Vandalismus bei der documenta

"Wir betrachten die Taten als politisch motivierte Drohung"

07:19 Minuten
An einer Wand steht gesprüht: Peralta.
Eine Anspielung auf die Anführerin einer rechtsradikalen spanischen Jugendorganisation, Isabel Peralta? © documenta fifteen
Ludger Fittkau im Gespräch mit Vladimir Balzer |
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Nachdem ein Ausstellungsraum mit Parolen beschmiert wurde, hat die documenta Strafanzeige gestellt. Im Visier der Ermittlungen könnten die linken pro-israelischen „Antideutschen“ stehen - oder Rechtsradikale, sagt Hessen-Korrespondent Ludger Fittkau.
Die internationale Kunstausstellung documenta kommt nicht aus den Schlagzeilen: Erst die monatelange Debatte über Antisemitismus einiger eingeladener Künstler, nun Schmierereien in einem Ausstellungsraum des Künstlerkollektivs „Question of Funding“ aus Palästina.
Dort steht „187“ und „Peralta“ an der Wand. 187 könnte sich auf das kalifornische Strafgesetzbuch beziehen, dessen Paragraph 187 Mord behandelt. Straßengangs verwenden die Ziffer daher auch als Chiffre für eine Morddrohung. "Peralta" hingegen könnte auf die spanische Rechtsextreme Isabel Peralta verweisen.
„Wir betrachten die Taten als politisch motivierte Drohung und als ein Angriff auf uns alle“, hieß es in einer Stellungnahme der Künstlergruppe Ruangrupa, die die internationale Kunstausstellung documenta 15 kuratiert. Sie hat Strafanzeige gestellt.
Mitglieder des künstlerischen Teams der documenta fifteen. "ruangrupa": von links nach rechts: Ajeng Nurul Aini, Farid Rakun, Iswanto Hartono, Mirwan Andan, Indra Ameng, Daniella Fitria Praptono, Ade Darmawan, Julia Sarisetiati, Reza Afisina, 2019.
Das künstlerische Team der documenta 15: die Ruangrupa.© documenta fifteen / Jin Pan-Ji
Nun werde in verschiedene Richtungen ermittelt, sagt Ludger Fittkau, Landeskorrespondent in Hessen. Das attackierte Künstlerkollektiv „Question of Funding“ stehe beispielsweise bei den "Antideutschen“ stark in der Kritik. Diese politische Strömung stammt zwar aus der linken Szene, unterstützt aber im Gegensatz zu vielen Linken im Nahostkonflikt den Staat Israel, erklärt Fittkau.
Die "Antideutschen" haben die documenta-Kuratoren Ruangrupa bereits für die Einladung des palästinensischen Künstlerkollektivs kritisiert, „weil Ruangrupa mit dieser Gruppe die Boykott-Aktion gegen Israel unterstützt.“

Aktion Rechtsradikaler?

Es gebe aber auch andere Spuren, so Fittkau. Es könne sich auch um ein Solidaritätsaktion zugunsten der Rechtsradikalen Isabel Peralta handeln. „Diese ist tatsächlich erst im März am Frankfurter Flughafen von der Bundespolizei abgefangen worden, direkt wieder in den Flieger gesetzt worden, mit 'Mein Kampf' von Hitler im Gepäck und ähnliche Dinge.“
Sie wollte eigentlich in Deutschland bei verschiedenen Neonazi-Veranstaltungen auftreten. „Auch im hessischen Raum“, so Fittkau. „Das kann schon sein, dass die Szene sich für diese Zurückweisung einer ihrer Heldinnen rächt.“

Bedrohliche rechtsradikale Szene in Kassel

Angesichts des Vorfalls müssen sich nun die Künstlerinnen und Künstler der documenta fragen, ob sie ausreichend geschützt sind. Die Unsicherheit sei groß, sagt Fittkau. Vor allem die rechtsradikale Szene in Kassel sei „wirklich ernst zu nehmen“.
An Türen gesprüht steht: Pera und 187.
Diese Schmierereien hinterließen die Einbrecher.© documenta fifteen
Vor drei Jahren, am 1. Juni 2019, wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke von einem Rechtsradikalen ermordet. Außerdem ermordeten Rechtsterroristen in Kassel Halit Yozgat.

Schutz der documenta könnte kompliziert werden

Die hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn, sagte ausreichend Schutz anlässlich der Ausstellung zu: „An zu wenig Sicherheitskräften wird das sicherlich nicht scheitern."
Der Schutz der Künstlerinnen und Gäste könnte sich angesichts des documenta-Konzepts allerdings als schwierig erweisen. Geplant sei ein „großes Happening an verschiedenen Orten“, so Fittkau. Dem Publikum wolle man Diskussionen und Zusammenkünfte ermöglichen. „Wenn das alles jetzt unter diesem Sicherheitsvorbehalt steht, ist das nicht besonders gut für diese Weltkunstausstellung.“
(lkn)

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