US-Wahlkampf

Trump setzt auf Texas

22:52 Minuten
Ein Trump Fan in Dallas, Texas, mit der signalroten Baseballcap.
Trump-Fan in Dallas: Texas gilt für die Republikaner bei Wahlen als sichere Bank. © Getty / Callaghan O'Hare
Von Nicole Markwald |
Audio herunterladen
Texas gilt als konservativ. Seit Jahrzehnten regieren Republikaner den zweitgrößten US-Bundesstaat. 2016 gewann Donald Trump dort mit fast neun Prozent mehr Wählerstimmen. Kann er seinen Erfolg nun wiederholen?
Ein Donnerstagabend in der texanischen Kleinstadt New Braunfels. Hunderte Fahrzeuge, zumeist große Pickup Trucks, stehen auf dem Parkplatz eines Baumarktes. An den Wagen sind Flaggen angebracht, gern auch mehrere: US-Flaggen, leuchtend rot-weiße Trump/Pence-Flaggen, die umstrittene Konföderierten-Flagge. Es läuft laut Musik, über dem Parkplatz hängt Jahrmarktstimmung. Viele junge Familien sind hier, man grüßt sich lächelnd, klopft einander auf den Rücken. Unter den Hunderten Teilnehmern trägt lediglich ein Mann eine Maske. Corona ist hier kein Thema.
Die meisten der hauptsächlich weißen Besucher sind mit Trump-Shirts oder rotem Baseballcap ausgestattet, die mit "Make America Great again" bestickt sind, Trumps Wahlslogan von 2016. Aber auch Jeans, blau-rot-weiße Oberteile und Cowboyboots sind oft zu sehen – es ist schließlich Texas. Um 18:30 Uhr steht Steve Ceh auf der Ladefläche eines Pick-ups, Mikrofon in der Hand. Er hat diesen sogenannten Trump Train vor einigen Wochen ins Leben gerufen: ein Autokorso für den Präsidenten.

Trump – von Gott geschickt

"Wir lehnen es ab, in Angst zu leben – vor dieser Black Lives Matter Bewegung, diesen kleinen George-Soros-Wachsoldaten. Diese Antifa – das sind kleine Punks! Wir werden gewinnen, wir werden Donald J. Trump weitere vier Jahre regieren sehen, damit insgesamt acht Jahre!"
Die Menge klatscht. Dann folgt ein Gebet: "Gott, wir wissen, dass du uns einen Mann namens Donald J. Trump geschickt hast, damit er unser Präsident wird. Dafür danken wir dir! Er kämpft jeden Tag gegen das Böse, und ich glaube daran, dass deine Hand auf ihm liegt."
Zudem bittet er um Schutz vor den Menschen, die – wie er sagt – "uns hassen, wenn wir an diesem Abend durch die Stadt fahren".
Donald Trump im Regen auf dem Weg zur "Marine One" vor dem weissen Haus in Washington, auf dem Weg nach Dallas, Texas. 2020.
Für manche seiner Wähler gilt er als von Gott gesandt: Präsident Donald Trump auf dem Weg nach Dallas,Texas.© Getty / Drew Angerer
Die kleine Versammlung der über 400 Menschen endet mit dem gemeinsamen Singen der Nationalhymne. Ein Auto nach dem anderen reiht sich ein in den Autokorso, der sich nun quer durch New Braunfels schlängelt - dieser Trump Train knattert, hupt und wummert durch die Gemeinde.

Nicht ganz Texas stimmte für Trump

Gut 90.000 Menschen leben in New Braunfels nordöstlich von San Antonio. Bei der Präsidentschaftswahl 2016 entschieden sich die Wähler im hiesigen Wahlbezirk sehr deutlich für Donald Trump. Das war nicht überall in Texas der Fall. Bewohner der Großstädte wie Dallas-Fort-Worth, Houston oder Austin, und Menschen in den Bezirken entlang der Grenze zu Mexiko stimmten mehrheitlich für seine Herausforderin Hillary Clinton. Am Ende gingen 52,2 Prozent aller Stimmen an Trump, 43,2 Prozent an Clinton.
Auch Christi Cole stimmte für Trump und sie wird es im November wieder tun. Cole ist Mutter von vier Söhnen, nur noch ihr Jüngster lebt zu Hause. Er wird sein letztes Highschool-Jahr von zu Hause aus absolvieren, coronabedingt. Christi Cole und ihr Mann haben vor einem Jahr eine Firma im Ölförderbereich übernommen, einem der wichtigsten Wirtschaftszweige von Texas.
Trump Wählerin Christie Cole.
Auch sie wird für Donald Trump stimmen: die Unternehmerin Christi Cole.© Deutschlandradio / Nicole Markward
"Wenn Öl gepumpt wird, wird gleichzeitig Wasser aus dem Boden geholt. Unsere Trucks holen dieses Wasser und entsorgen es entsprechend den Vorschriften. Wir besitzen die Trucks und die Entsorgestation."
Wegen der Pandemie sank die Nachfrage nach Öl, im April stürzte der Ölpreis sogar erstmals in der Geschichte ins Negative. Auch die Ölproduzenten, denen das Ehepaar Cole zuarbeitet, setzten kurzfristig die Produktion aus. Nach zwei Monaten mit Verlusten läuft das Geschäft wieder rund, die Firma wächst, erzählt die blonde Frau. Inzwischen hat sie 55 Angestellte.
Ihre größte Sorge derzeit: "Ich hoffe jetzt nur, dass die Wahl ruhig über die Bühne geht und keine Panik entsteht." Die 45-Jährige hofft, dass Donald Trump wiedergewählt wird. "Ich bin in einer Blase. Ich höre überall nur Trump, Trump, Trump, Trump. Und ich hoffe, dass die Wahl das reflektiert." Ihre Blase: das ist Facebook, Youtube und Fox News, rund um die Uhr.
Christi erzählt weiter: "Es ist nicht so, dass ich nicht mit Leuten rede, die anderer Meinung sind. Tu ich auch. Aber ich frage mich wirklich, was in denen vorgeht? Sie tun mir leid, weil sie einen Kandidaten vorgesetzt bekommen haben, der ganz klar krank ist. Ist doch schrecklich, wenn das deine einzige Wahl ist."

Für Trump-Wähler ist Joe Biden zu alt, zu schwach

Joe Biden, der Kandidat der Demokratischen Partei, sei zu alt und zu schwach für das Amt – das ist die Botschaft von Donald Trump, übernommen und multipliziert von seinem Haus- und Hofsender Fox News. Bereits vor einem Jahr veröffentlichte sein Wahlkampf-Team dieses Video – eine Kollektion von Versprechern, vermeintlichen Aussetzern und der Sorge von Demokraten und politischen Beobachtern, ob Biden mit 77 schlichtweg nicht mehr das nötige Durchhaltevermögen für diese politische Tour de Force habe.
Joe Biden mit Mund-Nasenschutzmaske im Wahlkampf vor Mikrofenen, 18.September 2020.
Alt und mental instabil sei US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden: Diese Botschaft vermittelt Donald Trumps Haus- und Hofsender Fox News.© Getty / Drew Angerer
Christi Cole ist davon überzeugt, dass Joe Biden ein kranker, mental instabiler alter Herr ist. Trump dagegen geht es in ihren Augen schlicht darum, das Beste für die USA zu erreichen. Seine persönlichen Eskapaden? Vergessen. Seine verbalen Ausrutscher? Vergeben. Sie ist froh, dass er den Bau der Mauer zu Mexiko vorantreibt und die Zahl der illegalen Grenzüberschreitungen drastisch gesunken ist.
Und Christi Cole freut sich über das politische Bekenntnis zur Öl- und Gasindustrie unter Trump und die gute wirtschaftliche Entwicklung bis hin zu den niedrigen Arbeitslosenzahlen. Doch dann kam Corona. Christi Cole hofft, dass Trump trotzdem erneut gewinnt.

Wer in Texas gewinnt, holt 38 Wählerstimmen

Kann Trump erneut in Texas Erfolg haben? Texas ist nach Alaska der flächenmäßig zweitgrößte Bundesstaat. 29 Millionen Menschen leben hier. Nur Kalifornien hat noch mehr Einwohner. Wer hier gewinnt, holt 38 Wahlmännerstimmen. Und bislang war Texas auch verlässlich in der Hand der Republikaner. Zum letzten Mal gingen 1976 die Wahlmännerstimmen an einen Demokraten, an Jimmy Carter. Seither gilt Texas als "Red State", hat seit Anfang der 90er-Jahre einen Republikaner im Amt des Gouverneurs. Beide Kammern des texanischen Kongresses sind seit fast 20 Jahren in republikanischer Hand.
Ein Donald Trump Fan bei "Keep America Great" in Dallas, er trägt eine rotes T-Shirt mit dem Schriftzug "Fake News", Texas, 2019.
Donald-Trump-Fan bei "Keep America Great" in Dallas: Siegt Trump in Texas, würde er 38 Wahlmännerstimmen holen.© Getty / Tom Pennington
Trotzdem wird in diesem Jahr darüber spekuliert, ob die Wähler im sogenannten "Lone Star State" mehrheitlich demokratisch abstimmen könnten, Joe Biden möglicherweise diese große Zahl von Wahlmännerstimmen zugeschlagen bekommt. Ein Grund liegt in der Bevölkerungsentwicklung des Bundesstaates. Texas wächst: Jedes Jahr verzeichnet der Bundesstaat mehr Geburten als Todesfälle. Dazu kommt ein steter Strom von Zuzüglern, hauptsächlich aus Kalifornien, New York State, Illinois und Florida. Die Gründe: "Grundstückspreise sind niedrig, die Wirtschaft brummt, es gibt viele Arbeitsplätze."
Das ist Lloyd Potter. Er ist der offizielle Demograf von Texas. Dazu wurde er vor zehn Jahren vom damaligen Gouverneur Rick Perry ernannt. Texaner müssen auch keine Einkommenssteuer zahlen – noch ein Grund, weshalb sich für manche ein Umzug nach Texas lohnt. All das sorgt dafür, dass es relativ junge, gut ausgebildete Menschen hierher verschlägt, erklärt Potter.

Nur kleiner Bevölkerungsteil lebt auf dem Land

"Über 70 Prozent unserer Bevölkerung lebt in städtischen Gebieten – das verteilt sich auf Dallas-Fort-Worth, San Antonio, Austin und Houston. Und dann gibt es noch andere, kleinere Städte. Aber nur ein kleiner Teil der Bevölkerung lebt auf dem Land."
Ein "Biden 2020" Wahlkampfschild in einem Vorgarten in Texas.
Nicht ganz Texas ist im Trump-Taumel.© Deutschlandradio / Nicole Markward
Was die Demokraten hoffen lässt, eine Mehrheit der Wählerstimmen zu holen, ist die Zusammensetzung der Bevölkerung. Demograf Potter: "Gut 40 Prozent aller Bewohner haben lateinamerikanische Wurzeln, 42 Prozent sind weiß. Wir schätzen, dass es in ein bis zwei Jahren in Texas mehr Hispanics geben wird als Weiße."
Des Weiteren sind rund zwölf Prozent aller Texaner schwarz, fünf Prozent asiatischer Abstammung – Texas ist divers, ein sogenannter "Minority-Majority State". Bedeutet: Die Summe der Minderheitengruppen ist größer als die Anzahl der weißen Bewohner. Das ist auch in Kalifornien der Fall, New Mexico, Hawaii oder Washington D.C.. Tendenziell stimmen Minderheiten eher für die Demokratische Partei. Jim Henson leitet das Texas Politics Project an der University of Texas in Austin.
"Und deshalb gibt es von den Demokraten in jedem Wahljahr die gezielte Mobilisierung von Wählern lateinamerikanischen Ursprungs. Sie setzen alles daran, die jungen Hispanics in die Wahlkabine zu bekommen, die wählen überwiegend demokratisch."

Beide Parteien sprechen Latinos nicht an

Cristina Tzintzún Ramirez kann das nicht ganz bestätigen. "Kandidaten beider Parteien haben es in der Vergangenheit versäumt, in die Latino-Wählerschaft zu investieren. 2016 sagten 62 Prozent aller Latino-Wahlberechtigten, dass kein Kandidat oder Wahlhelfer sie angesprochen habe, ihre Stimme abzugeben."
Die 38-Jährige gründete daraufhin JOLT Action, eine Organisation, die gezielt auf die Latino-Wählerschaft zugeht. In Zeiten der Pandemie schwieriger als ursprünglich gedacht, erzählt sie: "Wir lernen gerade alle, wie man am besten in einer Pandemie Wahlkampf macht. Viele Mittel sind verlegt worden, um Wähler via SMS oder digital zu erreichen. Wir von JOLT werden trotzdem noch an 80.000 Türen klopfen, um sicherzugehen, dass wir mit denen sprechen, die sonst ignoriert werden.
Krankenversicherung, Mindestlohn, Einwanderung – das sind die wichtigsten Themen dieser Wählerschaft. Neben schwarzen Amerikanern kämpfen Latinos mit am stärksten mit den Folgen der Pandemie und der davon ausgelösten Wirtschaftskrise.
Die Wahlbeteiligung ist in Texas notorisch niedrig. Das habe zwei Ursachen, erklärt Jim Henson vom Texas Politics Project: "Das hat mit der Zusammensetzung der Bevölkerung zu tun, 40 Prozent sind Latinos, und die Wahlbeteiligung unter denen, die wählen dürfen, ist niedrig. Der zweite Grund: Das Wahlsystem in Texas macht das Wählen schwer, egal an welcher Stelle des Prozesses."

Briefwahl in Texas stark eingeschränkt

Für die regierenden Republikaner gebe es deshalb keinen Ansporn, den Zugang zur Wahl zu erleichtern, so Henson weiter. So ist beispielsweise die Möglichkeit zur Briefwahl in Texas stark eingeschränkt: Nur registrierte Wähler ab 65 können Briefwahlunterlagen anfordern, dazu Menschen mit Behinderung und Gefängnisinsassen, denen das Wahlrecht nicht entzogen wurde.
Die Demokratische Partei, Bürgerrechtsorganisationen und auch einzelnen Wähler sind vor texanische Gerichte gezogen, um die Briefwahl in diesem Pandemie-Jahr für einen größeren Kreis zu öffnen – bislang ohne Erfolg. Die Wahl ist zudem an einem Dienstag, einem Arbeitstag. Henson sagt, es wird Wählern in Texas außerdem nicht möglichst einfach gemacht, sich als Wähler zu registrieren.
Erst im August urteilte ein Gericht in San Antonio gegen Texas. Ein Wähler hatte geklagt, weil er – anders als rechtlich vorgesehen – bei der Erneuerung seines Führerscheins online sich nicht auch erneut als Wähler registrieren konnte. Damit verstoße Texas gegen den National Voter Registration Act von 1993, urteilte das Gericht. Politikwissenschaftler Jim Henson: "Das ist eine dieser Seltsamkeiten der USA. Wir geben uns als Blaupause für den demokratischen Prozess. Aber Parteipolitik hat zu etlichen bedeutenden institutionellen Hindernissen beim Wählen geführt, die im globalen Sinn schwer zu rechtfertigen sind."
2018 hatte sich bei der Senatswahl der Republikaner Ted Cruz nur ganz knapp – mit drei Prozentpunkten – gegen seinen demokratischen Herausforderer Beto O’Rourke durchsetzen können – noch so ein Grund, weshalb Demokraten in Texas selbstbewusster geworden sind.
Mehr zum Thema