Dollarregen für die Pfalz
16:04 Minuten
Die US-Air-Base Ramstein in der Westpfalz ist Dreh- und Angelpunkt amerikanischer Operationen in Afrika und dem Nahen Osten. Das soll auch so bleiben: Die USA investieren Milliarden in den Stützpunkt. Obwohl Donald Trump das Gegenteil angekündigt hatte.
Einmal im Jahr fliegt Roger Lewentz in die USA. In ein paar Wochen ist es wieder soweit: Der rheinland-pfälzische Innenminister trifft sich mit Verantwortlichen des amerikanischen Verteidigungsministeriums. Es geht um Geld, um viel Geld – und um große Politik.
Nach seiner letzten Reise im März 2018 hatte er jede Menge gute Nachrichten im Gepäck. Über eine halbe Milliarde Dollar will das Pentagon in die US-Militärstandorte in der Pfalz investieren. Der Dollarregen ließ den SPD-Politiker jubeln.
"Also wir sind schon davon überzeugt, dass Rheinland-Pfalz mit seinen Standorten sicher ist."
US-Präsident Donald Trump selbst hatte mit seiner Unterschrift die Investitionen abgesegnet. Der Standort Ramstein mit dem größten Militär-Flughafen außerhalb der USA soll mit rund 119 Millionen Dollar ausgebaut werden. Weitere 100 Millionen fließen in Schulbauten für amerikanische Schüler in Kaiserslautern. Und – der größte Anteil, rund 320 Millionen – wird für den Neubau eines US-Hospitals nahe der Air Base in Ramstein verwendet.
Dann kam der Schock. Im letzten Sommer wurden Gerüchte laut, die Amerikaner würden Teile ihrer Streitkräfte aus Ramstein und Umgebung abziehen. Stefan Weiler, Chef der Wirtschaftsförderungsgesellschaft in Kaiserslautern, hatte alle Hände voll zu tun, die Lage zu beruhigen:
"Ja, das irritiert schon viele. Insbesondere die 5.000 zivilen Angehörigen, die für die Amerikaner arbeiten, lesen diese Pressemitteilungen. Und wir können immer nur widerspiegeln, dass die Informationen, die wir haben, gegenteilig sind. Wir haben keine Signale, dass die Amerikaner hier weg gehen, und die Logik spricht auch dagegen! Niemand würde an einem Standort so viel Geld investieren, wenn er demnächst gehen wollte."
Seit dem Ende des Ersten Weltkrieges, also seit 100 Jahren, geht die amerikanisch-pfälzische Freundschaft durch so einige Phasen: Die US-Streitkräfte sind Besatzungsmacht nach 1945, später dann Schutzmacht im Kalten Krieg. Und sie sind - seit Jahrzehnten - ein Wirtschaftsfaktor. Gut ein Viertel der 20.000 Einwohner der Verbandsgemeinde Weilerbach nahe Ramstein sind Amerikaner.
Viele Schilder im Ort sind zweisprachig. Im Supermarkt gibt es Hot Dogs und zehn Sorten amerikanisches Bier. Das gefällt nicht jedem Weilerbacher, aber Bürgermeisterin Anja Pfeiffer sieht die Dinge sehr pragmatisch:
"Die Militärpräsenz hier hat immer positive und negative Stimmungen, das gab es schon immer, aber wir sind damit groß geworden, und es ist hier einfach historisch bedingt verwurzelt. Wir sind eine strukturschwache Region, und es ist ein großer Wirtschaftsfaktor, ganz viele Bürger sind davon abhängig, viele haben noch ein Haus vermietet oder das Haus von der Oma, oder noch eine Wohnung dort drin, was so ein bisschen die Rente aufbessert. Was würden wir denn machen, wenn sie weg wären?"
Pfälzer schätzen Beziehungen zu USA
Die US-Militärverwaltung hat errechnet, dass die Armee rund zwei Milliarden Euro pro Jahr in der Region lässt. US-Soldaten und ihre Angehörigen mieten Häuser, kaufen Autos, gehen einkaufen und zum Frisör.
Sigi Degen hatte 50 Jahre einen Friseursalon, er trifft sich heute noch mit seinen alten Kundinnen in der "Schlemmerscheune", einem beliebten Treffpunkt vieler Amerikaner:
"Ich war hier als kleiner Junge, im Kellerfenster reingekrochen und die Amerikaner sind gekommen 1945, am 25. Mai, seit dieser Zeit sind die Amerikaner hier, man sagt immer, die Pfalz ist der 51. Staat von Amerika!
"Great neighbour Sigi! I buy almost everything. Brot, Brötschen ... der Frisör, I do ... massage, it is all German."
"Great neighbour Sigi! I buy almost everything. Brot, Brötschen ... der Frisör, I do ... massage, it is all German."
John Constance muss bei solchen Geschichten immer ein wenig schmunzeln. Der Deutsch-Amerikaner ist in Kaiserslautern aufgewachsen und arbeitet für die "Atlantische Akademie", ein vom Land Rheinland-Pfalz geförderter Think Tank. Der junge Wissenschaftler, der längere Zeit für die US-Streitkräfte gearbeitet hat, sieht die Beziehungen zwischen beiden Staaten ganz nüchtern:
"Große Herausforderung, aber auch große Chance für beide Länder, dass man das transatlantische Verhältnis vielleicht auf einem neuen Narrativ aufbaut, dass man nicht nur von früher über die Berliner Mauer oder den Kalten Krieg, sondern neue Geschichten zusammen erzählt. Es hat immer Auf und Abs gegeben, das haben wir auch bei Bush gesehen."
"Unser Präsident tweetet zuviel"
An diesem Nachmittag hat John Constance eine deutsche Steuerberaterin eingeladen. Das deutsche Steuerrecht ist für viele Amerikaner eine Herausforderung, auch für Joe, Ehemann einer US-Soldatin. Er macht sich so seine Gedanken über die Misstöne zwischen Deutschland und Amerika:
"Ich arbeite hier als professioneller Fotograf, möchte gern die Gesetze verstehen und was ich tun darf und was nicht, das ist wichtig. Unsere Partnerschaft ist stabil, die Führung spricht zwar etwas anderes, aber wir wissen um die Wichtigkeit, wir müssen zusammenstehen, es wäre dumm, wenn wir das nicht täten. Unser Präsident tweetet zuviel - aber das ändert nichts an unserer starken Partnerschaft!"
Es gibt politische Irritationen natürlich, das können die Ortsansässigen schon gut einschätzen, dass nicht alles, was Trump sagt, auf die Goldwaage gelegt werden soll. Sondern sie wissen schon, dass die amerikanischen Familien, die Menschen vor Ort, die Militärangehörigen, nicht automatisch Trump sind, das muss man schon voneinander trennen.
Es werden zusätzlich Truppen hierher verlegt, es sieht nicht danach aus, dass es weniger werden, sondern eher mehr:
"That is absolutely correct, there will be more troops, the location of Ramstein is strategic and as a result we're not getting any smaller, there not gonna be fewer airmen in the camps here, there gonna be more airmen in this area."
Der Kommandeur der Air Base Ramstein, General Mark August, bestätigt gegenüber Deutschlandfunk Kultur, dass demnächst 700 Air Force-Angehörige in die Region verlegt werden. Insgesamt sollen 1.500 zusätzliche US-Soldaten nach Deutschland kommen.
Immer noch ist der Flughafen in Ramstein die wichtigste Drehscheibe für alle amerikanischen Operationen in Richtung Afrika oder den Nahen Osten.
Ein Klinikum der Superlative in der Westpfalz
Mehrmals im Monat fährt Anja Pfeiffer, Bürgermeisterin von Weilerbach, auf ihre "Lieblingsbaustelle". Wie so oft hat sie eine Besprechung im Baustellen-Container. An den Wänden hängen riesige Pläne und Konstruktionszeichnungen:
"Der Wahnsinn. Bevor man überhaupt irgendetwas gesehen hat, fand ich es ganz schwierig, und ich denke, dass ganz viele Menschen, die jetzt hier außen rum wohnen, sich auch noch nicht so wirklich die Dimension vorstellen können, die es haben wird."
Anja Pfeiffer blickt aus dem Fenster des Containers auf riesige Kräne und Bagger, die durch die rote Pfälzer Erde pflügen. Für eine Milliarde Dollar entsteht hier ein neues Krankenhaus für rund 50.000 amerikanische Militärangehörige in Europa: 120 Untersuchungsräume, 40 Fachabteilungen, neun Operationssäle.
So etwas haben auch die USA noch nie gebaut, wie Brad Dunbar von der Defense Health Agency erklärt, die das Krankenhaus plant:
"Das ist das größte Militärkrankenhaus außerhalb der USA. Wir haben zwei Aufgaben, und zwar in Friedens- und Kriegszeiten. In Friedenszeiten ist das Krankenhaus für alle Soldaten und ihre Familien, die in Europa stationiert sind. Und in Kriegszeiten werden hierhin alle Soldaten verlegt, die zum Beispiel in Afghanistan oder im Irak verwundet werden. Sie kommen alle über die Ramstein Air Base."
Das Krankenhaus ist Teil eines schon seit längerem geplanten Ausbaus des US-Standortes rund um Ramstein. Entgegen vieler Meldungen, die Amerikaner würden ihre Truppen reduzieren, investieren die US-Streitkräfte bis Ende 2019 über eine halbe Milliarde US-Dollar in der Westpfalz. Der Klinik-Neubau ist ihr größtes Projekt.
Die Elbphilharmonie der Westpfalz
Matthias Göbel vom Amt für Bundesbau, kurz ABB, kennt die Baustelle wie seine Westentasche. Das ABB baut schon seit Jahrzehnten für die Amerikaner. Aber noch nie in diesen Dimensionen.
"Es ist ein amerikanisches Krankenhaus, das nach deutschen Anforderungen errichtet werden muss. Das stellt auch die Planer auf der deutsche Seite wie auch die amerikanischen ... also ungeahnte neue Themen müssen da entwickelt werden. Das gab es noch nie, ist auch schwer vorherzusehen."
Bislang sieht man nur aufgewühlte rote Erde und riesige Rohre, die ins Erdreich versenkt werden. Ingenieur Matthias Göbel vergleicht das Projekt gern mit der Elbphilharmonie, deren Baukosten laut Hamburger Senat rund 866 Millionen Euro verschlungen haben:
"Es gibt ein Abkommen zwischen den US-Streitkräften und der Bundesrepublik, und da ist geregelt, wer für welche Kosten in so einem Projekt zuständig ist, und die Baukosten für dieses Projekt übernehmen zu 100 Prozent die US-Streitkräfte. Und die gesamten Planungskosten, die werden komplett von der Bundesrepublik getragen, in unserem Projekt heißt das, dass wir 990 Millionen Dollar für die Baukosten haben. Und 151 Millionen Euro für die Planungskosten werden bereit bestellt. Das sind konkret Steuermittel."
Für ein Krankenhaus, das ausschließlich amerikanischen Militärangehörigen offen steht. Weilerbachs Bürgermeisterin Anja Pfeiffer sieht das pragmatisch:
"Das ist immer so die große Frage: Arbeitsplätze! Es ist sicherlich wichtig, dass die erhalten bleiben. Und wenn neue dazu kommen, dann freuen wir uns auch. Es wird für die Leute, die hier Häuser bauen und an Amerikaner vermieten, positiv sein, das Aufkommen von Gästen und Personal, aber es wird auch großen Verkehr geben, weil die ganzen Amerikaner in Deutschland hier in das Hospital kommen. Man muss sich das mal vorstellen, es gibt ein Gebäude mit 5000 Räumen!"
Vielen Bürgern in Weilerbach ist das "Ufo", wie sie das neue Krankenhaus nennen, unheimlich. Aber zumindest die örtliche Bauindustrie profitiert von dem Projekt. Nirgends werden so viele Kreisverkehre gebaut wie hier, sagt Bürgermeisterin Anja Pfeiffer, als sie mit dem Auto von der Baustelle fährt:
"Das mögen die Deutschen gar nicht - morgens im Stau stehen, kann ich verstehen!"
Auf die neue High School sind manche Anwohner neidisch
Barriett Smith, Direktor der High School am US-Standort in Kaiserslautern, ist sichtlich stolz:
"Jeder, der hier in das Gebäude kommt, dem entfährt erstmal ein - Wow! Viele sagen, das sieht ja aus wie aus einem High School Musical! Das stimmt - es ist offen, hell mit viel natürlichem Licht."
Smith steht inmitten einer lichtdurchfluteten Halle so groß wie der Bahnhof einer mittelgroßen deutschen Stadt. Letzten September wurde die "21th Century School" eröffnet. Kostenpunkt: 43 Millionen Dollar. Das US-Militär investiert in den kommenden Jahren in Rheinland-Pfalz rund 645 Millionen in seine Schulen.
800 Schüler - ausschließlich Kinder amerikanischer Militärangehöriger - lernen in der Schule des 21. Jahrhunderts. Statt Klassenräume gibt es "neighbourhoods", Nachbarschaften, mit beweglichen Wänden. Die 64 Lehrer sind "coaches", Trainer und - in der Schulküche kochen die Schüler selbst:
"In allen Nachbarschaften sind Laptops, genug für alle Schüler, wir haben 100 Stück pro Nachbarschaft. Und die Möbel sind mobil, wenn die Schüler eine Lerngruppe bilden wollen, braucht es vielleicht 5 Minuten, um die Möbel zu verschieben."
Mark und Bruce schieben schnell ein paar Stühle zusammen und rücken das Smartboard in die Mitte. Die Mathe-Lehrerin hat ihnen zehn Minuten gegeben, ihre Aufgabe zu lösen.
"Making a chart on a 5, and gonna combine it and see how close to 3, 14 we can get."
"Its different from other school, - it´s a 21th century school, I like the technology, the chairs, the table, even the smartboards too, pretty cool."
"Its different from other school, - it´s a 21th century school, I like the technology, the chairs, the table, even the smartboards too, pretty cool."
Deutschland gab Geld für Planungskosten der High School
Ähnlich wie beim Krankenhaus-Neubau hat auch hier das Amt für Bundesbau, kurz ABB, die Federführung für den Bau der Schule übernommen. Der Bund hat sich mit rund acht Millionen an den Planungskosten beteiligt. Marc Gutenberger vom ABB weiß, dass diese Schule manchmal auch Neid erweckt:
"Also es gibt immer wieder Anfragen aus der Öffentlichkeit, warum die Bundesrepublik so etwas für die amerikanischen Kinder baut, aber nicht für unsere eigenen Kinder. Und da muss man einfach sagen, wer das Geld mitbringt, sagt auch, was gebaut wird."
Zum Beispiel eine Turnhalle fast so groß wie ein Fußballfeld, mit Tribüne und Umkleidekabinen mit Fußbodenheizung. Für Sportlehrer Ben ist ein Traum in Erfüllung gegangen:
"Big upgrade. Jetzt machen wir Frühlingssport, wir haben Fußball, Baseball, Softball, and track and field, Leichtathletik ja ... ich glaube, die genießen das schon, die sind sehr stolz auf die Schule."
In den nächsten Jahren entstehen vier weitere neue Schulen an den amerikanischen Standorten rund um Kaiserslautern; sechs weitere sind geplant. Für Marc Gutenberger vom ABB ein klares Signal, dass der Standort weiter ausgebaut wird:
"Die Schule hat wirklich alles, was man sich wünscht, Sportanlagen und insbesondere dieses neue pädagogische Konzept setzt sehr auf IT Technologie, Sie sehen, die Schule ist voll gestopft mit Smartboards und da könnten wir uns eine Scheibe von abschneiden."