"Es wird mehr Hate Crimes geben"
Der Konfliktforscher Andreas Zick erwartet im Gefolge des Wahlsiegs von Donald Trump eine Zunahme von Hassverbrechen gegenüber Minderheiten: "Da dürfen wir nicht wegsehen."
Eine der Folgen des populistischen Wahlkampfs in den USA wird die Zunahme von Hassverbrechen sein, meint der Sozialpsychologe und Konfliktforscher Andreas Zick.
"Wir werden auch erleben in den nächsten Wochen, dass es in Amerika mehr Hate Crimes gibt, also Hasstaten gegen Minderheiten", sagte er im Deutschlandradio Kultur. "Das ist nach solchen populistisch geführten Wahlen auch dann immer der Fall, da dürfen wir nicht wegsehen."
Volksparteien müssen soziale Spaltung überwinden
Angesichts des Siegeszugs populistischer Strömungen setzt der Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld auf die Integrationskraft der Volksparteien: "Es kommt auf die Volksparteien an und die Art und Weise, wie sie nicht auf Populismus setzen und auf Spaltung der Gesellschaft, sondern die Fragen beantworten, wie kann man auch diese massive soziale Spaltung, auf die die Menschen reagieren, wenige reiche Menschen, viele arme Menschen – das kriegt man ja alles mit – wir leben in neuen Zeiten – wie sie darauf reagieren und wie sie dieses Bild von Demokratie und Wettbewerb der unterschiedlichen Ideen jetzt stärken und für Toleranz sorgen."
Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Viel Beifall, viel Applaus hat ja Donald Trump gestern bekommen, vor allen Dingen aus Europa, vor allen Dingen von rechtsgerichteten Parteien, auch nationalistischen Strömungen, Le Pen, ich habe es erwähnt, den Front National. Auch von der AfD, von der Alternative für Deutschland, ist ja eine Menge Beifall gekommen nach dem Motto: er ist eine neue Figur, und es wird eine Zeitenwende sein.
Und die Frage ist natürlich, warum ist er so attraktiv, oder warum bekommt er so viel Beifall genau von rechts. Das wollen wir uns ein bisschen genauer angucken, und zwar mit Professor Andreas Zick. Er ist Leiter des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Uni Bielefeld. Schönen guten Morgen!
Brüder im Geiste: Trump und Europas Rechtspopulisten
Andreas Zick: Guten Morgen!
Brink: Warum ist Trump so interessant für die Rechtspopulisten hier in Europa?
Zick: Weil Trumps Wahlkampf vieles geteilt hat von dem, was wir an Rechtspopulismus in Europa auch sehen: Massive Elitenkritik gegen "die da oben", obgleich er ja jahrelang selbst zur Elite gehört hat, massives Demokratiemisstrauen, das ist miteinander verbunden. Und dann spricht er die Menschen an in ihrer mangelnden Einbindung in Gesellschaft.
Wir sehen in Amerika, viele Menschen fühlen sich nicht eingebunden, sind orientierungslos, und er bietet jetzt nun die alten Vorrechte an – wir sind jetzt wieder dran –, spielt massiv mit Vorurteilen und Stereotypen, die ja bei uns auch da sind. Wir erleben ja gerade so eine Kampagne – Islamisierung der Gesellschaft –, es geht gegen Geflüchtete. Also da gibt es viele Parallelen in der Art und Weise, wie da politische Propaganda gemacht wird.
Brink: Ja, apropos Propaganda. Nun möchten auch viele dieser Strömungen hier ja Glauben machen, dass das eine neue Bewegung ist, ein neuer Aufstand. Ist das nicht ein gefährlicher Begriff, und sollte man sich hüten, den zu benutzen?
Zick: Ja, absolut. Und gleich von einer Bewegung zu reden – zu einer Bewegung gehört ja, dass man eine gemeinsame Identität hat, dass man gemeinsame Ziele hat. Wir müssen sehen, in Europa ist der Rechtspopulismus, auch ultrakonservative Kreise gehören dazu, auch etablierte Parteien spielen ja durchaus mit Ideen, die wir auch im amerikanischen Wahlkampf gesehen haben. Das ist sehr heterogen. Man muss an diese Bewegung appellieren, weil man ja diese äußerst verschiedenen Gruppen, die sich da sammeln, irgendwie immer wieder zusammenrufen muss. Ich wäre da auch sehr vorsichtig, von einer gemeinsamen großen Bewegung zu reden. Manchmal macht man dann selbst die Mücke zum Elefanten.
In den USA stehen traditionell alle hinter dem Präsidenten
Brink: Vor allen Dingen, weil Trump ja etwas Interessantes gemacht hat in seiner Rede. Er hat ja sozusagen – jetzt könnte man sagen, okay, er hat Kreide gefressen – aber er hat sich ja sehr moderat gezeigt, und er hat ausdrücklich betont, ich bin der Präsident aller Amerikaner, und ich werde sozusagen rausgehen und versuchen, das Land wieder zu einigen. Also eigentlich taugt er doch – wenn er es denn wirklich tut, das weiß man ja noch nicht – taugt er dann doch gar nicht so richtig als Figur.
Zick: Ja, und ich glaube, wir müssen verstehen, dass die amerikanischen Wahlen anders verlaufen, als das in Europa ist. Es ist absolute Norm, dass man nach einer Wahl gemeinsam mit dem Präsidenten zeigt, dass man gegenüber diesem Land verpflichtet ist. Das gehört zur Norm. Wir werden ja auch die Inauguration erleben. So etwas kennen wir in Europa nicht. In Europa haben wir andere demokratische Traditionen. Das heißt, wir werden dann merken, dass natürlich auch selbst linke Kräfte in Amerika dann hinter diesem einen Präsidenten stehen. Das ist in Europa etwas anders. Insofern müssen wir natürlich aufpassen bei diesen Bildern.
Aber es lohnt sich eben immer auch, nach Parallelen zu gucken. Wir sehen, man kann eben Wahlkampf weltweit sehr stark machen mit Vorurteilen, Stereotypen, Ressentiments. Und wir müssen auch ernst nehmen: Wir haben ja selbst in Deutschland erlebt, dass viele Nichtwählerinnen und Nichtwähler an die Urnen gehen und dann eben ultrakonservativ, rechtspopulistisch wählen. Da gibt es schon Prozesse, die sind ähnlich, und wir leben in einer globalen Welt, das heißt auch, wir haben natürlich auch hier eine Amerikanisierung des Wahlkampfs. Es wird sehr viel mehr auf Personen abgestellt, weniger auf Programmatik. Wir leben einfach in dieser globalen Welt, insofern diskutieren wir das jetzt auch, die Parallelen.
Auftrag an die Volksparteien: die Abgehängten zurückholen
Brink: Genau. Und die AfD hat ja schon von einer Zeitenwende gesprochen, hat gesagt, das stärkt uns. Aber es könnte ja vielleicht auch genau andersherum sein. Thomas de Maizière, der Innenminister, hat ja diesen Gedanken gestern geäußert, er hat gesagt, es könnte auch passieren, dass die Volksparteien wieder Auftrieb bekommen, dass die Menschen sehen, das ist vielleicht doch etwas Gutes, mehr Sachorientierung als Polemik. Ist das nicht auch im Bereich des Möglichen?
Zick: Ja, und ich glaube, jetzt müssen die Volksparteien darüber nachdenken, welche Elemente, von welchen Elementen muss man sich distanzieren – also nur mit Vorurteilen und Stereotypen zu spielen. Wir werden erleben, das amerikanische Land ist gespalten, wir werden auch erleben in den nächsten Wochen, dass es in Amerika mehr Hate Crimes gibt, also Hasstaten gegen Minderheiten. Das ist nach solchen populistisch geführten Wahlen auch dann immer der Fall, da dürfen wir nicht wegsehen.
Und jetzt kommt es auf die Volksparteien an: Wie können sie sich wieder den Menschen nähern, die sich abgehängt fühlen, und vor allen Dingen den Menschen nähern, die sich nicht eingebunden fühlen, das heißt Rückkehr zur starken Demokratie, vielleicht auch Rückkehr zu Solidarität. Also, man muss jetzt gucken, welche Werte haben uns früher zusammengehalten und sind dann ins Wanken geraten. Das kann passieren.
Aber es kommt auf die Volksparteien an und die Art und Weise, wie sie nicht auf Populismus setzen und auf Spaltung der Gesellschaft, sondern die Fragen beantworten, wie kann man auch diese massive soziale Spaltung, auf die die Menschen reagieren, wenige reiche Menschen, viele arme Menschen – das kriegt man ja alles mit – wir leben in neuen Zeiten – wie sie darauf reagieren und wie sie dieses Bild von Demokratie und Wettbewerb der unterschiedlichen Ideen jetzt stärken und für Toleranz sorgen.
Brink: Vielen Dank, Professor Andreas Zick, Leiter des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Uni Bielefeld. Vielen Dank für das Gespräch hier in "Studio 9"!
Zick: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.