Vampirinnen
Tilda Swinton als genießerische Vampirin in „Only Lovers Left Alive”. © imago images/Mary Evans/AF Archive/Soda Pictures
Beißen und beißen lassen
05:41 Minuten
Was passiert eigentlich, wenn Vampire keine Lust mehr auf menschliches Blut haben, sondern ihr Lebensexilier lieber aus Konserven konsumieren? Ganz wunderbar zeigt das Tilda Swinton in "Only Lovers Left Alive". Unsere schönsten Vampirinnenfilme.
Platz 5 - „Gruft der Vampire“ von Ray Ward Baker (1970)
Die Blutbahn war denen mit den spitzen Eckzähnen vor allem Lustkanal. So fanden Liebe und Tod ihre Synthese auf der schmalen Grenze zwischen Horror und dem Faszinosum des grenzüberschreitenden Sexes. Natürlich nicht explizit, aber darum ging es schon in den Londoner Hammer-Studios, wenn Nebel aufzieht, die Vorhänge im großen Fenster sich bewegen und… nein, nicht Auftritt Dracula, sondern der von Carmilla, gespielt von Hammer-Film-Horror-Star Ingrid Pitt.
Nicht Vampir, nein, Vampirin. Carmilla beißt die junge Laura; die ist sich hingegen sicher: „Du umarmst mich und du küsst mich.“ Originaltitel der „Gruft der Vampire“: „The Vampire Lovers“. Das Antispießige, das dem Vampirfilm innewohnt, weil es im Biss immer um Entgrenzung ging, ist eine überzeugende Haltung der „Vampir-Liebhaberinnen“.
Platz 4 - „Begierde“ von Tony Scott (1983)
Vielleicht ist dies ja das postmoderne Remake der „Gruft der Vampire“. Catherine Deneuve alias Vampirin Miriam beginnt eine sexuelle Beziehung mit Wissenschaftlerin Sarah – gespielt von Susan Sarandon -, beißt sie, macht sie zur Vampirin, die, klar, Hunger nach frischem Blut entwickelt. Und verspricht: „Ich habe dir etwas gegeben, was du dir nie erträumt hättest: das ewige Leben.“
Doch die "Moral von der Geschich" dieser Jung-Vampirin, die keine Menschen aussaugen und töten will: Was bin ich bereit für das ewige Leben zu tun, dafür, den Prozess des Alterns aufzuhalten und die Vergänglichkeit zu stoppen? In diesem Selbstoptimierungsdiskurs in „Begierde“ lernen wir: Die Vampir-Metapher ist ein Haus mit vielen Kammern.
Platz 3 - „Underworld“ von Len Wiseman (2003)
Wenn man mal den ganzen Firlefanz mit dem ewigen Kampf der Vampire gegen die Werwölfe, „Lykaner“ genannt, vergisst. Wenn man es runter bricht auf das Visuelle, dann geht es in „Underworld“ um Vampirin Kate Beckinsale (alias Selene), die im glänzenden Lack-Leder-Outfit in einer dunklen urbanen Welt – sehr dunkel – wehrbereit lustvoll die Eckzähne bleckt. Ergo: Der flatternde Umhang, den Dracula damals bei den Hammer-Studios trug, wird bei Selene verdichtet auf das Hautenge, und der Vampir-Mythos wechselt ins Fetisch-Fach.
Platz 2 – „Only Lovers Left Alive“ – Jim Jarmusch (2013)
Verspricht die Vampirin ihrem Vampir-Gatten. Adam und Eve. Blutsauger seit Beginn der Zeiten. Das Ehepaar hat sich vorgenommen, nun von Konserven zu leben, also kein Blut aus menschlichen Halsschlagadern, sondern synthetisches. So, wie in der Vampir-Pop-Serie „True Blood“. Bei Jim Jarmusch geht es um Liebe, Romantik und Vergänglichkeit, was natürlich dem Genre des Vampirfilms von Anfang an eingeschrieben war mit dem Sonnenlicht als Feind.
Aber wer mag schon ewig auf die Sonne verzichten? Tilda Swinton als Vampirin Eve feiert diese Beiß- und Schlürf-Melancholie so hinreißend verführerisch, dass man sich von ihr durchaus mal beißen lassen möchte. Apropos… sich der Vampirin hingeben, sich freiwillig von ihr beißen lassen.
Platz 1 - „Quartier de la Madeleine (8. Arrondissment)“ in „Paris, je t´aime“ von Vincenzo Natali (2006)
Der US-Tourist Elija Wood sieht am Seine-Ufer eine Vampirin – Olga Kurylenko – beim blutigen Nachtmahl. Sie stürzt sich auf ihn, beißt ihn aber nicht. Er will, dass sie ihn trinkt. Sie will nicht, er stürzt und stirbt. Sie gibt ihm ihr Vampir-Blut, so erwacht er als Vampir. Dann beißen beide sich gegenseitig in den Hals und trinken sich.
Biss der männliche Vampir – Dracula – sein weibliches Opfer, war dies immer eine hierarchische erotisch-sadistische Vereinigung. Doch hier in Paris, der Stadt der Liebe, sehnt sich der Mann nach der Vampirin. Freiheit, Gleichheit … gut, das Dritte passt hier nicht. In jedem Fall ist die Enge der bürgerlichen Welt obsolet. Und es gilt: Blut saugen und saugen lassen.