Vatikan

Kopfzerbrechen im Rathaus und 3-D auf dem Petersplatz

Der Petersdom in Rom
Der Petersdom in Rom © dpa / picture alliance / ANSA / Mario_De_Renzis
Von Thomas Migge |
Eine Woche nach Ostern herrscht in Rom der Ausnahmezustand. Dann werden zwei Päpste zu Heiligen der katholischen Kirche ernannt: Johannes Paul II. und sein Vorvorvorgänger Johannes XXIII.
"Die Organisation wird wie immer bei solchen Großveranstaltungen des Papstes auf dem Platz ablaufen. Linkerhand der Fassade der Peterskirche werden die Kardinäle und Bischöfe Platz finden, rund 1000 Personen, rechterhand dann die offiziellen Delegationen. Geistliche, die nicht direkt an der Feier teilnehmen, das werden zirka 5000 Personen sein, werden auf dem Platz vor dem Hauptaltar sitzen."
Padre Federico Lombardi ist Papst- und Vatikansprecher - und weiß, in welchen Momenten man die Dinge möglichst gelassen darstellen muss. Über die anstehende doppelte Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II. und Papst Johannes XXIII., das weiß der medienerfahrene Lombardi, muss er ganz ruhig berichten, so als es sich um eine ganz normale Papstmesse handelt. Natürlich weiß er, dass das nicht der Fall ist und dass man im Rathaus auf dem Kapitolshügel angesichts des bevorstehenden 27. April die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Roms Bürgermeister Ignazio Marino drückt sich, angesprochen auf das Megakirchenfest, sehr diplomatisch aus:
"Ich denke mir, dass man im Vatikan verstanden hat, dass wir sicherlich in dieses Mega-Event investieren wollen, aber dass dieser Tag uns auch enorme Schwierigkeiten bereiten wird."
Enorme logistische Schwierigkeiten. Mit mindestens zwei Millionen Pilgern vor allem aus Polen und Italien wird gerechnet. Und das in einer Stadt, die zum einen schon an normalen Wochentagen chaotisch ist und die zum anderen finanziell vor der Pleite steht. Es fehlen hunderte von Millionen Euro zur Finanzierung der Müllabfuhr, der städtischen Polizei, der öffentlichen Verkehrsmittel etc.
Immer wieder kommt es angesichts der Diskussionen um drastische Sparmaßnahmen im Rathaus zu tatkräftigen Zusammenstößen zwischen Lokalpolitikern.
Etwa acht Millionen Euro wird der Stadt Rom die doppelte Heiligsprechung kosten, kommt sie doch für die Bereitstellung von tausenden von chemischen Toiletten, für Absperrungen und den polizeilichen Ordnungsdienst auf, der wahrscheinlich aus 10 Tausend Polizisten bestehen wird. Acht Millionen Euro, die dem Bürgermeister schwer im Magen liegen.
Roms Geschäftsleute freuen sich hingegen auf den Tag. Sie erhoffen sich ein finanzielles Manna vom Himmel, erklärt diese Signora, die in der Nähe des Petersplatzes Devotionalien und Lederwaren feilbietet:
"Seit vergangenem Jahr herrscht hier Totalkrise. Dieses Jahr war es bisher noch schlimmer. Die Leute gucken ins Geschäft und gehen dann weiter."
Genauso sieht es dieser Geschäftsmann, der bei den vatikanischen Museen Kleidung verkauft:
"Wir machen nach der Doppel-Heiligsprechung dicht. Obwohl wir 50 Prozent Preisnachlässe machen, kauft hier doch niemand!"
Der Verband der kleinen und mittleren Unternehmen erhofft sich von der Periode zwischen Ostern und der Heiligsprechung der zwei Päpste Einnahmen von zirka 230 Millionen Euro. Soviel wie schon lange nicht mehr. Hochrechungen zufolge werden etwa 430.000 Pilger in Rom übernachten. Die Hotels sind für die Tage um den 27. April bis auf das letzte Bett ausgebucht. Hoteliers jubeln. Restaurantbesitzer erhoffen sich Einnahmen, so der Unternehmensverband, von ungefähr 32 Millionen Euro.
Man geht davon aus, dass 87 Prozent aller Pilger, die über Nacht bleiben, auch essen gehen. Im Rathaus hofft man, dass jeder Pilger während seines Romaufenthaltes mindestens 30 Euro für Museen ausgeben wird. Sollte sich diese Hoffnung bewahrheiten, wären die acht Millionen aus dem klammen Rathaus gut investiert.
Touristischer Mehrwert für die Stadt
Giacomo Galeazzi, Vatikanexperte der Tageszeitung "La Stampa" meint, dass die römischen Politiker ihr Klagen über die Kosten für das Mega-Event lassen sollten:
"Wir dürfen bei aller Kritik doch nicht vergessen, dass der Vatikan ganz generell einen touristischen Mehrwert für die Stadt darstellt."
Ein großes Event wird diese Doppel-Heiligsprechung auch für diejenigen sein, die auf dem Petersplatz keinen Platz finden oder nicht in Rom sein werden. Zum ersten Mal überhaupt wird eine Papstmesse in 3-D ausgestrahlt. Ein Joint Venture zwischen dem vatikanischen Fernsehsender Centro Televisivo Vaticano und dem Privatkanal Sky. Auch in 500 Kinos weltweit wird dieses 3-D-Spektakel ausgestrahlt. Es reicht eine entsprechende Brille und schon kann man Papa Francesco im dreidimensionalen Modus mitverfolgen. Das Vatikanfernsehen wirbt seit Tagen damit.
Die Fernsehtechniker im Vatikan versichern, dass die Heiligsprechung nur mit der Verspätung von einer tausendstel Sekunde auf der ganzen Welt am Bildschirm mitverfolgt werden kann.
Am 1. Mai 2011 sprach Papst Benedikt XVI. seinen Vorgänger aus Polen selig. Hunderttausende waren dafür nach Rom angereist.
Ernsthafte Bedenken gegen die Heiligsprechung
Das Heiligsprechungsverfahren für den polnischen Papst dauert nur kurz. Anscheinend waren sich alle entscheidenden Personen darin einige, dass Papa Wojtyla schnell zu Altarwürden gelangen sollte. Doch jetzt, pünktlich zum Mega-Event, wird bekannt, dass der Papst aus Polen während des Heiligsprechungsverfahrens nicht nur Fürsprecher hatte. Der Kirchenhistoriker Andrea Giardina kommt in seinem gerade eben erschienen Buch über "Papa Wojtyla" auf den berühmten und 2012 verstorbenen Mailänder Erzbischof und Kardinal Carlo Maria Martini zu sprechen. Der soll - so Riccardi in seinen Buch, dass sich auf Prozessunterlagen beruft, die eigentlich noch top secret sind – ernsthafte Bedenken gegen eine Heiligsprechung geäußert haben. Johannes Paul II. hätte sich, so Martini, von seinem Amt aufgrund seiner Krankheit zurückziehen müssen, um, so Martini, gravierende personelle Fehlbesetzungen zu vermeiden.
Diese Kritik wird aber die meisten Heiligsprechungspilger am 27. April nicht interessieren. Während der Seligsprechungszeremonie 2011 riefen viele von ihnen immer wieder "santo, santo", heilig, heilig, und auch "santo subito!", sofort heiligsprechen. Für viele Anhänger des polnischen Papstes war Wojtyla sofort nach seinem Tod ein Heiliger.
Dass der zweite neue Heilige, Papst Johannes XXIII., vielleicht eher als Heiliger zu betrachten wäre, hat ihm nicht geholfen: Auf seine Heiligsprechung warten seine Fans, die liberalen Kräfte in der katholischen Kirche, schon ein halbes Jahrhundert.