"Vater Gott unser, wo hängst Du ab?"

Der Hamburger Alt-Punk Jens Rachut legt sich mit dem Allmächtigen an: In seinem auf drei Teile angelegten Hörspiel schildert er eine absurde Jagd auf den lieben Gott - und erklärt, warum Satan keinen Kuchen mag.
"Vater Gott unser, wo hängst Du ab? Wer bist Du wirklich? Wie im Himmel als auch auf Erden ... "

Jens Rachuts Gottsucher wollen keine Erleuchtung. Sie wollen Vergeltung.

"Mach ihn kalt wie im Eisfach!"

Sagt Manfred Watzke, Anwalt für alle Fragen des Transzendenten, zum Gevatter Tod. Martin Wuttke, einziger Promi auf der Besetzungsliste, spricht diese Rolle. Er ist bekannt aus Tarantinos genialem Streifen "Inglourious Basterds". Aber ein paar Unentwegte wollen Gott erst zur Verantwortung ziehen, bevor die Nachfolge geregelt wird. Zur Verantwortung für den ganzen Schlamassel aus Klimakatastrophe, Algorithmendiktatur und dass das Leben mit dem Sterben endet, das steht auch auf Gottes Sündenliste. Der betrachtet derweil seine Schöpfung mit Wohlgefallen:

"Sieh doch, die Haubentaucher in ihrem Nest. Das Weibchen im Ried, wie es den Feind mit Vogelkrach von der Brutstätte ablenkt."

An sich ja seltsam, dass einer wie der 57-jährige Theater- und Punk-Berserker Jens Rachut sich 2011 an Gott abarbeitet. War der nicht schon lange abgeschrieben? Naja, vielleicht ist sein Hörspiel so etwas wie eine Übersprunghandlung: Die Katze, vom zähnefletschenden Hund angeknurrt, putzt sich erst mal den Pelz. Ergo: Der Mensch Rachut, wie wir alle, von einer Dreifaltigkeit aus Energieknappheit, Finanzkrise und Arbeitsplatzverlagerung in die Knie gezwungen, holt die Bibel hinter der Spielekonsole hervor und schafft sich mit einer wunderbar poetischen Schimpfkanonade gegen den lieben Gott erst einmal Entlastung.

"Denn Dein Reich ist eine Sandburg in der Arktis. Deine Haltung ist nichts als ein verknoteter Zeigefinger, mit dem Du durch die Gesellschaft wackelst und Warnschilder anschraubst."

Jens Rachut fordert: Wunder jetzt! Im an Effekten reichen Hörspiel des Hamburgers mit Musik von Jens Landerschier machen sich ein paar Unverdrossene auf die Suche:

"Gottjäger ! Warum? Sie wollen einfach, dass er sich mal vorstellt und ein paar Möbel geraderückt. Maul auf, reden, kurz, knapp und klar. Wenn er auspackt, ist er fällig."

Aber Gott denkt gar nicht daran, diese rüde Einladung anzunehmen. Stattdessen reist er zum Welt-Göttertreffen auf einer Anhöhe vor Beirut. Aber auch die Kollegen sind in desolater Verfassung. Odin, Zeus, Allah und Gott reden über Klarsichtfolie, Raumspray, Erderwärmung, über all die Dinge, die sie nicht verstehen. Zeus pinkelt den anderen ins Zelt. Allah klaut Taschenmesser.

"Gott war langweilig. Er ging zum Beelzebub: Ich möchte auch mal so richtig Scheiße bauen. ( ... ) angreifen als Feldherr des Universums, den Gestirnen die Keller anzünden."

Weil der Teufel aber jede Kumpanei mit Gott ablehnt, versucht der ihn mit selbstgebackenem Zitronenkuchen zu bezirzen. Satan mag Kuchen aber nicht. Zwei nervtötende Minuten lang, die Stimme immer kurz vor dem Überschnappen, kräht Gott trotzdem die detaillierte Backanweisung. Das ist eine der absurdesten Szenen im an durchgeknallten Episoden wahrlich nicht armen Hörspiel Jens Rachuts.

"Das hier ist eine visuelle Live-Übertragung, wie Gott in die Falle geht."

Aber dass er's tun wird, ist noch nicht ausgemacht. Die Gottjäger stehen unterdessen in einer verwaisten Kirche und kontrollieren ihre Lebendfalle auf Spuren göttlicher Anwesenheit:

"Köder noch drin? Goldbarren? Nutten? Die Hollywoodschaukel? Und die beiden Flugtickets nach Sylt? Wurde irgendwas angerührt?

Nichts. Bis auf ... die Kissen von der Schaukel fehlen.

Ha, verdammt. Die wievielten waren es?

Das elfte Paar."


So unterhaltsam und überschäumend fantastisch das Hörspiel "Die Falle: Gott" von Jens Rachut auch ist, es wird nicht ganz klar, worauf er hinaus will. Seine wilden Spielszenen beziehen ihre Energie aus der gewaltigen Fallhöhe des Themas. Der Allmächtige, der Ewige, die letzte Ursache allen Seins, wie Aristoteles Gott nennt. Auf dem Weg nach unten gibt es da einiges zu zertrümmern. Und das tut Rachut auf manisch-lustvolle Weise. Dabei kann er nicht ganz der Gefahr entgehen, in der Wiederholungsfalle zu landen. Rachut jagt Gott quasi immer wieder vom Thron, wie ein rebellisches Kind, das insgeheim die Hoffnung hegt, der Chef würde vielleicht doch irgendwann mal erscheinen und donnern: Schluss jetzt mit dem ganzen Spektakel!

Besprochen von Brigitte Neumann

Jens Rachut: Die Falle: Gott
Hörspiel, Majorlabel, 11,50 Euro