Uwe Lehmann-Brauns: "Benns letzte Lieben"

Geschickt inszenierte Romanze

06:48 Minuten
Der deutsche Arzt, Dichter und Essayist Gottfried Benn in 1950er-Jahren.
"Benns letzte Lieben" erzählt von einer gut organisierten Affäre des Schriftstellers Gottfried Benn in seinem letzten Lebensjahr. © picture allianca / dpa / United Archives / TBM
Von Helmut Böttiger |
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Gottfried Benn hatte in seinem letzten Lebensjahr eine Affäre mit Gerda Pfau. Die Journalistin gab Benns Briefe einem Vertrauten, der sie nun in einem Buch veröffentlichte. Dieses ist zwar apart, sensationell indes nicht.
Die Sache scheint es mit sich zu bringen, dass noch heute späte Geliebte von Gottfried Benn auftauchen können. Der 1956 im Alter von 70 Jahren gestorbene "Magier", wie er sich gelegentlich selbstironisch nannte, war in den letzten zehn Jahren seines Lebens so etwas wie der aktuelle deutsche Dichterfürst, und so flogen ihm auch erstaunlich viele junge Frauenherzen zu – und das, obwohl ihn frühere Geliebte wie Mopsa Sternheim einen "Eisklotz mit hängenden Lidern" nannten.

Eine bisher noch unbekannte Affäre

Da derlei biografische Kapriolen immer Gegenstand boulevardesker Neugierde sind, ist es auch für die Benn-Forschung von Gewinn, wenn jetzt ein neues Partikelchen zu diesem Thema hinzukommt: Benn hatte nämlich in seinen letzten Lebensmonaten, seit Mitte 1955, eine bisher unbekannte Affäre mit der um 30 Jahre jüngeren Journalistin Gerda Pfau.
Cover des Buches von Uwe Lehmann-Brauns: "Benns letzte Lieben", im Hintergrund unscharf ein Briefbogen und ein Kugelschreiber.
Uwe Lehmann-Brauns: "Benns letzte Lieben"© Cover: Verbrecher-Verlag, Hintergrund: picture alliance/Bildagentur-online
Es gibt 30 Dokumente Benns, die dies zumindest atmosphärisch belegen, davon sind 17 kürzere bis ganz kurze Briefe, der Rest Postkarten und Telegramme. Von Pfau allerdings existiert keine einzige schriftliche Notiz. Sie achtete sehr darauf, dass nichts an die Öffentlichkeit dringen konnte.
Seit Ende 1945 arbeitete sie beim Westberliner "Tagesspiegel", zunächst im Feuilleton, dann als Redakteurin für Erziehungs- und Kirchenfragen – ihr Spitzname war "Himmelstaube".

"Erlaube ich mir doch, an Sie zu denken"

Erst nach ihrem Tod, so lautete die Abmachung, durfte ihr Vertrauter Uwe Lehmann-Brauns Benns Briefe an sie herausgeben. Naturgemäß gibt es in diesen Texten nichts Sensationelles oder gar Schlüpfriges zu entdecken. Benns Form erotischer Anbahnungen ist längst bekannt (hier: "Ohne Ihre morgendliche Aufstehstunde stören zu wollen, erlaube ich mir doch, hiermit an Sie zu denken").
Und auch die koketten eifersüchtigen Regungen, wenn sie nicht gleich ans Telefon zu bekommen ist, wirken routiniert: "Sie sind doch eine umschwärmte junge Frau, wie kann ich annehmen, dass Sie mir einen Nachmittag opfern!" Das Meiste wurde eh am Telefon besprochen.

Interessante Konstellation für Biografen

Für die Vielzahl von Benns potenziell noch zu erwartenden Biografen ist die Konstellation dennoch interessant. Als der Dichter Gerda Pfau ins Visier nimmt, hat er sich gerade von der ihm allzusehr zusetzenden Geliebten Ursula Ziebarth getrennt. Und bei der kühlen Germanistin Astrid Claes konnte er nie so richtig landen.
Mit der attraktiven Journalistin Pfau blieb ihm noch ein gutes halbes Jahr. Das Verhältnis war so professionell und beiderseits so gekonnt inszeniert (Benns Motto: "Gute Regie ist besser als Treue!"), dass sogar Benns Ehefrau Ilse die junge Pfau kennenlernen und mit ihr vertraut sein konnte, ohne die sexuellen Implikationen zu ahnen.
Da Benns Texte nur einen sehr geringen Raum einnehmen, hat Lehmann-Brauns, lange kulturpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, einige eigene Texte drumherum gestrickt. Das sei ihm geschenkt – er ist erkennbar von Hause aus kein Essayist.
Immerhin ist das Ganze im Kreuzberger Verbrecher-Verlag erschienen, der sich ansonsten eher anarchisch gibt, und so ist das Bändchen gleich in mehrerer Hinsicht recht apart.

Uwe Lehmann-Brauns: "Benns letzte Lieben"
Verbrecher-Verlag, Berlin 2019
111 Seiten mit Abbildungen, 24 Euro

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