Wie der Technologie-Boom San Francisco verändert
San Francisco erlebt eine Boomphase, denn Unternehmen aus dem Silicon Valley ziehen Menschen aus aller Welt an. Kehrseite der Medaille: Wohnraum ist äußerst knapp geworden und extrem teuer. Das trifft besonders die Mittelklasse, die verstärkt wegzieht.
Del Seymour hat sich fein gemacht: Er trägt Hemd und Jackett und eine Bundfaltenhose, um seinen Hals liegt ein karierter Schal. Auf seinem kahlen Kopf sitzt ein Hut. Eine Gruppe von rund 20 jungen Leuten klebt an seinen Lippen.
Seymour ist Tourguide im Tenderloin. Es ist ein berühmt-berüchtigter Stadtteil in Downtown San Francisco: hohe Kriminalitätsrate, viele Obdachlose. Der Müll sammelt sich am Straßenrand. Es riecht nach Urin und Armut. Seymour kennt die Straßen gut, er hat selbst jahrelang hier gelebt, ohne Wohnsitz, ohne Einkommen. Doch nun läuft der 67-Jährige voller Energie die Taylor oder Eddy Street entlang und zeigt den Wandel, der sich hier gerade vollzieht.
Mehr als 10.000 Zugezogene haben das Tenderloin und das angrenzende Viertel Mid-Market in den vergangenen Jahren verzeichnet. Es sind Mitarbeiter von Unternehmen wie Twitter, Spotify oder Zendesk. Der Hauptsitz von Twitter ist gerade mal zehn Gehminuten entfernt.
Seymour ist Tourguide im Tenderloin. Es ist ein berühmt-berüchtigter Stadtteil in Downtown San Francisco: hohe Kriminalitätsrate, viele Obdachlose. Der Müll sammelt sich am Straßenrand. Es riecht nach Urin und Armut. Seymour kennt die Straßen gut, er hat selbst jahrelang hier gelebt, ohne Wohnsitz, ohne Einkommen. Doch nun läuft der 67-Jährige voller Energie die Taylor oder Eddy Street entlang und zeigt den Wandel, der sich hier gerade vollzieht.
Mehr als 10.000 Zugezogene haben das Tenderloin und das angrenzende Viertel Mid-Market in den vergangenen Jahren verzeichnet. Es sind Mitarbeiter von Unternehmen wie Twitter, Spotify oder Zendesk. Der Hauptsitz von Twitter ist gerade mal zehn Gehminuten entfernt.
Friedliches Nebeneinander von Arm und Reich?
Ein Baukran ragt in die Luft, Seymour erzählt von der riesigen Shopping-Mall, die hier in der Nähe der Turk Street entsteht. Kein einziges Auto parkt auf diesem Abschnitt der Straße. Das Parkverbot wurde 2014 eingerichtet. Früher hielten sich um diese Tageszeit bis zu 100 Leute hier auf, um ihren Geschäften nachzugehen, erzählt der ehemalige Drogendealer. Jetzt sind es vielleicht drei oder vier:
Es werden neue Bürogebäude, Restaurants und Bars gebaut. Im Tenderloin bewegt sich was – und gleichzeitig bleibt Gewohntes, wie die vielen armen Familien, psychisch Kranken, Drogenabhängigen und Obdachlosen. Kann es ein friedliches Nebeneinander zwischen gut bezahlten, jungen Techies und den ganz Armen geben? Es muss – sagt Del Seymour. Der Vietnamveteran versteht sich als der Anwalt der Glücklosen, er ist Mitglied in über einem Dutzend Organisationen, wo er sich sozial engagiert. Er zeigt seiner Gruppe die St. Boniface Kirche auf der Golden Gate Avenue, in der Obdachlose außerhalb der Zeiten für den Gottesdienst schlafen dürfen. Zwei Türen weiter ist die St. Anthony Stiftung. Hier bekommen jeden Tag 2700 Menschen ein kostenloses, warmes Mittagessen – komplett privat finanziert. Der Bürgermeister und der Stadtrat haben versagt, schimpft er.
Es müsse einen Weg geben, Obdachlosigkeit besser zu managen, klagt er. Man müsse nur seine Prioritäten anders setzen. Damit spielt er an auf das Versagen der Stadt, ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen - ein Problem, das wohl keine andere US-Stadt derzeit mehr plagt als San Francisco. Für ihn muss im Tenderloin für alle Platz sein: den gut ausgebildeten Angestellten des Silicon Valley und den Armen, die hier seit Langem zu Hause sind:
"Ihr seht, wie sich das Tenderloin verändert. Es ist ein wirtschaftlicher und kultureller Wandel, den wir brauchen. Das Tenderloin sieht abgewrackt aus. Und das wollen wir ändern. Wir wollen daraus eine Gegend machen, die von Besuchern der Stadt nicht gemieden wird."
Es werden neue Bürogebäude, Restaurants und Bars gebaut. Im Tenderloin bewegt sich was – und gleichzeitig bleibt Gewohntes, wie die vielen armen Familien, psychisch Kranken, Drogenabhängigen und Obdachlosen. Kann es ein friedliches Nebeneinander zwischen gut bezahlten, jungen Techies und den ganz Armen geben? Es muss – sagt Del Seymour. Der Vietnamveteran versteht sich als der Anwalt der Glücklosen, er ist Mitglied in über einem Dutzend Organisationen, wo er sich sozial engagiert. Er zeigt seiner Gruppe die St. Boniface Kirche auf der Golden Gate Avenue, in der Obdachlose außerhalb der Zeiten für den Gottesdienst schlafen dürfen. Zwei Türen weiter ist die St. Anthony Stiftung. Hier bekommen jeden Tag 2700 Menschen ein kostenloses, warmes Mittagessen – komplett privat finanziert. Der Bürgermeister und der Stadtrat haben versagt, schimpft er.
Es müsse einen Weg geben, Obdachlosigkeit besser zu managen, klagt er. Man müsse nur seine Prioritäten anders setzen. Damit spielt er an auf das Versagen der Stadt, ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen - ein Problem, das wohl keine andere US-Stadt derzeit mehr plagt als San Francisco. Für ihn muss im Tenderloin für alle Platz sein: den gut ausgebildeten Angestellten des Silicon Valley und den Armen, die hier seit Langem zu Hause sind:
"Ihr seht, wie sich das Tenderloin verändert. Es ist ein wirtschaftlicher und kultureller Wandel, den wir brauchen. Das Tenderloin sieht abgewrackt aus. Und das wollen wir ändern. Wir wollen daraus eine Gegend machen, die von Besuchern der Stadt nicht gemieden wird."
Sarah Gordon und Amber Kou machen an diesem Morgen mit bei der walking tour durchs Tenderloin. Aus beruflichen Gründen - sie arbeiten beide für Health Corps, einem Non-Profit, das sich um das Wohlergehen von Jugendlichen kümmert. Es ist keine Beschäftigung, mit der sich viel Geld verdienen lässt. Amber hat im US-Bundesstaat Virginia an der Ostküste studiert, ist für diesen Job nach San Francisco gezogen - ein ernüchterndes Erlebnis, wie sie sagt:
"Ich komme aus einer normalen Mittelklasse-Familie, bin in einem Vorort von Washington DC aufgewachsen. Das hier ist das echte Leben. Meine Eltern sagten zu mir: wenn du das machen willst, dann musst du dort irgendwie zurechtkommen. Und es ist wirklich schwer. Ich habe Freunde, die in der Finanzwirtschaft arbeiten oder als Berater und die locker umgerechnet 1600 Euro für Miete ausgeben können - eine andere Welt.”
Sarah sieht die aktuelle Entwicklung der Stadt mit noch anderen Augen. Sie ist hier aufgewachsen und sagt, eine so große Wohnungsnot wie im Moment habe sie noch nicht erlebt. Irgendwann, bald, so hofft sie, müsse diese Blase doch platzen.
Wohnungen werden immer teurer
Es ist ein Problem, mit dem sich auch Erica Kisch ständig beschäftigt. Ihr Büro liegt einen Steinwurf vom Union Square entfernt, an der Haltestelle der berühmte Cable Car bilden sich täglich lange Schlangen von wartenden Touristen:
Kisch leitet Compass, eine Organisation, die sich um obdachlose Familien und von Obdachlosigkeit bedrohte Familien kümmert. Rund 5000 Familien betreut Compass jedes Jahr. Doch inzwischen, erzählt Kisch, spüren auch sie selbst und ihre Mitarbeiter, wie eng es auf dem Mietmarkt der Stadt geworden ist:
"Der Wohnungsmarkt von San Francisco war schon immer teuer. Aber jetzt sind wir an einem Punkt, wo eine Ein-Zimmer-Wohnung umgerechnet 3000 Euro kostet - das ist nicht nur für die von uns betreuten Familien zuviel, sondern auch für unsere Angestellten. Wir machen uns Sorgen, dass wir keine Mitarbeiter mehr finden.”
San Francisco hat das Image der etwas verträumten Hippie-Stadt mit den lustigen bunten Reihenhäuschen. Touristen bestaunen die Golden Gate Bridge, sie strömen auf die Gefängnisinsel Alcatraz oder streifen durch Haight-Ashbury, Zentrum der Hippie-Bewegung in den 60er-Jahren. Damals wuchs parallel im benachbarten Arbeitervietel Castro eine große Schwulen- und Lesbengemeinde. Kein Wunder, dass in San Francisco erstmals Hochzeiten schwuler und lesbischer Paare genehmigt wurden. 2004 erteilte der damalige Bürgermeister Gavin Newsom die Erlaubnis, Heiratslizensen auszugeben - eine Premiere in den USA.
Die Stadt verändert sich - aber vielleicht geschieht diese Veränderung derzeit schneller, als es für Großstädte üblich ist. Das Silicon Valley ist gut 30 Minuten mit dem Auto entfernt. Google, Facebook, Apple ziehen bestens ausgebildete Menschen aus aller Welt an - und bezahlen ihre Angestellten stattlich. Dazu haben die Stadtväter etliche Technologie-Firmen mit Steuervergünstigungen direkt nach San Francisco gelockt, unter anderem Twitter, Zendesk, Pinterest und Airbnb haben ihre Headquarter mitten in der Stadt. Die Mitarbeiter dieser Firmen sind in der Regel jung, überwiegend männlich mit gutem bis hohem Einkommen.
Kisch leitet Compass, eine Organisation, die sich um obdachlose Familien und von Obdachlosigkeit bedrohte Familien kümmert. Rund 5000 Familien betreut Compass jedes Jahr. Doch inzwischen, erzählt Kisch, spüren auch sie selbst und ihre Mitarbeiter, wie eng es auf dem Mietmarkt der Stadt geworden ist:
"Der Wohnungsmarkt von San Francisco war schon immer teuer. Aber jetzt sind wir an einem Punkt, wo eine Ein-Zimmer-Wohnung umgerechnet 3000 Euro kostet - das ist nicht nur für die von uns betreuten Familien zuviel, sondern auch für unsere Angestellten. Wir machen uns Sorgen, dass wir keine Mitarbeiter mehr finden.”
San Francisco hat das Image der etwas verträumten Hippie-Stadt mit den lustigen bunten Reihenhäuschen. Touristen bestaunen die Golden Gate Bridge, sie strömen auf die Gefängnisinsel Alcatraz oder streifen durch Haight-Ashbury, Zentrum der Hippie-Bewegung in den 60er-Jahren. Damals wuchs parallel im benachbarten Arbeitervietel Castro eine große Schwulen- und Lesbengemeinde. Kein Wunder, dass in San Francisco erstmals Hochzeiten schwuler und lesbischer Paare genehmigt wurden. 2004 erteilte der damalige Bürgermeister Gavin Newsom die Erlaubnis, Heiratslizensen auszugeben - eine Premiere in den USA.
Die Stadt verändert sich - aber vielleicht geschieht diese Veränderung derzeit schneller, als es für Großstädte üblich ist. Das Silicon Valley ist gut 30 Minuten mit dem Auto entfernt. Google, Facebook, Apple ziehen bestens ausgebildete Menschen aus aller Welt an - und bezahlen ihre Angestellten stattlich. Dazu haben die Stadtväter etliche Technologie-Firmen mit Steuervergünstigungen direkt nach San Francisco gelockt, unter anderem Twitter, Zendesk, Pinterest und Airbnb haben ihre Headquarter mitten in der Stadt. Die Mitarbeiter dieser Firmen sind in der Regel jung, überwiegend männlich mit gutem bis hohem Einkommen.
Verliert San Francisco seinen Charme?
Und selbst wenn die Techies in Silicon Valley-Städtchen wie Palo Alto, Mountain View oder Sunnyvale arbeiten, leben wollen sie lieber in der Großstadt mit ihrem reichhaltigen Kulturangebot, den Klubs, Restaurants und Freizeitaktivitäten. Viele Bewohner der Stadt befürchten, dass San Francisco seinen Charme verliert, wie Sarah Gordon:
"Ich will nicht, dass aus San Francisco eine 0815-Stadt wird, voll mit hippen, teuren Läden, die keine Seele haben. Das Beste an San Francisco ist die Diversität, die unterschiedlichen Gemeinden, die auf diesem kleinen Gebiet zu Hause sind. Ich habe Angst, dass das verschwindet. Wenn eine Kultur erstmal untergegangen ist, kommt sie nicht zurück.”
Auch Erica Kisch, Leiterin der Non-Profit-Organisation Compass, teilt diese Angst.
"Diese Firmen haben sich hier angesiedelt, weil es dafür gute Gründe gab. Es hat Sinn gemacht. Und ich wäre die Letzte, die sagen würde, die Angestellten haben kein Recht darauf in dieser Stadt zu leben. Aber die Realität sieht auch so aus: es verändert den Wohnungsmarkt und viele Menschen leiden."
Es sind nicht nur die Klienten von Kisch, die leiden - Menschen am Existenzminimum, mit Suchtproblemen, schlecht ausgebildet. Inzwischen trifft es Lehrer, Feuerwehrleute, Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Sie verdienen zu viel, um für staatlich gestützten Wohnraum in Frage zu kommen, der zudem äußerst knapp ist. Aber sie verdienen zu wenig, um auf dem normalen Mietmarkt eine Chance zu haben.
Alexandra Bookless hat bis vor kurzem ein Restaurant geleitet. Sie und ihr Mann erwarten ihr erstes Kind. Als sie vor der Frage standen, nach einem größeren Zuhause in San Francisco zu schauen oder in einen anderen Teil des Landes zu ziehen, entschieden sie sich für Letzteres. Und das, so Bookless, sei der Trend:
"Mehr und mehr Leute ziehen weg und pendeln in die Stadt. Was lästig ist, weil man über eine Brücke nach San Francisco reinfährt und es sich da immer staut. Aber für viele geht es nicht anders.”
"Ich will nicht, dass aus San Francisco eine 0815-Stadt wird, voll mit hippen, teuren Läden, die keine Seele haben. Das Beste an San Francisco ist die Diversität, die unterschiedlichen Gemeinden, die auf diesem kleinen Gebiet zu Hause sind. Ich habe Angst, dass das verschwindet. Wenn eine Kultur erstmal untergegangen ist, kommt sie nicht zurück.”
Auch Erica Kisch, Leiterin der Non-Profit-Organisation Compass, teilt diese Angst.
"Diese Firmen haben sich hier angesiedelt, weil es dafür gute Gründe gab. Es hat Sinn gemacht. Und ich wäre die Letzte, die sagen würde, die Angestellten haben kein Recht darauf in dieser Stadt zu leben. Aber die Realität sieht auch so aus: es verändert den Wohnungsmarkt und viele Menschen leiden."
Es sind nicht nur die Klienten von Kisch, die leiden - Menschen am Existenzminimum, mit Suchtproblemen, schlecht ausgebildet. Inzwischen trifft es Lehrer, Feuerwehrleute, Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Sie verdienen zu viel, um für staatlich gestützten Wohnraum in Frage zu kommen, der zudem äußerst knapp ist. Aber sie verdienen zu wenig, um auf dem normalen Mietmarkt eine Chance zu haben.
Alexandra Bookless hat bis vor kurzem ein Restaurant geleitet. Sie und ihr Mann erwarten ihr erstes Kind. Als sie vor der Frage standen, nach einem größeren Zuhause in San Francisco zu schauen oder in einen anderen Teil des Landes zu ziehen, entschieden sie sich für Letzteres. Und das, so Bookless, sei der Trend:
"Mehr und mehr Leute ziehen weg und pendeln in die Stadt. Was lästig ist, weil man über eine Brücke nach San Francisco reinfährt und es sich da immer staut. Aber für viele geht es nicht anders.”
Eine Stadt ohne Mittelstand
Wird San Francisco zu einer Stadt ohne Mittelstand, ohne Frauen, ohne Kinder, ohne ethnische Vielfalt? Wo ist es für die Mittelklasse noch bezahlbar? Mark Farrell ist Mitglied im City Council, dem Stadtrat. Er sagt:
"Gute Frage. Der Mittelklasse geht es überall im Land schlecht. Und das ist eines unser größten Probleme: Besserverdienende verdienen immer mehr und die Zahl der Menschen mit geringem Einkommen steigt. Die Mittelklasse, die einst Kern unserer Gesellschaft war, löst sich immer weiter auf.”
Und das, so Farrell, liege in San Francisco unter anderem am Einfluss von Silicon Valley, aber nicht nur. Er räumt ein:
"Als jemand, der in San Francisco aufgewachsen ist, machen mich die vielen Veränderungen nervös. Gleichzeitig hat sich San Francisco schon immer verändert. Als ich aufgewachsen bin, gab es in meiner Nachbarschaft praktisch keine Kinder, sondern viele alte Paare italienischer und irischer Abstammung. Jetzt leben dort extrem viele junge Leute verschiedenster Herkunft. Es ist dort aufregender als je zuvor. Und das ist toll!"
Trotzdem, sagt der 42-Jährige, müsse sich dringend etwas tun, es gebe einfach nicht genügend bezahlbaren Wohnraum:
"Wir haben definitiv schlecht geplant für den Anstieg der Bevölkerung, den San Francisco in den zurückliegenden drei, vier Jahren gesehen hat.”
Anders als andere US-Städte kann sich San Francisco allerdings nicht einfach so ausbreiten, im Norden, Osten und Westen schwappt Wasser an die Stadtgrenzen. Einziger Ausweg für die rund 122 Quadratkilometer Stadtfläche, also ein Gebiet, das nur etwas größer ist als Kiel: nach oben bauen, Hochhäuser statt der typischen Einfamilienbauten. Restriktive Flächennutzungspläne, Umweltgesetze und manchmal schlicht fehlender Wille behindern den Bau von großen Unterkünften. Für Bauunternehmer ist es lukrativer, für Besserverdienende zu bauen als für Empfänger staatlicher Leistungen. Laut San Francisco Chronicle plant die Stadt aktuell, 12.000 Einheiten bezahlbaren Wohnraum zu bauen.
"Gute Frage. Der Mittelklasse geht es überall im Land schlecht. Und das ist eines unser größten Probleme: Besserverdienende verdienen immer mehr und die Zahl der Menschen mit geringem Einkommen steigt. Die Mittelklasse, die einst Kern unserer Gesellschaft war, löst sich immer weiter auf.”
Und das, so Farrell, liege in San Francisco unter anderem am Einfluss von Silicon Valley, aber nicht nur. Er räumt ein:
"Als jemand, der in San Francisco aufgewachsen ist, machen mich die vielen Veränderungen nervös. Gleichzeitig hat sich San Francisco schon immer verändert. Als ich aufgewachsen bin, gab es in meiner Nachbarschaft praktisch keine Kinder, sondern viele alte Paare italienischer und irischer Abstammung. Jetzt leben dort extrem viele junge Leute verschiedenster Herkunft. Es ist dort aufregender als je zuvor. Und das ist toll!"
Trotzdem, sagt der 42-Jährige, müsse sich dringend etwas tun, es gebe einfach nicht genügend bezahlbaren Wohnraum:
"Wir haben definitiv schlecht geplant für den Anstieg der Bevölkerung, den San Francisco in den zurückliegenden drei, vier Jahren gesehen hat.”
Anders als andere US-Städte kann sich San Francisco allerdings nicht einfach so ausbreiten, im Norden, Osten und Westen schwappt Wasser an die Stadtgrenzen. Einziger Ausweg für die rund 122 Quadratkilometer Stadtfläche, also ein Gebiet, das nur etwas größer ist als Kiel: nach oben bauen, Hochhäuser statt der typischen Einfamilienbauten. Restriktive Flächennutzungspläne, Umweltgesetze und manchmal schlicht fehlender Wille behindern den Bau von großen Unterkünften. Für Bauunternehmer ist es lukrativer, für Besserverdienende zu bauen als für Empfänger staatlicher Leistungen. Laut San Francisco Chronicle plant die Stadt aktuell, 12.000 Einheiten bezahlbaren Wohnraum zu bauen.
"Wir brauchen alles, was wir kriegen können.”
12.000 - das ist viel zu wenig, findet Sonja Trauss. Sie hat einen ungewöhnlichen Ort für unser Gespräch vorgeschlagen: Wir sitzen auf einem übergroßen Sofa in dem prächtigen Gartenhof des Palace Hotels. Das Luxushotel wurde 1909 eröffnet, die Gäste nehmen ihren Morgenkaffee zum Klavierspiel ein. Der Alltag von Trauss‘ ist alles andere als glamourös. Die 34-Jährige hat die Organisation San Francisco Bay Area Renters’ Federation gegründet, kurz: SFBarf. Sie lebt von Spenden um sich Vollzeit für Bauprojekte zu engagieren, regelmäßig besuchen sie und ihre Mitstreiter öffentliche Sitzungen des Stadtrates, melden sich zu Wort, befürworten im Prinzip jegliches Bauprojekt - solange mehr Wohnungen entstehen, nicht nur in San Francisco, sondern im gesamten Gebiet, in der so genannten Bay Area:
"Alles sollte unterstützt werden, auch Bauten, die man nicht mag, weil sie hässlich sind, für Geringverdienende oder Besserverdienende. Wir brauchen alles, was wir kriegen können.”
Ende vergangenen Jahres ging SFBarf einen Schritt weiter: Der Verband verklagte das Städtchen Lafayette nordöstlich von San Francisco. Zuvor hatte ein Bauunternehmer seinen Bauplan für 315 Wohnungen für Menschen mittleren Einkommens aufgegeben. Anwohner hatten geklagt, die Mietwohnungen würden die Gegend "verschandeln". Als der Bauunternehmer stattdessen für das gleiche Grundstück 44 Einfamilienhäuser mit Hundepark und Parkplatz vorschlug, wurde das Projekt vom Stadtrat von Lafayette einstimmig angenommen. Mit der Klage geht es für Trauss darum, ein Zeichen zu setzen. Lafayette verkörpert in ihren Augen alle Städte in der Bay Area, die zu wenig Neubauten und Hochhäuser genehmigen, die zwar wollen, dass sich etwas ändert, aber bitte woanders.
"In San Francisco ist es doch fast so, dass für jeden Zugezogenen ein Alteingesessener geht. Und Reiche ersetzen keine Reichen, auch wenn manche das nicht wahrhaben wollen. Menschen mit Geld bekommen was sie wollen und die, die wenig haben, sind die Leidtragenden.”
"Alles sollte unterstützt werden, auch Bauten, die man nicht mag, weil sie hässlich sind, für Geringverdienende oder Besserverdienende. Wir brauchen alles, was wir kriegen können.”
Ende vergangenen Jahres ging SFBarf einen Schritt weiter: Der Verband verklagte das Städtchen Lafayette nordöstlich von San Francisco. Zuvor hatte ein Bauunternehmer seinen Bauplan für 315 Wohnungen für Menschen mittleren Einkommens aufgegeben. Anwohner hatten geklagt, die Mietwohnungen würden die Gegend "verschandeln". Als der Bauunternehmer stattdessen für das gleiche Grundstück 44 Einfamilienhäuser mit Hundepark und Parkplatz vorschlug, wurde das Projekt vom Stadtrat von Lafayette einstimmig angenommen. Mit der Klage geht es für Trauss darum, ein Zeichen zu setzen. Lafayette verkörpert in ihren Augen alle Städte in der Bay Area, die zu wenig Neubauten und Hochhäuser genehmigen, die zwar wollen, dass sich etwas ändert, aber bitte woanders.
"In San Francisco ist es doch fast so, dass für jeden Zugezogenen ein Alteingesessener geht. Und Reiche ersetzen keine Reichen, auch wenn manche das nicht wahrhaben wollen. Menschen mit Geld bekommen was sie wollen und die, die wenig haben, sind die Leidtragenden.”
Arme Bewohner sollen fit gemacht werden für die Digitalwirtschaft
Eineinhalb Stunden lang hat Del Seymour seine Gruppe durch den Tenderloin District geführt. Vorbei an einer Essensausgabe, die täglich von 11.000 Betroffenen genutzt wird. Er hat Halt gemacht im neu eröffneten Tenderloin Museum und die Eingangshalle des abgenutzten Cadillac Hotels gezeigt, in dessen Fitnessstudio einst ein junger Cassius Clay trainierte, bevor aus ihm ein Schwergewichts-Champion und Muhammad Ali wurde. Und Seymour hat berichtet von Technologieunternehmen wie Zendesk, Yammer oder Spotify, die sich im Tenderloin engagieren. Es muss auf unseren Straßen nicht wie auf Skid Row aussehen, sagt er in Anspielung auf die erbarmungswürdige Obdachlosen-Siedlung im Herzen von Los Angeles:
"Und das geht nur, wenn Geld reingesteckt wird. Wenn hier bei uns investiert wird, bleiben die Straßen sauber und die Kriminalitätsrate niedrig.”
Seymour will noch mehr vom Silicon Valley. Er hat die Organisation "Code Tenderloin” gegründet, die arme Bewohner des Tenderloin fit machen soll für die Digitalwirtschaft. In einem Abendkurs können Interessierte erste Programmier-Kenntnisse erwerben.
"Der einzige Unterschied zwischen der blonden jungen Frau bei Twitter und den Mädchen hier mit Rastazöpfen ist, dass die blonde junge Frau programmieren kann. Und wir versuchen, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.”
Die Laptops für seine Kurse stammen von einem anonymen Spender, die Ausbilder arbeiten umsonst. "Code Tenderloin” bietet auch Training für Bewerbungsgespräche an oder Hilfe beim Verfassen eines Lebenslaufs. Seymour begrüßt die Veränderungen in seinem Bezirk, nur eines ist ihm wichtig:
"Wir können die Stadt mit Chrom und Glas verändern, mit neuen Gesichtern - aber es darf dafür niemand vertrieben werden.”
Vielleicht gelingt das sogar. Vielleicht werden auch noch in fünf Jahren Obdachlose Teile der Eddy Street bevölkern und junge Technies in ihrer Mittagspause auf dem Weg ins Restaurant ihrer Wahl an der Suppenküche vorbeilaufen. Aber vielleicht hat der Verdrängungswettbewerb schon längst begonnen.
"Und das geht nur, wenn Geld reingesteckt wird. Wenn hier bei uns investiert wird, bleiben die Straßen sauber und die Kriminalitätsrate niedrig.”
Seymour will noch mehr vom Silicon Valley. Er hat die Organisation "Code Tenderloin” gegründet, die arme Bewohner des Tenderloin fit machen soll für die Digitalwirtschaft. In einem Abendkurs können Interessierte erste Programmier-Kenntnisse erwerben.
"Der einzige Unterschied zwischen der blonden jungen Frau bei Twitter und den Mädchen hier mit Rastazöpfen ist, dass die blonde junge Frau programmieren kann. Und wir versuchen, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.”
Die Laptops für seine Kurse stammen von einem anonymen Spender, die Ausbilder arbeiten umsonst. "Code Tenderloin” bietet auch Training für Bewerbungsgespräche an oder Hilfe beim Verfassen eines Lebenslaufs. Seymour begrüßt die Veränderungen in seinem Bezirk, nur eines ist ihm wichtig:
"Wir können die Stadt mit Chrom und Glas verändern, mit neuen Gesichtern - aber es darf dafür niemand vertrieben werden.”
Vielleicht gelingt das sogar. Vielleicht werden auch noch in fünf Jahren Obdachlose Teile der Eddy Street bevölkern und junge Technies in ihrer Mittagspause auf dem Weg ins Restaurant ihrer Wahl an der Suppenküche vorbeilaufen. Aber vielleicht hat der Verdrängungswettbewerb schon längst begonnen.