Die Wirtschaft war entscheidender als Corona
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Covid-19 hat bei der US-Wahl offenbar keine so entscheidende Rolle gespielt, wie Analysten zuvor angenommen hatten. "Das hört sich erst mal verrückt an", sagt der Ökonom Rüdiger Bachmann. Seine These: "It's the economy, stupid!"
Noch ist die US-Wahl nicht entschieden, doch eines ist schon sicher: Sie hielt etliche Überraschungen parat. Eine davon ist, dass Corona bei der Wahlentscheidung vieler Bürgerinnen und Bürger offenbar nicht das zentrale Thema war.
Die Bilanz der Trump-Regierung beim Kampf gegen die Pandemie ist mehr als bescheiden – die USA haben weltweit die meisten Infizierten (fast 9,4 Millionen) und Toten (über 230.000) zu beklagen. Und Trump hat Corona unablässig verharmlost: Es wäre naheliegend gewesen, ihn deswegen nicht zu wählen.
Doch so ist es offenbar nicht gekommen – zumindest nicht als Massenphänomen. Dass das Corona-Problem nicht auf die Wahl durchgeschlagen habe, höre sich erst einmal "verrückt" an, meint der Ökonom Rüdiger Bachmann, der an der Notre Dame University in Indiana lehrt.*
Seiner Einschätzung nach haben sich die Wähler in den USA weit mehr von wirtschaftlichen Interessen leiten lassen – und vom durch die Pandemie verursachten wirtschaftlichen Einbruch seien viel mehr Menschen betroffen als jene, die krank geworden seien, sagt der Wirtschaftswissenschaftler.
Hilfspakete zu Beginn der Pandemie
Die US-Regierung habe zu Beginn der Pandemie schnell Hilfspakete auf den Weg gebracht, sagt Bachmann. Diese seien nun aber kurz vor der Wahl ausgelaufen. Viele, besonders die weniger begüterten Schichten, hätten jetzt Angst, wie es wirtschaftlich weitergehen soll.
Hinzu komme, dass Trumps Steuerreform nicht nur die Reichen, sondern über eine massive Erhöhung der Grundfreibeträge auch die unteren Einkommensgruppen begünstigt habe. Allein die Mittelschicht habe davon nicht profitiert.
Viel Mythenbildung um Trumps Wirtschaftspolitik
Bei Trumps Wirtschaftspolitik gebe es viel "Mythenbildung", sagt Bachmann: "Aber es kommt nicht darauf an, wie die Wirtschaftspolitik tatsächlich analytisch gemacht wurde, sondern wie sich die Leute fühlen. Und es hat bis vor Corona einen Aufschwung gegeben."
Bei den Latinos und Schwarzen habe Trump im Vergleich mit der Wahl vor vier Jahren nun sogar Stimmen gewonnen. Die Latinos glaubten einfach, sie hätten von Trump profitiert – ob das dann tatsächlich stimme, sei bei einer Wahlentscheidung erst mal zweitrangig.
(ahe)
*Redaktioneller Hinweis: Wir haben eine Ortsangabe korrigiert.