Marina Münkler ist Literaturwissenschaftlerin. Sie lehrt und forscht in Dresden. Zusammen mit ihrem Mann Herfried Münkler veröffentlichte sie 2016 das vieldiskutierte Buch "Die neuen Deutschen". Zuletzt erschien "Abschied vom Abstieg – Eine Agenda für Deutschland".
Ein Fall für die Debatte um Meinungsfreiheit?
04:57 Minuten
Aufregung um den neuen Roman von Uwe Tellkamp: Verzögert der Suhrkamp-Verlag absichtlich die Veröffentlichung? Selbst wenn, wäre das kein Skandal, meint Marina Münkler. Denn jeder Verlag könne entscheiden, ob er einen Autor veröffentlicht oder nicht.
Uwe Tellkamp hat eine Fortsetzung zu seinem preisgekrönten Bestsellerroman "Der Turm" geschrieben. Seiner Aussage nach ist das Buch fertig und im Lektorat – wird aber offenbar nicht mehr in diesem Jahr, sondern erst 2021 erscheinen. Der Suhrkamp-Verlag begründet das damit, dass das Buch noch nicht fertig sei. Auf der anderen Seite gibt es Mutmaßungen, etwa in der Welt am Sonntag, es liege an möglicherweise politisch brisanten Aussagen des Schriftstellers – und der Verlag verzögere absichtlich eine Veröffentlichung.
Und wenn schon, meint die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler. "Jeder Verlag trifft permanent Entscheidungen, ob er einen Autor, eine Autorin veröffentlicht oder nicht. Also, insoweit fände ich das keinen Skandal."
Und auch keinen Angriff auf die Meinungsfreiheit. Denn Meinungsfreiheit ist eben nicht gleichbedeutend mit einem Recht auf gesellschaftliche Anerkennung: "Das ist so ein klassisches rechtes Narrativ zu sagen, die Meinungsfreiheit werde gefährdet, wenn es irgendjemanden gibt, der der eigenen Meinung widerspricht." Daran habe sich auch Tellkamp beteiligt.
"Herr Tellkamp hat sich in dieses Umfeld begeben, da hat ihn auch niemand zu genötigt. Das ist seine freie Entscheidung, kann er machen", so Münkler. "Wenn der Suhrkamp-Verlag ihn dann nicht mehr veröffentlicht - wie er das auch mit Martin Walser gemacht hat, mit, finde ich, guten verlegerischen Gründen - dann sehe ich hier das Problem nicht."
In die Diskussion geraten war Uwe Tellkamp vor allem durch eine Podiumsdiskussion zur Meinungsfreiheit im März 2018, bei der der Autor das Vorhandensein von "Gesinnungskorridoren" beklagt und behauptet hatte, fast alle Flüchtlinge seien Einwanderer in die Sozialsysteme. Außerdem gehört Tellkamp zu den Unterzeichnern der sogenannten "Charta 2017", die anlässlich der Proteste gegen die Präsenz rechter Verlage auf der Frankfurter Buchmesse mehr Meinungsfreiheit forderte.
(uko)
Weitere Themen im Gespräch mit Marina Münkler bei "Studio 9 - Der Tag mit ...": Fehlt es den Grammys an Diversität? Rechtsextreme in der Bundeswehr. Antisemitismus nach Auschwitz.