Val McDermid: "1979 – Jägerin und Gejagte"

Speckbrötchen und Bombenterror

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Das Cover des Krimis von Val McDermid, "1979 – Jägerin und Gejagte. Ein Fall für Journalistin Allie Burns". Es zeigt eine Brücke über einen Fluss, im Hintergrund ist in der Stadt eine Kirche zu sehen.
© Knaur

Val McDermid

Übersetzt von Kirsten Reimers

1979 – Jägerin und GejagteDroemer Knaur, München 2022

430 Seiten

12,99 Euro

Von Thomas Wörtche |
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In ihrem neuen Krimi „1979“ unternimmt Val McDermid eine Zeitreise in das stockkonservative Schottland der frühen Thatcher-Jahre und schöpft dabei aus ihren eigenen Erfahrungen als Lokaljournalistin in Glasgow.
Mit ihrem neuen Roman "1979" geht die schottische Autorin Val McDermid zurück zu ihren eigenen Erfahrungen als Reporterin bei einer Lokalzeitung in Glasgow. Wir dürfen also durchaus autobiographische Züge bei ihrer Heldin Allie Burns vermuten, die es als Frau nicht leicht hat in der testosteronlastigen Männerwelt beim Glasgower „Clarion“.

Geldwäsche und schottische Ultranationalisten

Gut nur, dass es dort auch den Kollegen Danny gibt, der sie fair und anständig behandelt. Danny deckt einen Geldwäscheskandal auf, an dem auch sein eigener Bruder beteiligt ist. Allie Burns unterstützt Danny mit ihren brillanten Formulierungskünsten. Zusammen sind sie ein wunderbares investigatives Team. Das zeigt sich auch bei dem nächsten Coup der beiden. Es gelingt ihnen, eine kleine Gruppe schottischer Ultranationalisten zu infiltrieren, die mit Hilfe der I.R.A. auch in Schottland Bombenterror verbreiten wollen, um das „englische Joch“ abzuschütteln. Dank der journalistischen Arbeit von Allie und Burns können die eher trotteligen "Terroristen" verhaftet werden. Nur einer entkommt. Und als Allie mit Danny ihren Erfolg feiern möchte, findet sie ihren Kollegen mit eingeschlagenem Schädel in seiner Wohnung vor.

Homosexualität steht unter Strafe

"1979" – Untertitel: "Jägerin und Gejagte" – ist ein Roman, der eine Menge Zeitkolorit aufruft, hauptsächlich über Mode, Musik und Lektüre, die Burns konsumiert. Besonders auch über die Lektüre von Kriminalromanen, die auch einen kleinen Katalog der literarischen Einflüsse auf Val McDermid ergeben könnten, und über die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Zeit: Schottland ist stockkonservativ, Homosexualität steht unter Strafe, was die Lebensumstände für den schwulen Danny nicht einfach macht, und Allie Burns denkt auch nur sehr zögerlich darüber nach, ob sie möglicherweise lesbisch sei. Das Verschweigen und Verdrängen von Konfliktlagen ist für diese Gesellschaft genauso ungesund, wie die Mengen fetttriefender Speckbrötchen, die die handelnden Personen permanent in sich hineinstopfen.
Frauen werden erst einmal nicht ernstgenommen. Um sich durchzusetzen, müssen sie sich enorm anstrengen, um sich von den Männchen nicht unterbuttern zu lassen. Die Polizeimethoden sind mehr als rüde, die wirtschaftliche Situation flau. Kein Wunder, der Roman spielt an der Schwelle zur Thatcher-Ära, die atmosphärisch schon deutlich zu spüren ist

Journalistische Recherche statt Polizeiarbeit

McDermid erzählt betont langsam. Sie verzichtet fast vollständig auf Effekte, zugunsten kleinteiliger Schilderungen von Alltag. Die journalistische Recherche dominiert über die kriminalistische Aufklärung, wobei beide Methoden der Wahrheitsfindung letztendlich parallelisiert werden. Dafür braucht es konsequenterweise keine raffinierten Plot-Twist oder überraschende Pointen, vermutlich würde der Roman sogar ganz ohne Leiche funktionieren. Eine Fundgrube also für alle Menschen, die sich für den gesellschafts- und genderpolitischen Status quo Schottlands im Jahr 1979 interessieren.