Vandalismus oder Ikonoklasmus?

Beschädigte Kunst im öffentlichen Raum

Besucher blicken in Münster (Nordrhein-Westfalen) auf die Installation "Sketch for a Fountain" von Nicole Eisenmann. Das Exponat zeigt eine mehrfigurige Brunnenanlage mit unbekleideten Figuren aus Bronze und Gips und ist Teil der fünften Ausgabe der Zehn-Jahres-Großausstellung "Skulptur Projekte".
Die schon mehrfach beschädigte Installation "Sketch for a Fountain" von Nicole Eisenman: Eine mehrfigurige Brunnenanlage mit unbekleideten Figuren aus Bronze und Gips © picture alliance / dpa / Friso Gentsch
Marianne Wagner im Gespräch mit Anke Schäfer |
Ungeschützt auf der Straße statt abgeschirmt hinter Glas – Kunst im öffentlichen Raum ist verletzlich. Bei der Münsteraner Ausstellung "Skulpturprojekte" sind jetzt erneut Objekte beschädigt worden. Die Kuratorin Marianne Wagner warnt davor, vorschnell auf das Motiv zu schließen.
Münster ist in diesem Sommer der Ort für die "Skulpturprojekte". Alle zehn Jahre findet diese Schau statt. 35 Künstler haben ihre Werke im Stadtgelände verteilt. Die New Yorkerin Nicole Eisenman hat zum Beispiel anmutige Figuren um einen Brunnen herum in einem Park angeordnet.
Doch schon zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wurde das Werk jetzt beschädigt. Kein Einzelfall. Auch vom Beamer des japanischen Künstlers Koki Tanaka fehlt jede Spur.
Kunst im öffentlichen Raum ist verletzlich. Muss ein Künstler also damit rechnen, dass sein Werk zerstört wird? Oder kann Vandalismus sogar Teil eines künstlerischen Konzepts sein?
Die Münsteraner Kuratorin Marianne Wagner warnt im Deutschlandfunk Kultur vor voreiligen Schlüssen, was die Motivlage der Täter angeht. So wurde einer Eisenman-Figur der Kopf abgetrennt: Hier wisse man aber nicht, ob jemand die Skulptur kaputt machen oder den Kopf stehlen wollte, betont Wagner. Hinter dem Diebstahl von Beamern vermutet sie hingegen ökonomische Gründe.

Unfreiwillig mit Kunst konfrontiert

Die Kuratorin spricht vorsichtig von einer "Form der Publikumsreaktion". Im öffentlichen Raum werde das Publikum - anders als im Museum - auch unfreiwillig mit der ausgestellten Kunst konfrontiert. Als eindrucksvollsten Fall fällt ihr dazu eine "quietschgelbe Madonna" von Katharina Fritsch ein, welche die Düsseldorfer Künstlerin 1987 in einer Einkaufsstraße platziert hatte.
Die Madonna habe "im Weg" gestanden und für Irritationen gesorgt, berichtet Wagner. Sie wurde beschädigt - oder, wie es Wagner ausdrückt, "ikonoklastisch behandelt".
Andererseits gab es aber auch Menschen, die vor der Madonna Blumen ablegten oder sie mit Ketten behängten, die Figur verehrten. "Es wurden sogar Gedichte geschrieben", so Wagner. Bürger beschäftigten sich in Leserbriefen mit der Platzierung eines "religiösen Symbols an diesem Ort".
Es entzündete sich ein Konflikt, eine Diskussion: für ein Kunstwerk eine echte Erfolgsgeschichte.
(ahe)
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