Frustriert und ausgebremst
Er widersprach dem Präsidenten öffentlich, doch eigentlich sollte er nur die Prioritäten des Weißen Hauses umsetzen: Der Republikaner Chuck Hagel muss dem "neuen Fokus" von Obamas Politik weichen.
Präsident Obama verabschiedete seinen Verteidigungsminister in allen Ehren:
"Chuck Hagel ist ein beispielhafter Verteidigungsminister gewesen, er hat das amerikanische Militär modernisiert und strategische Herausforderungen wie die IS-Miliz gemeistert."
Kein Wort über die Gründe für Hagels Rücktritt, keine Andeutung eines Politikwechsels, Obamas Auftritt zusammen mit Chuck Hagel war freundlich und unbestimmt. Aus anonymen Quellen des Weißen Hauses hieß es, angesichts des neuen Konfliktes im Irak und in Syrien brauche man einen neuen Fokus. Hagel und der Präsident seien in den letzten zwei Wochen in mehreren Gesprächen übereingekommen, dass es Zeit für Hagel sei, zu gehen.
Angeblich haben Mitarbeiter des Weißen Hauses jedoch schon lange vorher über mögliche Nachfolger spekuliert. Hagel hatte dem Präsidenten vor drei Monaten öffentlich widersprochen. Obama wollte die Bedrohung, die von der Terrormiliz IS ausging, lange Zeit nicht zur Kenntnis nehmen. Hagel dagegen hatte die IS-Miliz als unmittelbare Bedrohung der Amerikanischen Sicherheitsinteressen bezeichnet und damit Zweifel an der zögerlichen Strategie Obamas geäußert.
Eine offene strategische Frage ist der Umgang mit dem Bürgerkrieg in Syrien – soll man dort nur den IS bekämpfen oder auch das Assad-Regime? Wiederholt soll Hagel gegen die zögerliche Haltung des Weißen Hauses angerannt sein. Der republikanische Senator John McCain erklärte, er habe noch letzte Woche mit Hagel gesprochen, und dieser sei frustriert gewesen:
"Er kam in mein Büro und sagte: 'Wir haben keine Strategie gegen den IS, wir haben keine Strategie in der Ukraine, wir dürfen ihnen noch nicht einmal Waffen liefern, um sich zu verteidigen. Wir sind Zuschauer im Fernen Osten, wo China die Muskeln spielen lässt. Der Einfluss der USA verfällt rapide.' Und im Weißen Haus werden sie jetzt sagen, er habe seinen Job nicht gut gemacht. Er hat seinen Job sehr gut gemacht, er hat nur nie Zugang zu dem geschlossenen Führungszirkel bekommen, der alle Entscheidungen trifft."
Politikwechsel mit neuem Team?
Hagel wäre nicht der erste Verteidigungsminister, der ein zunehmend vom Rest der Regierung abgeriegeltes Weißes Haus beklagt. Die militärische Führung hatte sich darüber hinaus immer mehr über das kleinteilige Management taktischer Fragen aus dem Weißen Haus beschwert.
Vielleicht habe der Präsident einfach nur sein sicherheitspolitisches Team umbauen wollen, weil an der Außenpolitik Obamas viel Kritik geübt worden sei, wurde gemutmaßt. Sicherheitsberaterin Susan Rice gilt zwar als ineffektiv, ist aber eine persönliche Freundin Obamas. Außenminister Kerry steht zu sehr im Rampenlicht und versieht seinen Job nach Ansicht vieler gut. So sei nur noch Hagel geblieben, den man habe austauschen können.
Unklar ist nach wie vor, ob der Abtritt Hagels auch mit einem Politikwechsel einhergehen wird – denkbar wäre die Entsendung von mehr Bodentruppen zur Koordinierung von Luftangriffen oder eine baldige Ausweitung der Luftangriffskampagne auf das Assad-Regime. Denkbar wäre aber auch, dass Hagel gehen musste, damit alles genauso bleibt wie bisher. Obama wolle als Nachfolger keine Persönlichkeit mit starkem Ego und unabhängiger Meinung, sondern jemanden, der die Prioritäten des Weißen Hauses und des Nationalen Sicherheitsrates umsetze, hieß es in amerikanischen Medien. Dafür war Chuck Hagel offensichtlich der falsche Mann.