USA auf Konfrontationskurs

Gefahr für die gute Nachbarschaft von Iran und Irak

06:15 Minuten
Hassan Ruhani (l), Präsident des Iran, auf einer Pressekonferenz mit Barham Salih (r), Präsident des Irak im MÄrz 2019. Es ist der erste Besuch Ruhanis in Irak als Präsident.
Im Frühjahr hatte der iranische Präsident Hassan Ruhani den Irak besucht und seinen Amtskollegen Barham Salih getroffen. © Ameer Al Mohmmedaw/dpa/picture alliance
Bernd Erbel im Gespräch mit Dieter Kassel |
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Die amerikanische Drohkulisse diene dazu, die Regierung in Teheran in die Enge zu drängen, sagt der Ex-Diplomat Bernd Erbel. Er vergleicht das gute Verhältnis zwischen Iran und Irak mit den deutsch-französischen Beziehungen und sieht es gefährdet.
Vor dem Hintergrund wachsender Spannungen zwischen den USA und dem Iran hat die Trump-Regierung große Teile ihres diplomatischen Personals aus dem Irak abgezogen. Alle nicht unbedingt benötigten Mitarbeiter der Botschaft in Bagdad und des Konsulats in Erbil sollten den Irak verlassen, verfügte das US-Außenministerium und sprach von angeblichen Bedrohungen.
Die derzeitige Drohkulisse der USA beschädige die guten Beziehungen der beiden Nachbarstaaten, sagte der frühere deutsche Botschafter in Iran und Irak, Bernd Erbel, im Deutschlandfunk Kultur. Seit dem iranisch-irakischen Krieg hätten sich die Beziehungen beider Länder sehr gut entwickelt.
(gem)

Das Interview im Wortlaut:

Dieter Kassel: Die Vereinigten Staaten halten den Iran für den größten Aggressor im Nahen Osten, wenn nicht sogar vielleicht auf ganzen Welt, und fürchten Angriffe Teherans auf Ziele im Irak, amerikanische Ziele natürlich insbesondere. Gestern hat das Außenministerium in Washington deshalb das diplomatische Personal in Bagdad und in Erbil angewiesen, den Irak zu verlassen, wenn die Anwesenheit dieser Mitarbeiter nicht absolut erforderlich sei.
Man macht sich also Sorgen. Die Bundeswehr hat kurz danach dann auch ihre Ausbildungsmission im Irak bis auf Weiteres unterbrochen, und die Frage stellt sich, welche Gefahr droht denn da nun wirklich und wie ist das Verhältnis des Iran zum Nachbarland Irak eigentlich jetzt, mehr als 30 Jahre nach dem Ende des Krieges, den diese beiden Länder damals ungefähr acht Jahre lang gegeneinander geführt haben. Wir wollen über all diese Fragen mit Bernd Erbel reden. Er war von 2004 bis 2006 der deutsche Botschafter im Irak und danach von 2009 bis 2013 Botschafter im Iran. Schönen guten Morgen, Herr Erbel!
Der neu ernannte deutsche Botschafter in Irak, Bernd Erbel bei seinem Treffen mit Präsident  Ghazi al-Yawer im Sommer 2004.
Der frühere Botschafter Bernd Erbel trat 2004 seinen Posten in Irak an und war danach auch in Iran auf Posten. © Karim Kadim/AP/picture alliance
Bernd Erbel: Schönen guten Morgen!
Kassel: Halten Sie denn tatsächlich im Moment einen Angriff des Irans auf Ziele im Irak für möglich, gar für wahrscheinlich?
Erbel: Nein, das halte ich nicht nur für nicht möglich, sondern auch für ausgeschlossen. Iran ist militärisch so stark unterlegen, kann seit über fast 40 Jahren keine modernen Waffen irgendwo auf dem Weltmarkt kaufen. Das heißt, das militärische Ungleichgewicht ist so enorm, dass selbst rein vom Militärischen gesehen ein Angriff des Iran auf amerikanische Anlagen im Irak geradezu selbstmörderisch wäre.
Kassel: Nun haben manche aber auch das Gefühl, was, glaube ich, von den USA unbewusst zumindest verstärkt wird, es sei vielleicht irgendetwas ähnlich wie damals 1980. Also wenn wir mal nicht nur auf Angriffe auf amerikanische oder andere internationale Ziele, sondern den Irak überhaupt, gäbe es irgendeinen Grund für den Iran, im Moment das Nachbarland zu attackieren?
Erbel: Nein, das Nachbarland Irak ist für den Iran außerordentlich wichtig. Es bestehen sehr, sehr enge Verbindungen zwischen Teilen der Bevölkerung des Irak und dem Iran, auch zwischen den schiitischen Klerikern. Und es gibt seit dem Ende des Krieges 1988 ein völlig neues Verhältnis zwischen Irak und Iran, das, wenn man sich die kriegerische Vergangenheit anschaut, wirklich ein ungewöhnlicher Fall in der Weltgeschichte ist.

Ausgleich nach dem Krieg

Der achtjährige Krieg, den Saddam Hussein begonnen hatte – es war ein Aggressionskrieg gegen den Iran –, hat eine Million Todesopfer verursacht und enorme Schäden, ganz besonders im Iran, angerichtet. Trotzdem hat Iran nach diesem Krieg, nach dem Waffenstillstand nie versucht, den Irak zu demütigen oder zu Ersatzzahlungen, zu Reparationen zu verpflichten, sondern hat immer wieder verkündet, eine gute Nachbarschaft ist nur möglich, wenn man ein normales Verhältnis aufbaut, das zum Wohle beider Länder wirkt. Das ist wirklich in ganz erstaunlichem Maße gelungen.
Auch im Irak selbst ist eine Politik im Augenblick gültig, die das Verhältnis zum Iran historisch aufarbeitet. In Schulen und anderen Institutionen des Landes wird die Schuld für den Krieg von 1980 bis 1988 eindeutig anerkannt, die der Irak dabei auf sich geladen hat. Da bestehen also sehr, sehr gute Ansätze für eine gute Nachbarschaft, ich möchte das fast vergleichen mit Deutschland und Frankreich.
Ein US-Soldat legt eine Kette um den Kopf der Statue von Saddam Hussein, was auch symbolische den Sturz des Diktators verbildlicht.
Mit dem Sturz des Diktators Saddam Hussein änderte sich das Verhältnis zu Iran. © imago/ epa afp Haider
Kassel: Was Sie gesagt haben, bringt mich auf eine Idee, die vielleicht kurios ist, aber ich präsentiere sie Ihnen mal: Saddam Hussein hat damals diesen Krieg begonnen, und der Einmarsch der Amerikaner hat natürlich das Ende seines Regimes bedeutet. Ist damit indirekt dieser US-Einmarsch auch ein Grund dafür, dass heute die Beziehungen zwischen dem Iran und dem Irak besser sind als früher?
Erbel: Sicherlich ist die Chance für eine Verbesserung der Beziehung davon abhängig gewesen, dass auf irakischer Seite kein System herrscht, das eben versucht, den Iran kriegerisch zu besiegen oder sich Gebiete des Nachbarn anzueignen, das ist ganz klar. Und nach der amerikanischen Invasion 2003 ist ja auch eine Situation im Irak entstanden, ein Chaos entstanden, ein Vakuum entstanden, das äußerst gefährlich war, auch für alle Nachbarländer, auch für Iran, das ja selbst auch ein multiethnischer und multilingualer Staat ist. Insofern war es für den Iran außerordentlich wichtig, dass die Verhältnisse im Irak nicht völlig außer Kontrolle gerieten und das Chaos dort eingegrenzt werden konnte.

Iran in die Enge treiben

Kassel: Sie haben ja vorhin das Verhältnis der beiden Länder oder die Versöhnung nach dem Krieg ein bisschen auch mit Deutschland und Frankreich verglichen, wie ist das denn auf der menschlichen Ebene? Sind die Grenzen offen, gibt es Austausch von Waren und zum Beispiel auch Arbeitskräften?
Erbel: Ja, es gibt einen ganz, ganz großen Warenaustausch. Irak gehört zu den größten Handelspartnern des Iran und umgekehrt auch, und es gibt sehr, sehr viel Reiseverkehr – sehr viel Pilgerverkehr, aber auch Reiseverkehr und Besuchsverkehr –, denn Millionen von Irakern haben Verwandte im Iran und umgekehrt.
Kassel: Könnte all das, was da seit Ende 1988, seit dem Ende des Krieges sich jetzt aufgebaut hat zwischen den beiden Ländern, zerstört werden, wenn vielleicht – es gibt immer wieder Anschläge im Irak auf alle möglichen Ziele – tatsächlich die Amerikaner der Weltöffentlichkeit nach so einem Anschlag sagen, sie können beweisen, dass das aus Teheran gesteuert wurde?
Erbel: Genau das ist die Gefahr. Wer immer einen Anschlag begehen würde auf eine amerikanische Institution, würde damit eine amerikanische Beschuldigung des Iran auslösen, denn der ganze Aufbau der Drohkulisse jetzt dient ja dazu, den Iran in die Enge zu drängen, und dazu wäre natürlich jeder Anschlag, der dort passieren würde, ein Anlass.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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