Höhere Vergütung, mehr Rechte

Gewerkschaft der Drehbuchautoren beendet Streik

Fred Armisen, Tina Fey und Seth Meyers bei einer Demonstration der US-Drehbuchautoren
Auch die Schauspieler Fred Armisen (l.) und Tina Fey sowie Late-Night-Moderator Seth Meyers (r.) reihten sich bei Demonstrationen der Drehbuchautoren ein. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Bebeto Matthews
09.11.2023
Fast fünf Monate streikten die Drehbuchautoren in Hollywood. Nun hat ihre Gewerkschaft WGA eine Einigung mit den Studios erzielt. Was vereinbart wurde, wie es jetzt weitergeht und was die Einigung für die deutsche Branche bedeutet - ein Überblick.
Nach 148 Streiktagen sieht alles nach einem „Happy End“ aus - der erbitterte Arbeitskampf von Hollywoods Drehbuchautoren ist vorbei. „Strike Ends“ verkündete die US-Autorengewerkschaft WGA (Writers Guild of America) in Großbuchstaben auf der Online-Plattform X, früher Twitter. Damit haben die Schreiber grünes Licht, ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Moderator Bill Maher von der wöchentlichen HBO-Show "Real Time" schrieb auf der Online-Plattform X: "Meine Autoren und 'Real Time' sind zurück! Wir sehen uns Freitagnacht!".
"Wir können mit großem Stolz sagen, dass diese Einigung außergewöhnlich ist - mit bedeutenden Gewinnen und Sicherungsmaßnahmen für Autoren in jedem Sektor unserer Mitgliedschaft", teilte die WGA mit. Bis zur Zustimmung der WGA-Mitglieder gilt der Streik jedoch lediglich als formell beendet. Die WGA betonte jedoch, dass es sich um eine grundsätzliche Übereinkunft handele. 

Warum haben die Hollywood-Drehbuchautoren so lange gestreikt?

Die Autorinnen und Autoren von Drehbüchern oder Skripten waren Anfang Mai 2023 in den Ausstand getreten. Die etwa 11.500 Mitglieder der WGA forderten unter anderem Gehaltserhöhungen, bessere Arbeitsbedingungen, höhere Zuschüsse für die Kranken- und Altersversorgung und eine Regelung des Einsatzes von künstlicher Intelligenz (KI).

Was ist über die Einigung zwischen Studios und Autoren bekannt?

Laut "New York Times" sollen die Film- und Fernsehproduzenten einen Großteil der Gewerkschaftsforderungen erfüllt haben: Höhere Grundvergütung, höhere Beteiligung der Autorinnen und Autoren an den Erlösen von Streamingdiensten, Konzessionen der Studios in Bezug auf die Mindestanzahl von Mitarbeitern bei TV-Shows und Garantien, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Autorschaft und Honorare von Schreibern nicht beeinträchtigen wird.
Unter anderem "dürfen Studios nicht einfach Drehbücher ersetzen mit KI. Und wenn Autoren zum Beispiel an einem Skript arbeiten, an dem schon gearbeitet wurde , dann müssen sie informiert werden: Hat daran vorher ein Mensch gearbeitet oder hat KI mitgewirkt", erläutert ARD-Korrespondentin Katharina Wilhelm eine der Regelung zu KI.
Wilhelm berichtet aus Los Angeles seit Monaten über den Arbeitskampf und betont: Genau dieser Punkt sei eine große Sorge der Autorinnen und Autoren gewesen, nämlich dass Bücher für Filme künftig mithilfe von ChatGPT geschrieben und Autoren nur noch tageweise beschäftigt werden könnten. „Da gab es den Appell an die Studios: Ihr müsst unseren Job schützen“, so die Journalistin.

Höhere Gewinnbeteiligung für Autorinnen und Autoren

Einer der Knackpunkte der Verhandlungen sei die höhere Beteiligung von Autorinnen und Autoren an den Gewinnen der Streamingdienste gewesen, berichtet Wilhelm weiter. Bisher hätten die Dienste sehr wenig Geld – nur „Pfennigbeträge“– gezahlt, worüber die Autorinnen und Autoren sich seit Langem beschwert hätten.
Laut Mitteilung der WGA ist der neue Deal bis Mai 2026 gültig. Der vorläufige Vertrag enthält demnach neben den Regelungen für den Einsatz von KI und Lohnerhöhungen unter anderem auch höhere Zuschüsse für die Alters- und Krankenversorgung. Der Vertragsentwurf sieht auch eine Mindestzahl von Schreibern für TV-Serien vor, je nach Zahl der Folgen: Durch mehr Beschäftigte im sogenannten "Writers Room" soll die kreative Arbeit leichter werden.

Wann ist der Streik der Drehbuch-Autoren offiziell beendet?

Der Vorstand der US-Autorengewerkschaft WGA stimmte der Vereinbarung zwischen der Gewerkschaft und den großen Studios und Streaming-Anbietern in den USA am 26. September einstimmig zu. Aufgrund dieser Entscheidung erklärte die WGA den Streik ab 27. September um Mitternacht für beendet. Autorinnen und Autoren dürfen damit wieder ihre Arbeit aufnehmen.
Auch die mehr als 11.000 WGA-Mitglieder stimmten anschließend über den neuen Arbeitsvertrag ab und entschieden sich zu fast 100 Prozent dafür.

Was wurde aus dem Streik der Schauspieler?

Die Fronten zwischen den Produzenten und der Schauspielgewerkschaft SAG-AFTRA waren monatelang verhärtet. Doch am 9. November gab es auch dort eine Einigung.
SAG-AFTRA gab bekannt, dass der neue Vertrag mit den Studios eine Laufzeit von drei Jahren und einen Wert von mehr als einer Milliarde Dollar (rund 935 Millionen Euro) habe. Er beinhalte unter anderem eine überdurchschnittliche Mindestvergütung sowie Verbesserungen bei der Renten- und Krankenversicherung.
Klare Regelungen gibt es nun auch beispielsweise für Ausgleichszahlungen, um Schauspieler vor Bedrohungen durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz zu schützen. Auch sollen die Gewerkschaftsmitglieder mit Blick auf Streamingdienste wie Netflix einen Bonus erhalten.
Die rund 160.000 bei SAG-AFTRA organisierten Schauspielerinnen und Schauspieler hatten sich Mitte Juli dem Arbeitskampf der Autorinnen und Autoren mit ganz ähnlichen Forderungen angeschlossen. Erst durch diese Einigung wird eine Wiederaufnahme der seit Monaten unterbrochenen Dreharbeiten zu zahllosen Filmen und Serien möglich.

Welche Auswirkungen haben die Streiks auf die Entertainment-Branche?

Durch den Arbeitskampf konnten praktisch keine Filme und Serien mehr gedreht werden. Streikbedingt durften Schauspieler auch keine Werbung für ihre Filme machen. Filmstarts wurden verschoben, auch die Saison der Preisverleihungen ist betroffen. Laut der "Financial Times" hat der Doppelstreik in Hollywood bisher bereits Verluste in Höhe von mehr als fünf Milliarden Dollar (4,7 Milliarden Euro) verursacht.
Nicht ausgeschlossen ist, dass sich auch andere Gewerke der Branche wie Filmkulissenbau und Kameraleute nach dem Vorbild der erfolgreich streikenden Autorinnen und Autoren für einen Arbeitskampf entscheiden. Denn auch bei ihnen müssen in absehbarer Zeit Arbeitsverträge neu verhandelt werden.

Was bedeuten Streik und Einigung für den Produktionsstandort Deutschland?

Auch bei der Allianz Deutscher Produzenten herrscht Erleichterung über die Einigung zwischen Produzenten und den Drehbuchautoren in Hollywood. Denn etliche große US-Produktionen, die etwa im Studio Babelsberg oder in den Bavaria Studios in München realisiert werden sollten, lagen monatelang auf Eis.
Beispiel Babelsberg: Dort hätte eine große Produktion über mehrere Monate viele Arbeitskräfte beschäftigt. Das Studio meldete Kurzarbeit für seine Mitarbeitenden an. "Das kann man natürlich so kurzfristig nicht kompensieren, wenn man da die Studios für drei oder vier Monate reserviert hat", erläutert Björn Böhning, Geschäftsführer und Vorstandssprecher der Allianz.
Die Idee, Produktionen einfach komplett nach Deutschland zu verlagern, um Streiks in den USA zu entkommen, sei nicht realistisch. "Weil man wissen muss: Solch eine Produktion wird natürlich über Monate, teils Jahre geplant und ist nicht einfach zu transferieren."
Damit größere Produktionen tatsächlich nach Deutschland verlagert worden wären, hätte es "vielleicht eines noch längeren Streiks bedurft", so Böhning. Besser als ein solches Szenario findet er jedoch die aktuelle Entwicklung: In seiner Branche herrsche Freude über die Einigung in Hollywood.

Welche Shows starten nach der Einigung der Autoren wieder?

Den Auftakt machten die Late-Night-Shows. Die auch in Deutschland populären Jimmy Fallon oder Jimmy Kimmel sind wieder in ihren Sendungen zu sehen, ebenso Stephen Colbert und Seth Meyers, Bill Maher im Bezahlsender HBO und sein Kollege John Oliver.
Die Talkshows-Hosts sind für ihre Sketche und launigen Monologe von Autorinnen und Autoren abhängig. Während deren Streik arbeiteten Fallon, Meyers, Kimmel, Colbert und Oliver daher für einen Podcast unter dem Titel "Strike Force Five" zusammen, dem Namen ihrer gemeinsamen Chatgruppe. Die Erlöse daraus kamen den streikenden Autoren zugute.
Nach dem Einigung der WGA mit den Studios erklärten die Moderatoren auf Instagram: "Mission abgeschlossen".
dpa, APD, scr, mkn
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