sie für "tot" erklärte. Der Journalist Emran Feroz zeichnet ein düsteres Zukunftsbild – und vermisst die Zivilgesellschaft am Tisch.
Nichts lässt die Waffen in Afghanistan bislang schweigen, auch keine Friedensverhandlungen. Während die USA mit den Taliban im Golfstaat Katar feilschen, sterben in Afghanistan weiter Menschen – und zwar auf allen Seiten.
Islamistische Extremisten töten Zivilisten – doch noch mehr unbeteiligte Zivilisten sterben durch das US-Militär, die afghanische Armee und die Milizen der CIA. Dies geht aus den jüngsten Zahlen der UN hervor. Auch die Anzahl von Luftangriffen und Drohnen-Operationen, die seit jeher hauptsächlich Zivilisten treffen, haben immens zugenommen.
Dies wird nun weiterhin der Fall sein, denn die monatelangen Gespräche waren wohl nach Trumps plötzlicher Absage für die Katz.
Rückzieher von Trump
In den USA wurde besonders die Tatsache kritisiert, dass Trump die Taliban ins Camp David einladen wollte, um dort einen Friedensdeal abzusegnen. Doch die empörten Reaktionen aus Politik, Militär und der Öffentlichkeit veranlassten Trump zu einem Rückzieher. Zu offensichtlich erschien es, als wollte Trump den längsten Krieg, den das US-Militär je geführt hat, beenden, um sich als nobelpreiswürdigen Friedensstifter zu stilisieren.
Dem historischen Anlass angemessen wäre kein geringerer Ort als Camp David der Schauplatz gewesen, wo sich einst auch Menachem Begin und Anwar as-Sadat mit Jimmy Carter versöhnten. Wahr ist jedoch, dass Trump sich wenig um das afghanische Volk schert. Schon wenige Monate nach seiner Amtsübernahme warf er – ohne zu zögern – die "Mutter aller Bomben" – eine gewaltige Bombe des Typs GBU-43, die als größter konventioneller Sprengkörper der US-Streitkräfte gilt – auf die Menschen in dem Land ab.
Für Afghanistan ist alles, was zu einer Fortführung des 40-jährigen Krieges beiträgt, schlecht. Während die Taliban-Führer in Katar verhandelten, fühlen sich ihre Hardliner an der Front durch den Abbruch der Gespräche bestätigt. Sie werden Washington wohl nie wieder trauen.
Beide Seiten zum Erfolg der Gespräche verdammt
Doch weder die USA noch die Taliban werden ihre Position halten können. Denn sowohl Trump als auch die Taliban sind zu dem Erfolg der Gespräche verdammt.
Doch welche Aussichten bleiben realistischerweise?
Ein möglicher Deal zwischen den USA und den Taliban lässt bei vielen Beobachtern fast nur Schlimmstes befürchten. Afghanistan würde unter einer erneuten Taliban-Herrschaft wohl eher einen massiven Rückschritt und keinen Fortschritt erleben. Frauen würden ihrer Rechte beraubt. Investoren, die das zerstörte Land unter einer Taliban-Herrschaft wiederaufbauen könnten, sind nicht in Sicht. Ein "Emirat", wie es den Taliban vorschwebt, wäre daher kaum überlebensfähig – und daher auch kein stabiles Land.
Mit den Taliban überhaupt zu verhandeln, ist daher zu einem gewissen Maß paradox: man feilscht monatelang um Lösungen, von denen heute schon klar ist, dass sie nicht funktionieren werden – zumindest nicht, wenn die USA und ihre Verbündeten nur ein wenig auf ihre eigenen Grundwerte geben.
Große Skepsis bei jungen Afghanen
Zudem wären die Taliban mit den vielen jungen Afghanen aus den urbanen Ballungszentren konfrontiert, die mit der Ideologie der Extremisten nichts anfangen können. Vor allem in Sachen Menschen- und Frauenrechte ist die afghanische Bevölkerung in den Städten skeptisch. Die Menschen fragen sich zu Recht, ob mit einem Deal lediglich eine andere Form des Krieges beginnt?
Um all dem entgegenzuwirken, ist in erster Linie ein Dialog mit der afghanischen Zivilgesellschaft notwendig. Doch die sitzt bei den Verhandlungen in Katar leider erst gar nicht mit am Verhandlungstisch.
Wer hat in Afghanistan also den längeren Atem?
Die Frage stellte Trump selbst, als er in einem Tweet schrieb: "Wie lange wollen die Taliban noch kämpfen?" Die Antwort ist einfach: länger als das US-Militär. Denn dieses wird – so wie alle anderen Armeen, die in Afghanistan einmarschiert sind – irgendwann abziehen müssen.