Vahrenholt nicht "als Klimaforscher ausgewiesen"
Der Vorsitzende des Deutschen Klima-Konsortiums (DKK), Jochem Marotzke, hat die Kritik des RWE-Managers Fritz Vahrenholt an Prognosen zur Erderwärmung zurückgewiesen. Die Thesen aus dessen Buch "Die kalte Sonne" seien größtenteils nicht belegt oder längst widerlegt, sagte er.
Ute Welty: Es könnte die beste Nachricht des Morgens werden: Die Klimakatastrophe fällt aus. Davon geht zumindest der RWE-Manager Fritz Vahrenholt aus in seinem neuesten Buch "Die kalte Sonne", das er auch hier in der "Ortszeit" vorgestellt hat. Vahrenholt und sein Co-Autor Sebastian Lüning haben sich die Prognosen und die Fakten vorgenommen, und sie ziehen den Schluss: Wir müssen nicht mit einer Erderwärmung rechnen, sondern mit einer leichten Erdabkühlung. Über das Buch und seine Thesen spreche ich jetzt mit Jochem Marotzke. Der Direktor des Hamburger Max-Planck-Institutes für Meteorologie ist auch der Vorsitzende des Deutschen Klima-Konsortiums. Dort haben sich zahlreiche deutsche Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen. Guten Morgen, Herr Marotzke!
Jochem Marotzke: Guten Morgen!
Welty: Für Sie ist die beste Nachricht des Tages eine ausgewachsene Ente, denn Sie sagen, es gibt die Klimaerwärmung.
Marotzke: Die Klimaerwärmung, vor allem der menschliche Einfluss darauf, sind durch viele, viele unabhängige wissenschaftliche Studien belegt. An diesen Studien haben Hunderte von Forschern teilgenommen, und an diesen Erkenntnissen kann jetzt auch das Buch von Herrn Vahrenholt und Herrn Lüning nichts ändern.
Welty: Was halten Sie dem denn entgegen?
Marotzke: Ich halte ihm entgegen, dass er seine Thesen nicht belegt zum größten Teil – viele davon sind bereits widerlegt – …
Welty: Welche zum Beispiel?
Marotzke: Zum Beispiel, dass die Modelle die natürlichen Klimaschwankungen nicht enthalten würden. Dazu bräuchte er sich nur die Modelle anzuschauen und würde es sehen. Andere Thesen, wie zum Beispiel der Zusammenhang zwischen kosmischer Strahlung und Klima, sind einfach nicht belegt, sie sind nur postuliert, aber es fehlen völlig die Belege dafür. Und andererseits gibt es sehr gut verstandene Mechanismen, die die beobachtete Erwärmung erklären und die auf den menschlichen Einfluss zurückzuführen sind. Und diese Mechanismen, die Erkenntnisse hat Herr Vahrenholt mitnichten widerlegen können.
Welty: Wissenschaft lebt ja nun mal vom Diskurs. Können Sie unter dieser Prämisse diese Aussagen trotzdem einfach ignorieren, zumal der Einfluss der Sonne auf das Klima und auch die Sonnenzyklen ja wohl doch allgemein anerkannte Fakten sind?
Marotzke: Die Sonne hat selbstverständlich einen Einfluss aufs Klima, dieser Einfluss wird auch in einer Vielzahl von Studien in der Klimaforschung untersucht. Insofern werden hier keinerlei Argumente ignoriert, sie sind ja untersucht und aufgegriffen worden, aber eben widerlegt worden beziehungsweise sie sind von Vahrenholt und Lüning belegt worden, und insofern ist es einfach unzutreffend, dass so, wie es im Buch dargestellt wird, dass die Klimaforschung gewisse Argumente ignorieren würde. Das tut sie nicht, sie hat sie untersucht, diese Argumente, und hat sie widerlegt. Aber dieser Teil wird in dem Buch überhaupt nicht aufgegriffen.
Welty: Inwieweit kann nicht sein, was nicht sein darf? Denn Vahrenholt und Lüning sind ja keine Unbekannten: Der eine war Umweltsenator in Hamburg, Vorstandsvorsitzender eines Windkraftunternehmens und ist noch bis Sommer bei RWE zuständig für die erneuerbaren Energien, und der andere ist Geologe und beschäftigt sich seit 20 Jahren mit natürlichen Umweltveränderungen.
Marotzke: Aber wie Sie bereits gesagt haben, keiner davon ist Klimaforscher, und es gibt also von unseren angelsächsischen Kollegen einen schönen Vergleich: Wenn man Probleme mit dem Herzen hat, fragt man auch keinen Zahnarzt. Der Zahnarzt mag ein hervorragender Zahnarzt sein, und trotzdem gehe ich mit Herzproblemen zu einem Kardiologen.
Welty: Wobei es große Zusammenhänge gibt zwischen Zähnen und Herzbeschwerden.
Marotzke: Das gibt es, und trotzdem, glaube ich, wissen wir alle, wo wir wann hingehen, und insofern gibt es natürlich – um das weiterzutreiben – einen Zusammenhang zwischen Energiesystemen und Klima. Das will ja auch niemand bestreiten, und trotzdem ist keiner dieser beiden in irgendeiner Weise als Klimaforscher ausgewiesen.
Welty: Es gibt außerdem einen Zusammenhang zwischen der Dramatik des Szenarios – Stichwort, die Malediven versinken, das tun sie gefühlt schon seit ungefähr 25 Jahren – und der Höhe der Zuflüsse an Forschungsgeldern.
Marotzke: Ja, es gibt natürlich diese Verschwörungstheorie, die in dem Buch auch beschworen wird. Dem halte ich eine ganz einfache Sache entgegen: Wenn tatsächlich ein Klimaforscher aufsteht und überzeugend darlegt, mit wissenschaftlich soliden Argumenten, dass wir keine weitere Erwärmung zu erwarten haben – dies also wissenschaftlich fundiert –, dieser Mensch würde mit einem Schlag weltberühmt. Er würde alle Preise einheimsen, wissenschaftliche Preise, die es gibt. Und dann soll mir jemand erzählen, dass ein Forscher sich eine solche Gelegenheit entgehen lässt. Das halte ich für absurd, diese ganzen Verschwörungstheorien.
Wissenschaft und Klimawissenschaft wird von vielen unabhängigen Wissenschaftlern gemacht, die alle versuchen, die Erkenntnis zu vermehren und natürlich auch mit ihrem Namen dafür bekannt zu werden. Wissenschaft ist keine gesteuerte Einrichtung, wo eine Losung vorgegeben wird, der dann gefolgt wird. Insofern halte ich diese ganzen Verschwörungstheorien für völlig absurd.
Welty: Die Verschwörungstheorien greifen vor allen Dingen um sich in lebhaften Diskussionen in den entsprechenden Internetforen. Inwieweit wird diese Diskussion jetzt auch politische Entscheidungsprozesse womöglich beeinflussen? Denn so ganz, ja, wie soll ich sagen, so ganz spurlos geht das ja an einem nicht vorbei.
Marotzke: Es ist richtig, dass natürlich das Buch jetzt Wellen schlägt. Ich glaube nicht, dass das langfristig Folgen haben wird, und auch, was in den Blogs gesagt wird. Letztlich kommt es dann doch auf die Qualität der Argumente an, und die Qualität der Argumente in diesem Buch lassen sehr zu wünschen übrig. Von daher wird das auch die Beziehung zwischen Entscheidungsträger und Wissenschaft nicht nachhaltig stören.
Welty: Deutschland diskutiert bei Minusgraden über die Erderwärmung, dazu Jochem Marotzke, Vorsitzender des Deutschen Klima-Konsortiums. Ich danke Ihnen!
Marotzke: Danke Ihnen! Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Jochem Marotzke: Guten Morgen!
Welty: Für Sie ist die beste Nachricht des Tages eine ausgewachsene Ente, denn Sie sagen, es gibt die Klimaerwärmung.
Marotzke: Die Klimaerwärmung, vor allem der menschliche Einfluss darauf, sind durch viele, viele unabhängige wissenschaftliche Studien belegt. An diesen Studien haben Hunderte von Forschern teilgenommen, und an diesen Erkenntnissen kann jetzt auch das Buch von Herrn Vahrenholt und Herrn Lüning nichts ändern.
Welty: Was halten Sie dem denn entgegen?
Marotzke: Ich halte ihm entgegen, dass er seine Thesen nicht belegt zum größten Teil – viele davon sind bereits widerlegt – …
Welty: Welche zum Beispiel?
Marotzke: Zum Beispiel, dass die Modelle die natürlichen Klimaschwankungen nicht enthalten würden. Dazu bräuchte er sich nur die Modelle anzuschauen und würde es sehen. Andere Thesen, wie zum Beispiel der Zusammenhang zwischen kosmischer Strahlung und Klima, sind einfach nicht belegt, sie sind nur postuliert, aber es fehlen völlig die Belege dafür. Und andererseits gibt es sehr gut verstandene Mechanismen, die die beobachtete Erwärmung erklären und die auf den menschlichen Einfluss zurückzuführen sind. Und diese Mechanismen, die Erkenntnisse hat Herr Vahrenholt mitnichten widerlegen können.
Welty: Wissenschaft lebt ja nun mal vom Diskurs. Können Sie unter dieser Prämisse diese Aussagen trotzdem einfach ignorieren, zumal der Einfluss der Sonne auf das Klima und auch die Sonnenzyklen ja wohl doch allgemein anerkannte Fakten sind?
Marotzke: Die Sonne hat selbstverständlich einen Einfluss aufs Klima, dieser Einfluss wird auch in einer Vielzahl von Studien in der Klimaforschung untersucht. Insofern werden hier keinerlei Argumente ignoriert, sie sind ja untersucht und aufgegriffen worden, aber eben widerlegt worden beziehungsweise sie sind von Vahrenholt und Lüning belegt worden, und insofern ist es einfach unzutreffend, dass so, wie es im Buch dargestellt wird, dass die Klimaforschung gewisse Argumente ignorieren würde. Das tut sie nicht, sie hat sie untersucht, diese Argumente, und hat sie widerlegt. Aber dieser Teil wird in dem Buch überhaupt nicht aufgegriffen.
Welty: Inwieweit kann nicht sein, was nicht sein darf? Denn Vahrenholt und Lüning sind ja keine Unbekannten: Der eine war Umweltsenator in Hamburg, Vorstandsvorsitzender eines Windkraftunternehmens und ist noch bis Sommer bei RWE zuständig für die erneuerbaren Energien, und der andere ist Geologe und beschäftigt sich seit 20 Jahren mit natürlichen Umweltveränderungen.
Marotzke: Aber wie Sie bereits gesagt haben, keiner davon ist Klimaforscher, und es gibt also von unseren angelsächsischen Kollegen einen schönen Vergleich: Wenn man Probleme mit dem Herzen hat, fragt man auch keinen Zahnarzt. Der Zahnarzt mag ein hervorragender Zahnarzt sein, und trotzdem gehe ich mit Herzproblemen zu einem Kardiologen.
Welty: Wobei es große Zusammenhänge gibt zwischen Zähnen und Herzbeschwerden.
Marotzke: Das gibt es, und trotzdem, glaube ich, wissen wir alle, wo wir wann hingehen, und insofern gibt es natürlich – um das weiterzutreiben – einen Zusammenhang zwischen Energiesystemen und Klima. Das will ja auch niemand bestreiten, und trotzdem ist keiner dieser beiden in irgendeiner Weise als Klimaforscher ausgewiesen.
Welty: Es gibt außerdem einen Zusammenhang zwischen der Dramatik des Szenarios – Stichwort, die Malediven versinken, das tun sie gefühlt schon seit ungefähr 25 Jahren – und der Höhe der Zuflüsse an Forschungsgeldern.
Marotzke: Ja, es gibt natürlich diese Verschwörungstheorie, die in dem Buch auch beschworen wird. Dem halte ich eine ganz einfache Sache entgegen: Wenn tatsächlich ein Klimaforscher aufsteht und überzeugend darlegt, mit wissenschaftlich soliden Argumenten, dass wir keine weitere Erwärmung zu erwarten haben – dies also wissenschaftlich fundiert –, dieser Mensch würde mit einem Schlag weltberühmt. Er würde alle Preise einheimsen, wissenschaftliche Preise, die es gibt. Und dann soll mir jemand erzählen, dass ein Forscher sich eine solche Gelegenheit entgehen lässt. Das halte ich für absurd, diese ganzen Verschwörungstheorien.
Wissenschaft und Klimawissenschaft wird von vielen unabhängigen Wissenschaftlern gemacht, die alle versuchen, die Erkenntnis zu vermehren und natürlich auch mit ihrem Namen dafür bekannt zu werden. Wissenschaft ist keine gesteuerte Einrichtung, wo eine Losung vorgegeben wird, der dann gefolgt wird. Insofern halte ich diese ganzen Verschwörungstheorien für völlig absurd.
Welty: Die Verschwörungstheorien greifen vor allen Dingen um sich in lebhaften Diskussionen in den entsprechenden Internetforen. Inwieweit wird diese Diskussion jetzt auch politische Entscheidungsprozesse womöglich beeinflussen? Denn so ganz, ja, wie soll ich sagen, so ganz spurlos geht das ja an einem nicht vorbei.
Marotzke: Es ist richtig, dass natürlich das Buch jetzt Wellen schlägt. Ich glaube nicht, dass das langfristig Folgen haben wird, und auch, was in den Blogs gesagt wird. Letztlich kommt es dann doch auf die Qualität der Argumente an, und die Qualität der Argumente in diesem Buch lassen sehr zu wünschen übrig. Von daher wird das auch die Beziehung zwischen Entscheidungsträger und Wissenschaft nicht nachhaltig stören.
Welty: Deutschland diskutiert bei Minusgraden über die Erderwärmung, dazu Jochem Marotzke, Vorsitzender des Deutschen Klima-Konsortiums. Ich danke Ihnen!
Marotzke: Danke Ihnen! Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.