Utopien in Politik, Gesellschaft und Kunst

    Welche anderen Welten sind möglich?

    Ausschnitt aus "Paradies", dem Mittelportal des Triptychons "Der Garten der Lüste" von Hieronymus Bosch (um 1450−1516)
    Ausschnitt aus "Paradies", dem Mittelportal des Triptychons "Der Garten der Lüste" von Hieronymus Bosch (um 1450−1516) © Bild: Imago
    Von Robert Brammer |
    1516 entwarf Thomas Morus in dem Buch "Utopia" das Bild einer idealen Gesellschaft. Wir fragen 500 Jahre später: Was ist aus der Vision des englischen Humanisten geworden? Antworten gibt unser Themenschwerpunkt "Zukunft denken".
    "Die Natur hat uns alle aus demselben Holz geschnitzt, damit einer in dem anderen ein Ebenbild, besser: seinen Bruder erkennen kann."
    Im Jahr 1516 entwarf ein englischer Kanzler das Bild einer idealen Gesellschaft. Erschienen unter dem Titel "Utopia. Von der besten Verfassung des Staates" schildert Thomas Morus in Form eines Reiseberichts Umrisse eines gerechten Gemeinwesens. Später wird er deshalb als "Vater des utopischen Sozialismus" tituliert werden. Ob man dabei im Blick hatte, dass auf dem Inselstaat, wie ihn das Buch entwirft, auch Arbeitszwang herrscht, der das Gemeinwohl garantieren sollte; Sklaverei und Tugendwächter, die den Müßiggang unterbinden sollten?
    Dennoch hat Thomas Morus, im Hauptberuf Diplomat, Ideen entwickelt, die für seine Zeit revolutionär waren: die Abschaffung des Privateigentums, religiöse Toleranz, allgemeine Krankenversicherung, Wohlstand für alle, leichte Arbeit, ein Liebesleben ohne Konflikte, Kultur von Kindesbeinen an, eine Gesellschaft ohne Korruption …
    Thomas Morus' fiktiver Entwurf einer idealen Gesellschaft auf der friedlichen Insel Utopia ist erstaunlich aktuell – zum Beispiel seine Kritik der Ökonomie, der Todesstrafe, des Krieges oder seine Einlassungen zur Religion und zur Sterbehilfe.
    Humanist Thomas Morus
    Zeitgenössisches Porträt des englischen Humanisten Thomas Morus (1477-1535).© picture alliance / dpa / Foto: Bifab
    500 Jahre nach dem Erscheinen von "Utopia" stellt Deutschlandradio Kultur daher die Frage: Was ist aus der Vision des englischen Humanisten geworden? In einem Programmschwerpunkt vom 18. bis 27. Dezember denken wir über Utopien und Dystopien nach, diskutieren über Zerrbilder der Zukunft und stellen die Frage, ob mit der Zäsur von 1989 auch ein Ende utopischen Denkens begonnen hat. Nur selten wird heute noch darüber diskutiert, wie das, was jetzt ist, anders sein könnte – vielleicht auch weil Utopien bisweilen als totalitär diskreditiert waren.
    Heute, ein halbes Jahrtausend nach Thomas Morus, kreist der Zukunftsdiskurs vor allem um technologische Projekte, um künstliche Intelligenz oder um synthetische Biologie. Der Code des Lebens soll sich einmal redigieren lassen, als wäre er ein Word-Dokument. Soziale Fantasien dagegen werden in den Laboren von Silicon Valley zu einem Randphänomen. Das führt zu der Frage: Können technologische Durchbrüche und technische Utopien die Welt verbessern? Und werden diese technischen Utopien am Ende auch jahrhundertealte soziale Utopien ersetzen?
    Alle Bereiche des Programms greifen die Debatte auf und fragen: Wie wollen wir leben? Welche anderen Welten sind möglich? Taugen politische Utopien für ein besseres Leben? Welchen Ruf haben Utopien in unseren modernen Gesellschaften? Haben sie sich nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten womöglich erschöpft? Ist Zukunft heute noch ein utopischer Ort oder nur noch eine Hochrechnung der Gegenwart? Oder stimmt, was der Soziologe Wolf Lepenies kürzlich anmerkte: Dass nämlich die Klimakonvention von Paris alle Zeichen einer neuen zivilisatorischen Utopie in sich trage?
    Esel auf dem Dorfweg in Matavenero
    Esel auf dem Dorfweg in Matavenero© Foto: Catalina Schröder

    Sonntag, 18.12.2016

    12.30 Uhr – Die Reportage
    Abseits der Welt
    Das Aussteigerdorf Matavenero in Spanien
    Von Catalina Schröder
    13.10 Uhr – Sein und Streit
    Erwartung ohne Erwartung
    Jacques Derrida und das messianische Denken
    Von Arno Orzessek
    13.30 Uhr – Sein und Streit
    Ist die liberale Demokratie die beste aller möglichen Welten?
    Diskussion mit der Politologin Ulrike Ackermann und dem Politologen Bernd Ladwig
    14.10 Uhr – Religionen
    Das goldene Jerusalem
    Utopie in der "Apokalypse"
    Von Ralf Bei der Kellen
    14.20 Uhr – Religionen
    "Das verheißene Heil geht in Erfüllung"
    Religion und Utopie
    Interview mit dem Religionswissenschaftler Hans G. Kippenberg
    14.30 Uhr – Religionen
    Verbrecher? Gottesmänner? Scharlatane?
    Die Endzeit-Diktatur der Wiedertäufer von Münster
    Von Kirsten Serup-Bilfeldt
    14.45 Uhr – Religionen
    Das "himmlische Jerusalem" im märkischen Sand
    Joseph Weißenberg und die Johannischen Christen
    Von Stefanie Oswalt
    22.00 Uhr – Musikfeuilleton
    Der Traum vom Radio für alle
    Edward Bellamys Utopie aus dem Jahre 1887
    Von Carolin Naujocks
    Simulation des Röhrentransportsystems Hyperloop, nach Plänen des amerikanischen Unternehmers Elon Musk
    Simulation des Röhrentransportsystems Hyperloop, nach Plänen des amerikanischen Unternehmers Elon Musk© picture alliance/dpa/Foto: Elon Musk

    Montag, 19.12.2016

    7.40 Uhr – Studio 9
    "Vorbild für eine ganz neue literarische Gattung"
    Interview mit Otfried Höffe, Philosoph und Herausgeber einer neuen "Utopia"-Ausgabe im Olms Verlag
    10.19 Uhr – Lesart
    Geschichten als Möglichkeitsraum
    Interview mit der Schriftstellerin Kathrin Röggla
    10.30 Uhr – Lesart
    Possenreißers Insel-Narretei
    500 Jahre "Utopia" von Thomas Morus
    Von Arno Orzessek
    11.20 Uhr – Tonart
    Utopisten, Visionäre, Weltverbesserer
    Utopia in der Pop/Rockkultur
    Von Laf Überland
    12.40 Uhr – Studio 9
    Auf dem Luftkissen durch die Röhre
    Der Hyperloop: Eine Zukunftstechnologie aus dem Silicopn Valley
    Von Wolfgang Stuflesser
    14.07 Uhr – Kompressor
    Ein Auwald im Ihme-Zentrum
    Zukunftsvision für eine Architektur-Utopie der 60er in Hannover
    Interview mit dem Architekten und Stadtplaner Felix Rebers
    16.20 Uhr – Tonart
    Die Tanzfläche als letzte Utopie
    Utopien in der Popmusik
    Gespräch mit dem Philosophen und Sozialwissenschaftler Roger Behrens
    17.07 Uhr – Studio 9
    Feminismus als letzte große Utopie?
    Interview mit der Journalistin Elisabeth Raether
    19.30 Uhr – Zeitfragen
    Die Utopie einer Weltregierung (Teil 1)
    Von Johannes Nichelmann
    Bodenplatte mit dem Porträt von Ludwig van Beethoven (1770−1826)
    Bodenplatte mit dem Porträt von Ludwig van Beethoven (1770−1826)© dpa / picture alliance

    Dienstag, 20.12.2016

    7.40 Uhr – Studio 9
    Warum das Schlechte mehr fasziniert als das Gute
    Über das Leben mit Utopien
    Interview mit dem Philosophen Thomas Macho
    11.40 Uhr – Tonart
    Beethovens politisch-philosophischer Freiheitstraum
    Gespräch mit dem Dramaturgen Steffen Georgi (Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin)
    12.40 Uhr – Studio 9
    "Wir leben in Deutschland die Erfüllung sämtlicher Utopien"
    Utopien und Dystopien in der Literatur
    Interview mit dem Schriftsteller Thomas von Steinaecker
    17.40 Uhr – Studio 9
    "Durch Nacht zum Licht"
    Utopien in der Musik
    Von Carolin Naujocks
    19.30 Uhr – Zeitfragen
    Die Utopie einer Weltregierung (Teil 2)
    Von Johannes Nichelmann
    Lenindenkmal von Nikolai W. Tomski in Berlin
    Lenindenkmal von Nikolai W. Tomski in Berlin© picture alliance / dpa / ZB / Hubert Link

    Mittwoch, 21.12.2016

    7.20 Uhr – Politisches Feuilleton
    Die erste Öko-Utopie
    Campanellas Sonnenstadt
    Von Matthias Greffrath
    7.40 Uhr – Studio 9
    Erschöpfte Utopien nach dem Ende des Staatssozialismus 
    Interview mit dem Historiker Martin Sabrow
    17.40 Uhr – Studio 9
    Vom Paradies bis zum Albtraum
    Literarische Utopien
    Von Marten Hahn
    15.40 Uhr – Tonart
    Der weibliche Futurismus
    Interview mit Melissa Logan und Alex Murray-Leslie von der Band Chicks on Speed
    12.40 Uhr – Studio 9
    Die westdeutsche Gegenkultur 1969–1977
    Von Laf Überland
    19.07 Uhr – Zeitfragen
    Kirchtürme, Bankentürme und die Faszination der Größe
    Towers of Power: Himmlische und weltliche Hochhinausbauten
    Von Ulrich Land
    "Access Peace" (Zugang zum Frieden) war 2002 das Motto der weltgrößen Techno-Party, der Love Parade in Berlin.
    "Access Peace" (Zugang zum Frieden) war 2002 das Motto der weltgrößen Techno-Party, der Love Parade in Berlin.© dpa / picture alliance / Thomas Frey

    Donnerstag, 22.12.2016

    7.20 Uhr – Politisches Feuilleton
    Der Weg nach Utopia führt ins Nichts − Auf nach Pragmatien!
    Von Ulrike Ackermann
    7.40 Uhr – Studio 9
    Silicon Valley − Große Ideen im Rekordtempo
    Interview mit Claus Kleber, Moderator des "Heute-Journals" im ZDF
    11.20 Uhr – Tonart
    Den großen Wandel herbeitanzen
    Utopia aus den Boxen: Die Love Parade
    Von Martin Risel
    12.40 Uhr – Studio 9
    "Als Medienmarken müssen wir uns neu erfinden"
    Interview mit Kai Diekmann, Herausgeber der "Bild"-Gruppe
    14.07 Uhr – Kompressor
    Akzelerationismus − Ist Hyperbeschleunigung die Lösung?
    Interview mit der Philosophin Svenja Flaßpöhler
    15.40 Uhr – Tonart
    Galante Inder, Indianer und dazu noch Ballett
    Barock-Oper und utopische Ansätze
    Von Michael Maul
    23.34 Uhr – Fazit
    Utopien in der Architektur
    Von Marietta Schwarz
    Laborleiter Philippe Cledon sitzt im Eizelllabor im Universitätsklinikum in Tübingen bei der Eizellensuche an einem Mikroskop.
    Die Vertagung des Kinderwunsches per Eizell-Konservierung, auch Social Freezing genannt© dpa/Sebastian Kahnert

    Freitag, 23.12.2016

    7.50 Uhr – Studio 9
    Warten auf die große Politik
    Interview mit dem Soziologen Wolf Lepenies
    11.40 Uhr – Tonart
    Das utopische Potenzial von Bloch bis morgen
    Interview mit dem Musikwissenschaftler Jürg Stenzl
    12.40 Uhr – Studio 9
    Theater braucht Entschleunigung statt Events
    Von Tobi Müller
    16.20 Uhr – Tonart
    "Wir leben alle auf dem gleichen Planeten"
    Gesellschaftsutopien der kanadischen Artpop-Band Austra
    Gespräch mit Mathias Mauersberger
    19.30 Uhr – Zeitfragen Literatur
    Altern 2.0
    Von der schönen neuen Genwelt. Ein utopisches Hörstück
    Von Ulrich Woelk
    Innenansicht der Kuppel des Reichstagsgebäudes in Berlin
    Innenansicht der Kuppel des Reichstagsgebäudes in Berlin© picture alliance / dpa / Daniel Kalker

    Samstag, 24.12.2016

    7.40 Uhr – Studio 9
    Braucht die Politik Utopien?
    Interview mit Heiner Geißler (CDU)
    11.05 Uhr – Lesart
    Von der Utopie zur Dystopie. Was können wir uns wünschen?
    Interview mit der Philosophin Ágnes Heller
    Von Johannes Nichelmann
    11.20 Uhr – Lesart
    Walden oder wie man ein Buch über Generationen hinweg variiert
    Wiedergelesen: "Walden I bis III" von Henry David Thoreau
    Von Florian Felix Weyh
    11.40 Uhr – Lesart
    "Je schlimmer die Realität, desto dringender brauchen wir Utopien"
    Die Utopia-Reihe des Berliner Verlags Edition Nautilus
    Interview mit Katharina Picandet, Lektorin der Edition Nautilus

    Montag, 26.12.2016

    12.15 Uhr – Studio 9
    Großes denken und im Kleinen ausprobieren
    Das Buch "Völlig utopisch. 17 Beispiele einer besseren Welt"
    Interview mit dem Herausgeber Marc Engelhardt

    Dienstag, 27.12.2016

    00.05 Uhr – Neue Musik
    Sehnsucht nach vorn
    Vom utopischen Moment der Avantgarde
    Von Michael Rebhahn