"Vater der Einheit der Arbeiterklasse"
Als Wilhelm Pieck am 7. September 1960 84-jährig starb, verabschiedeten sich DDR-Regierung und Ostberliner Bevölkerung am 10. September in einem vielstündigen Staatsakt vom ersten Präsidenten des kommunistischen Deutschland.
Pieck hatte die DDR seit ihrer Gründung 1949 politisch repräsentiert, war nach Überzeugung von Partei- und Staatsführung ein untadeliger Präsident und hatte in ihren Augen ein großes historisches Verdienst: Er galt als der "Vater der Einheit der Arbeiterklasse."
"Und nun das Fahrzeug mit dem Sarg Wilhelm Piecks. Die Menschen nehmen ihre Kopfbedeckungen ab als letzten Gruß für ihren toten Präsidenten, den sie lieben, weil er einer der Ihren war. Und so manch alter Mitstreiter Wilhelm Piecks steht hier unter mir am Übertragungswagen, der ihn sicher schon lange kennt als glühenden Kämpfer für die Rechte der Arbeiterklasse, gegen Faschismus und Krieg."
Eine Momentaufnahme aus dem Staatsakt, mit dem am 10. September 1960 die DDR-Regierung und mit ihr große Teile der Ostberliner Bevölkerung vom obersten Repräsentanten des kommunistischen Deutschland Abschied nahmen. Wilhelm Pieck war nach langer Krankheit am 7. September gestorben.
Vom überwiegend farblosen Kreis der DDR-Macht-Elite hob sich Pieck in vielerlei Hinsicht ab. Er hatte Humor, war leutselig und bescheiden, hielt nicht viel vom Protokoll, redete, wie ihm der Schnabel gewachsen war, hatte immer ein offenes Ohr für die Nöte der "einfachen" Leute und war als gelernter Tischler der Vorzeige-Proletarier der DDR im höchsten Staatsamt. Dabei bewies er aber auch großes Interesse für Kunst und Literatur. Der Komponist Paul Dessau nannte ihn deshalb zu Recht einen "Freund der schönen Künste".
In den Leichenreden kamen andere Verdienste zur Sprache: Ein hoher Funktionär und Amtsträger geriet geradezu ins Schwärmen, als er sich - an den Toten gewandt - erinnerte:
"Noch heute bin ich vom Hochgefühl einer geschichtlich großen Stunde erfüllt, wenn ich daran denke, wie wir beide, lieber Wilhelm, im April 1946 mit unserem symbolischen Handschlag die politische und organisatorische Spaltung der deutschen Arbeiterklasse beendet und das alte Arbeiterlied 'Brüder in eins nun die Hände' zur Wirklichkeit wurde."
Der Schwärmer hieß Otto Grotewohl, war Politbüro-Mitglied und DDR-Ministerpräsident und hatte namens der SPD in der Sowjetzone die Hand zur Zwangsvereinigung mit der KPD gereicht, der sich die von Kurt Schumacher geführte West-SPD vehement verweigert hatte.
Motor dieser Zwangsvereinigung und Erfüllungsgehilfe der sowjetischen Militäradministration war Wilhelm Pieck gewesen. In der sowjetischen Doppelstrategie zum Zweck der Fusion der beiden Arbeiterparteien in der Ostzone fiel ihm der Part des verständnisvollen Werbers zu, wohingegen die Russen ganz unzimperlich mit List, Drohung und Gewalt Druck machten. Vor dem Vereinigungsparteitag am 21. und 22. April 1946 in Ostberlin umwarb der KPD-Vorsitzende Pieck die Sozialdemokraten mit warmen Worten:
"Wir werden nicht mehr Kommunisten oder Sozialdemokraten sein, nur noch Sozialisten. (…) Jedes Nebeneinanderbestehen alter parteimäßiger Gruppen muss unter allen Umständen vermieden werden. Es ist oft die Überlegung von den Genossen von beiden Parteien angestellt worden, dass wir Altes, Liebgewordenes aufgeben müssen, Namen und Banner unserer Parteien. Aber Freunde – wir geben das nur zum Teil auf. Alles Gute werden wir übernehmen in die Sozialistische Einheitspartei."
Über das übernommene "Gute" waren viele Sozialdemokraten geteilter Meinung. Nicht wenige entzogen sich der Zwangsverbindung durch Flucht in den Westen. Andere, geblendet vom Traumziel der Wiedervereinigung der Arbeiterklasse, machten zunächst mit, bis sie ihre schleichende Entmachtung gewahr wurden, sich entweder anpassten oder verstummten oder doch noch den Weg in den Westen fanden.
Wilhelm Pieck hingegen ging in die Annalen der kurzen Geschichte der DDR als der "Vater der Einheit der Arbeiterklasse" ein. Aber sein Präsidentenamt, das er, zweimal wiedergewählt, zur höchsten Zufriedenheit des Regimes geführt hatte, wurde schon fünf Tage nach seinem Tod abgeschafft. An seine Stelle trat ein 24-köpfiger Staatsrat nach dem Vorbild der Sowjetverfassung, den Walter Ulbricht, der Erste Sekretär des Zentralkomitees der SED, durchsetzte. Mit diesem Coup machte sich der mächtigste Mann des SED-Parteiapparates auch noch zum Staatsoberhaupt und zum Lenker des Staatsapparats.
"Und nun das Fahrzeug mit dem Sarg Wilhelm Piecks. Die Menschen nehmen ihre Kopfbedeckungen ab als letzten Gruß für ihren toten Präsidenten, den sie lieben, weil er einer der Ihren war. Und so manch alter Mitstreiter Wilhelm Piecks steht hier unter mir am Übertragungswagen, der ihn sicher schon lange kennt als glühenden Kämpfer für die Rechte der Arbeiterklasse, gegen Faschismus und Krieg."
Eine Momentaufnahme aus dem Staatsakt, mit dem am 10. September 1960 die DDR-Regierung und mit ihr große Teile der Ostberliner Bevölkerung vom obersten Repräsentanten des kommunistischen Deutschland Abschied nahmen. Wilhelm Pieck war nach langer Krankheit am 7. September gestorben.
Vom überwiegend farblosen Kreis der DDR-Macht-Elite hob sich Pieck in vielerlei Hinsicht ab. Er hatte Humor, war leutselig und bescheiden, hielt nicht viel vom Protokoll, redete, wie ihm der Schnabel gewachsen war, hatte immer ein offenes Ohr für die Nöte der "einfachen" Leute und war als gelernter Tischler der Vorzeige-Proletarier der DDR im höchsten Staatsamt. Dabei bewies er aber auch großes Interesse für Kunst und Literatur. Der Komponist Paul Dessau nannte ihn deshalb zu Recht einen "Freund der schönen Künste".
In den Leichenreden kamen andere Verdienste zur Sprache: Ein hoher Funktionär und Amtsträger geriet geradezu ins Schwärmen, als er sich - an den Toten gewandt - erinnerte:
"Noch heute bin ich vom Hochgefühl einer geschichtlich großen Stunde erfüllt, wenn ich daran denke, wie wir beide, lieber Wilhelm, im April 1946 mit unserem symbolischen Handschlag die politische und organisatorische Spaltung der deutschen Arbeiterklasse beendet und das alte Arbeiterlied 'Brüder in eins nun die Hände' zur Wirklichkeit wurde."
Der Schwärmer hieß Otto Grotewohl, war Politbüro-Mitglied und DDR-Ministerpräsident und hatte namens der SPD in der Sowjetzone die Hand zur Zwangsvereinigung mit der KPD gereicht, der sich die von Kurt Schumacher geführte West-SPD vehement verweigert hatte.
Motor dieser Zwangsvereinigung und Erfüllungsgehilfe der sowjetischen Militäradministration war Wilhelm Pieck gewesen. In der sowjetischen Doppelstrategie zum Zweck der Fusion der beiden Arbeiterparteien in der Ostzone fiel ihm der Part des verständnisvollen Werbers zu, wohingegen die Russen ganz unzimperlich mit List, Drohung und Gewalt Druck machten. Vor dem Vereinigungsparteitag am 21. und 22. April 1946 in Ostberlin umwarb der KPD-Vorsitzende Pieck die Sozialdemokraten mit warmen Worten:
"Wir werden nicht mehr Kommunisten oder Sozialdemokraten sein, nur noch Sozialisten. (…) Jedes Nebeneinanderbestehen alter parteimäßiger Gruppen muss unter allen Umständen vermieden werden. Es ist oft die Überlegung von den Genossen von beiden Parteien angestellt worden, dass wir Altes, Liebgewordenes aufgeben müssen, Namen und Banner unserer Parteien. Aber Freunde – wir geben das nur zum Teil auf. Alles Gute werden wir übernehmen in die Sozialistische Einheitspartei."
Über das übernommene "Gute" waren viele Sozialdemokraten geteilter Meinung. Nicht wenige entzogen sich der Zwangsverbindung durch Flucht in den Westen. Andere, geblendet vom Traumziel der Wiedervereinigung der Arbeiterklasse, machten zunächst mit, bis sie ihre schleichende Entmachtung gewahr wurden, sich entweder anpassten oder verstummten oder doch noch den Weg in den Westen fanden.
Wilhelm Pieck hingegen ging in die Annalen der kurzen Geschichte der DDR als der "Vater der Einheit der Arbeiterklasse" ein. Aber sein Präsidentenamt, das er, zweimal wiedergewählt, zur höchsten Zufriedenheit des Regimes geführt hatte, wurde schon fünf Tage nach seinem Tod abgeschafft. An seine Stelle trat ein 24-köpfiger Staatsrat nach dem Vorbild der Sowjetverfassung, den Walter Ulbricht, der Erste Sekretär des Zentralkomitees der SED, durchsetzte. Mit diesem Coup machte sich der mächtigste Mann des SED-Parteiapparates auch noch zum Staatsoberhaupt und zum Lenker des Staatsapparats.