Gemeinsamkeiten in der Zerrissenheit
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Das knappe Ergebnis der US-Präsidentenwahl widerspricht den Prognosen und zeigt vordergründig ein tief gespaltenes Land. Der Kunsthistoriker Thomas Gaethgens warnt aber vor einem Schwarzweißdenken über die USA.
Während die Unklarheit über den Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen andauert und der amtierende Präsident Donald Trump mit juristischen Mitteln versucht, die Stimmauszählung zu stoppen, erscheinen die USA zerrissener und die politischen Lager mehr voneinander entfernt als je zuvor.
Der Kunsthistoriker Thomas Gaethgens hat in den USA gelebt und ein Jahrzehnt lang das Getty Research Institute in Los Angeles geleitet. Es gebe durchaus eine faschistische Rhetorik aus dem Weißen Haus, wie die Schriftstellerin Siri Hustvedt mit ihrer Initiative writersagainsttrump hervorhebt, sagt Gaethgens.
Biden steht vor einer großen Aufgabe
"Aber ich habe jetzt Hoffnung. Ich bin ganz euphorisch, ich glaube, dass Trump nicht bleibt und wir dann Joe Biden vor einer sehr großen und schwierigen Aufgabe sehen werden, nämlich das Land wieder zusammenzuführen."
Gaethgens warnt aber vor einer vereinfachten Aufteilung des Landes in gute Demokraten und böse Republikaner. "Das Land ist viel komplizierter und differenzierter, viel interessanter und letztlich auch viel positiver. Ich glaube nicht, dass Amerika zerfällt."
Nicht alle Republikaner sind Trump-Fans
Zwar gebe es durchaus eine Zerrissenheit im Land. Entsprechende Berichte aus den USA müsse man ernst nehmen. "Aber es gibt auch viel Gemeinsamkeit. Nicht alle Republikaner sind Freunde von Trump. Das ist für uns von außen sehr schwierig zu unterscheiden."
Tatsächlich habe Trump es geschafft, dass die Republikaner ihm hinterherlaufen. Das sei ein großes Problem, bedeute aber nicht, dass alle von ihm begeistert seien.
Die Unterstützung für Kultur ist zurückgegangen
Er habe erlebt, dass unter Trump der internationale kulturelle Austausch schwieriger geworden sei, weil es für Ausländer schwieriger wurde, Visa für die USA zu bekommen. Eine Wiederwahl von Trump wäre auch deswegen dramatisch.
"Das möchte ich mir gar nicht vorstellen. Irgendwie ist es in den letzten Jahren gegangen. Man hat sich arrangiert, aber im Grunde ist die Unterstützung der Kultur vollständig zurückgegangen."
(rja)