Personalpolitik für Papas
Unternehmen müssen sich auf moderne Väter einstellen. Diese wollen nicht nur Ernährer sein, sondern Zeit mit ihren Kindern verbringen - und Karriere machen. Eine Unternehmensberatung unterstützt Betriebe bei einer väterorientierten Personalpolitik.
Die Kindertagesstätte "Wolkenzwerge" macht ihrem Namen alle Ehre: Sie liegt im obersten Stock des Axel-Springer-Hauses in Berlin-Kreuzberg, aus dem Fenster fällt der Blick auf eine Dachterrasse, die mit Schaukeln und Trampolin zum Spielplatz umfunktioniert wurde. Im Flur der Kita spielen ein paar Jungs gerade Fußball, drei Männer in Anzügen steuern geschickt an ihnen vorbei. Sie sind auf Einladung ihrer Unternehmen für einen Vortrag hier. Das Thema: Kindererziehung. Neben Mitarbeitern von Axel Springer sind Kollegen von der Deutschen Bahn, der Commerzbank und Sanofi gekommen.
Volker Baisch: "Den Wandel, den wir heute erleben, führt gerade dazu, dass sich Unternehmen mit der neuen Vaterrolle auseinandersetzen müssen, weil andere Wünsche, Bedürfnisse, aber auch Möglichkeiten entstehen."
Volker Baisch ist Gründer und Chef der Väter gGmbH - eine Unternehmensberatung, die darauf spezialisiert ist, Arbeitgeber bei einer Personalpolitik zu unterstützen, die sich speziell an die Väter unter ihren Beschäftigten richtet. Erster Schritt: Die Unternehmen werden Mitglied im von Volker Baisch initiierten Väternetzwerk und laden ihre Mitarbeiter mit Kindern zu Veranstaltungen wie dieser ein.
Eingeladen ist heute auch der Pädagoge Reinhard Winter - Buchautor und Experte für Jungenarbeit. Der Grundtenor seines Vortrags: Jungen brauchen klare Ansagen. Nach einer kurzen Einführung stellt Winter den Teilnehmern die Aufgabe, gemeinsam mit ihren Sitznachbarn zu überlegen, wer bei ihnen zu Hause in der Regel strenger ist: Mutter oder Vater.
Teilnehmer im Rahmen der Diskussion: "Klassiker: Der Vater ist derjenige, der eher die klaren Ansagen macht und die Mutter die verstehende. Der Vater sagte: Noch eine Folge und dann ist aber Schluss, dagegen: naja, eine Folge geht ja noch...."
Unternehmen profitieren von väterlichen Kompetenzen
Die Atmosphäre im Raum ist konzentriert, aber unverkrampft. Anzugträger mischen sich unter Männer in Pullover und Trekking-Schuhen. Einer der Teilnehmer macht sich Notizen in seinem Smart-Phone. Immer wieder gibt es Zwischenfragen: Kann ein Vater in Elternzeit eine ähnlich enge Beziehung zu seinem Kind aufbauen wie die stillende Mutter? Was tun bei der allmorgendlichen Jacken-Diskussion: Den Sohn frieren lassen, damit er selbst merkt, wie wichtig wärmende Kleidung ist oder sich doch lieber gleich durchsetzen?
Reinhard Winter im Rahmen des Vortrags: "Wenn das fehlt, das Führende im Sinne von Kontrollieren, im Sinne von Angaben machen, von Orientierung geben, dann können die Jungen - wie die Mädchen übrigens auch - keine Sicherheit gewinnen in der Beziehung und damit in sich selber. Also es ist tatsächlich etwas Notwendiges...."
Führung ist eines der Stichworte, das immer wieder fällt. Und Reinhard Winter hat sich offensichtlich auf sein heutiges Publikum eingestellt. Er zieht Parallelen zu den Herausforderungen, vor denen Führungskräfte im Wirtschaftsleben stehen.
Unternehmensberater Baisch von der Väter gGmbH hat selbst zwei Töchter – elf und 15 Jahre alt. Als er entschied in Elternzeit zu gehen, stieß er bei seinem damaligen Chef noch auf relatives Unverständnis, erinnert er sich. Doch inzwischen hätten die Unternehmen gemerkt, dass sie auf die Väter unter ihren Arbeitnehmern zugehen müssten – erstens, um sich deren Loyalität zu sichern und zweitens, um von deren Kompetenzen, die eine aktive Vaterrolle mit sich bringt, zu profitieren. Dabei sei aber wichtig, wie man die Väter anspricht.
Baisch: "Väter wollen, wenn sie sich anmelden für Kurse oder einen Workshop, einen ganz konkreten Nutzen für sich auch mitnehmen, dass sie wirklich konkrete Tipps auch kriegen, Möglichkeiten, wie sie sich im Alltag besser mit ihren Söhne also wie heute der Workshop - worum es da heute auch geht - kümmern können."
Familie endet nicht am Werkstor
Zu den Bausteinen einer väterbewussten Personalpolitik gehören auch flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Modelle und langfristig mehr Teilzeitangebote für Führungspositionen. Längst nicht alle Unternehmen aber gehen auf die Väter zu. Christoph Schittny – Vater von zwei Kindern – hat dem Vortrag begeistert zugehört. Sein Arbeitgeber allerdings will dem Väternetzwerk derzeit nicht beitreten.
Christoph Schittny: "Für mich ist es extrem wichtig, als Vater auch als Arbeitnehmer wahrgenommen zu werden. Ich bin auch gleichzeitig Führungskraft und versuche, genauso auch Väter und Mütter in ihrer Rolle als Mütter und Väter wahrzunehmen. Das Thema – altes Wort: Gleitzeit – neues Wort - Vertrauensarbeitszeit – ist ganz wichtig."
Er ist davon überzeugt, dass er und seine Mitarbeiter leistungsfähiger sind, wenn sie wissen, dass es im Betrieb zu keinem Eklat kommt, falls eines ihrer Kinder morgens mal wieder etwas länger braucht. Immerhin gibt es in seinem Unternehmen inzwischen einen Besprechungsraum mit angeschlossener Kinderecke. Dort hat er schon erfolgreich ein Vorstellungsgespräch geführt, während sein Sohn nebenan mit Lego gespielt hat.
Die Familie ende schließlich nicht am Werkstor, sagt er.