Bettina Gaus ist politische Korrespondentin der "tageszeitung" (taz) in Berlin, von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung. Sie absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München und war danach 1983 bis 1989 Politikredakteurin beim deutschsprachigen Programm der Deutschen Welle. Von 1989 bis 1996 berichtete sie als Korrespondentin in Nairobi für ARD-Sender und Nachrichtenagenturen über Afrika.
Hängepartie mit einem selbst ernannten Gewinner
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Laut den Umfragen sah es so aus, als würde es für Joe Biden einfach werden: Doch die Wähler in den USA haben sich dafür entschieden, es spannend zu machen. Donald Trump sieht sich schon als Sieger und will Briefwahlstimmen unterdrücken. Was jetzt?
270: Das ist die magische Zahl bei der US-Wahl. So viele Wahlmänner und -frauen sind nötig, um Präsident zu werden.
Dass er noch keine 270 Wahlleute in der Tasche hat, stört US-Präsident Donald Trump allerdings nicht: Er hat sich vorsichtshalber schon vor Auszählung aller Stimmen zum Wahlsieger erklärt. "Wir haben diese Wahl bereits gewonnen", sagte er. Außerdem warf er den Demokraten erneut Wahlbetrug vor, ohne Belege vorzulegen. Trump will die Auszählung von Briefwahlstimmen gerichtlich stoppen lassen.
Der demokratische Herausforderer Joe Biden kündigte daraufhin ebenfalls an, vor Gericht zu ziehen, wenn Präsident Trump das Wahlergebnis anfechten sollte. Das Biden-Lager erklärte, es handele sich bei Trumps Ankündigung um den Versuch, den Amerikanern ihre demokratischen Rechte wegzunehmen.
Das denkbar schlechteste Ergebnis
Die Situation in den USA scheint explosiv. Für die taz-Journalistin Bettina Gaus bildet der bisherige Verlauf der Wahl das denkbar schlechteste Ergebnis ab: Selbst wenn Biden die Wahl gewinne, werde es unter einem Teil der Anhänger von Trump dafür keine Akzeptanz geben.
Unser USA-Experte Marcus Pindur formuliert das noch deutlicher: Was Trump jetzt tue, grenze an einen Staatsstreich: "Das ist ein Unterlaufen der verfassungsmäßigen Ordnung der USA." Trump trage damit weiter zur Spaltung des Landes bei und deligitimiere die Wahl. Für die amerikanische Demokratie sei das schlimm.
Der Journalist Martin Bialecki pflichtet dem bei und spricht von einer "Ungeheuerlichkeit". Die politischen Analysten hätten unterschätzt, wie groß die Überzeugung der Trumpschen Anhänger sei: "Wenn man sich dieses Jahr anguckt mit einer immens hohen Zahl an Covid 19-Toten, mit einer Wirtschaft, die abraucht, mit vier Jahren Inkompetenz, Hass, Populismus in Reinkultur - dass ihn dann trotzdem immer noch über 60 Millionen Menschen wählen, das macht einen fassungslos."
Bialecki sieht eine "breite, tief verwurzelte Bewegung". Das habe alles nichts mehr mit dem "Entertainment-Faktor" zu tun, der Trump anfangs zugeschrieben wurde. Das Ergebnis gebe Trump nun die Möglichkeit, "sein Süppchen weiterzukochen", egal, ob er im Weißen Haus bleibt oder nicht.
Trump sei instinktsicher und wisse, was seine Anhänger hören wollen, ergänzt Gaus. Corona habe ihm offenbar nicht geschadet. Der knappe Ausgang der Wahl sei eine "Ermutigung für Rechtspopulisten". Gründe für die US-amerikanische Krise sieht sie auch im Parteiensystem: Sowohl Republikaner wie Demokraten hätten sehr viel Vertrauen in der Bevölkerung verloren. Wenn es die beiden Parteien nicht schafften, sich zu reformieren, würden sie weiter an Legitimation verlieren. Gaus geht davon aus, dass die Wahl vor den Gerichten landen wird.
Und die Lehren aus der Geschichte? "Populismus braucht eine starke Gegenbotschaft", sagt Bialecki. Die habe es nicht gegeben. Man wisse zwar genau, wogegen die US-Demokraten seien, aber nicht wirklich wofür.