"Für Erfolg musst du einen Preis zahlen"
Das Musikgeschäft ist ihm zutiefst zuwider - und von den Medien fühlt sich der 71-jährige Musiker auf Klischees reduziert. Trotzdem hat Van Morrison ein neues Album veröffentlicht. Uns hat er erklärt, warum er ein Opfer seiner Profession ist.
"Das Musikgeschäft ist extrem feindlich. Was die Medien gerne ausblenden und weshalb die Leute nicht mitkriegen, was für einen unangenehmen Prozess man durchlaufen muss, um da weiterzukommen. Wenn du ein Album veröffentlichst, ist da keine magische Kraft, die dafür sorgt, dass alles wie von selbst passiert. Sondern du musst kämpfen. Und tust du das nicht, fällst du durchs System. Ich meine, von wie vielen Künstlern, die vor Jahren ganz groß waren, hörst du heute noch etwas? Das ist einfach so."
Das Leben als Musiker ist ein Kampf gegen Windmühlen. Meint zumindest Van Morrison, ein kleiner, korpulenter Mann mit kahlem Schädel, schlechten Zähnen und einer sehr defensiven Art. Jemand, der sich vor einem Interview Schreibproben und sämtliche Fragen seines Gegenübers vorlegen lässt, und am liebsten nur über eins reden will: "Keep Me Singing", das 36. Album seiner Karriere, auf das er allein deshalb stolz ist, weil er zu den wenigen Musikern zählt, die mit 70 noch regelmäßig neues Material veröffentlichen. Ein Arbeitsethos, das er - so Van - den Deutschen verdanke.
In den frühen 60ern habe er mit seiner ersten Band, den Monarchs, gerade bei uns eine harte Schule durchlaufen.
"Diese Clubshows haben dich Disziplin gelehrt. Also, was es heißt, hart zu arbeiten und es gleichzeitig interessant zu gestalten. Denn wenn du sieben Shows pro Abend spielst und neun an den Wochenenden, musst du schauen, dass es nicht zur Routine wird. Und ich schätze, das war die Blaupause für meine Karriere."
"Vor 42 Jahren geschrieben"
Ein Ansatz, der sich wie ein roter Faden durch das Schaffen des Nordiren zieht. Für einen immer neuen Mix aus Folk, Blues, Jazz, Soul und R&B sorgt und Albumklassiker wie "Astral Weeks", "Moondance" oder "Beautiful Vision" hervorgebracht hat.
Ob "Keep Me Singing" damit konkurrieren könne, solle der Hörer entscheiden, so Van The Man. Tatsache ist, dass er hier ganz locker zwischen den unterschiedlichen Genres pendelt, seinem Idol Bobby Bland huldigt und dabei nicht etwa wie ein Oldtimer klingt, sondern wie jemand, der mit Herz und Seele bei der Sache ist. Der Spaß an seiner Musik hat und auch schon mal tief in die Trickkiste greift – wie bei "Look Beyond The Hill", das nicht mehr ganz taufrisch ist:
"Der Instrumental-Teil wurde vor 42 Jahren geschrieben. Und ich habe ihn immer mal wieder live gespielt. In den 90ern war es die B-Seite einer Single. Aber jetzt habe ich mich entschieden, einen Text dazu zu schreiben. Einfach, weil mir plötzlich einer eingefallen ist. Es war nicht geplant, es ist einfach passiert."
"Man wird einfach stereotypisiert"
Songwriting als göttliche Eingebung, als Produkt handwerklichen Könnens und als Mittel zur Selbstverwirklichung. Wobei Van Morrison betont, dass er nie über sich, wohl aber für sich schreibe und dass viele wichtige Details schlichtweg überhört würden. Gerade von Kritiker, die nicht erkennen, wie viel Humor in seinen Stücken stecke. Etwa wenn er die Damenwelt ganz schelmisch zu seinem Wunschbrunnen lädt, oder in "Going Down To Bangor" einfach mal kompletten lyrischen Blödsinn serviert.
Das, so sagt er, sei seine Comedy-Seite. Und er verstehe nicht, warum die Leute ihn immer als mürrischen, schlechtgelaunten Grantler empfinden.
"Man wird einfach stereotypisiert. Meistens basierend auf Sachen, die vor langer Zeit passiert sind. Ich habe zum Beispiel in den 70ern ein Interview mit einem Typen von BBC2 geführt und weiß nicht mal mehr, wie er heißt. Aber es lief nicht besonders gut. Und seitdem hegt er einen Groll gegen mich. Jedes Mal, wenn er die Chance hat, etwas Negatives über mich zu sagen, tut er das auch – bis heute. Das ist der Grund, warum kaum jemand meine komische Seite kenn – selbst wenn ich sie auf der Bühne offen zeige. In den Medien wird das nie erwähnt, weil sie lieber am Miesepeter-Image festhalten. Das macht es leicht für sie. Sie müssen da keine Arbeit investieren."
"Ich hatte keine Wahl - ich brauche die Musik"
Missverstanden und auf Klischees reduziert: Van Morrison wirkt nicht gerade wie ein glücklicher Mensch. Eher wie einer, dem das Musikgeschäft zutiefst zuwider ist. Der nicht gerne im Rampenlicht steht und viel lieber etwas anderes machen würde. Das gibt er auf Nachfrage auch unumwunden zu, verrät, dass er in den 70ern schon mal für drei Jahre ausgestiegen ist – aber allein aus finanziellen Gründen rückfällig wurde. Sei es wegen schlechter Verträge aus seinen Anfangsjahren und weil er zwei Kinder im Teenager-Alter habe. Somit sei er ein Opfer seiner Profession.
"Ich bin gefangen – und das ist es, was dieses Geschäft auszeichnet. Wenn du darin erfolgreich sein willst, musst du mitspielen und einen Preis bezahlen. Eine Menge Leute sind dazu nicht bereit. Ich hingegen hatte keine Wahl – ich brauche die Musik und ich habe sie im Blut. Wobei ich das eher aus dem Blickwinkel des Jazz betrachte. Es geht eh nur darum, wie du die Dinge siehst und welche Attitüde du hast."
Mit diesen Worten greift er zu Hut und Lederjacke. Er habe noch einen Termin und ohnehin schon mehr als genug gesagt. Noch mal Danke fürs Kommen und einen guten Heimflug. Van The Man has left the building.