Mehr Licht!
In der Sixtinischen Kapelle im Vatikan war es so dunkel, dass man fast nichts von den prachtvollen Fresken sah. Helleres Licht würde den empfindlichen Farbpigmenten aber schaden. Eine deutsche Beleuchtungsfirma sollte Abhilfe schaffen - und ertüftelte ein ausgefeiltes Lichtkonzept.
Die Sixtinische Kapelle ist berühmt für ihre einzigartigen Fresken aus der Renaissance-Zeit – etwa für Michelangelos Deckengemälde "Die Erschaffung Adams". Doch in dem Museum ist es so dunkel, dass die Kunst fast verschwindet.
"Unsere Messungen haben ergeben, dass wir hier Lichtverhältnisse und Sehbedingungen vorfinden, die der Dämmerung vergleichbar sind. Das heißt, Sie können Formen und Farben gerade so wahrnehmen – aber der Glanz und die Pracht, die können Sie nicht sehen."
Der Münchner Lichtexperte Mourad Boulouednine hat die Kapelle genau untersucht. Er weiß: Der Sakralbau wird von dreißig Jahre alten Halogen-Strahlern ausgeleuchtet. Und diese Lampen dürfen nicht heller sein, damit die Fresken nicht ausbleichen. Was also tun, um mehr Licht in das Museum zu bringen – ohne der Kunst zu schaden? Boulouednine, Physiker der Leuchten-Firma Osram, griff zu speziellen LEDs. Denn die Dioden geben weder Wärme ab noch schädliches UV-Licht.
"Wir haben von den vatikanischen Laboratorien Farbpigmente bekommen, die einem Beleuchtungsstresstest ausgesetzt. Wir haben also mit der hundertfachen Beleuchtungsstärke die Pigmente jetzt über ein Jahr beleuchtet, Tag und Nacht. Wir haben also mit diesem Stresstest eine Alterung über mehrere hundert Jahre vorweggenommen, experimentell geprüft. Und deshalb ist auch die Schädigung nahezu ausgeschlossen."
Der Vatikan möchte ein warmes Licht
Die LEDs erlauben es, die Beleuchtungsstärke in der Kapelle um das Zehnfache zu erhöhen – auf bis zu 100 Lux. Das entspricht fast Wohnungslicht. Die Hightech-Lämpchen haben einen weiteren Vorteil: Ihre Farbtemperatur kann beliebig variiert werden. Der Vatikan möchte in dem Sakralraum kein kühles, bläuliches Licht – sondern rötliches Licht von rund 3000 Kelvin: ähnlich einer Glühlampe.
"Das ist dann ein etwas angenehmerer, warmer, gelblicher Farbton, der dann vorherrscht."
Die Experten optimieren nicht nur Beleuchtungsstärke und Farbtemperatur. Sie sorgen auch dafür, dass die Pigmente, die Michelangelo, Boticelli und Perugino im 16. Jahrhundert verwendet haben, möglichst originalgetreu wieder gegeben werden.
"Sehr wichtig sind die blauen Farben, weil das kirchliche Bedeutung hat. Marias Kleidung war damals meistens blau gezeigt und diese Farben sollten schön hell sein. Auf der anderen Seite: Bei jeder Farbwiedergabeuntersuchung ist die Farbe des menschlichen Gesichtes wichtig, dass man Gesichtsfarbe nicht in einer rötlichen Tönung sieht."
János Schanda von der ungarischen Universität Pannonia gilt weltweit als "Lichtpapst". Damit die Fresken maximal farbecht erstrahlen, justierte der Professor das gesamte Spektrum der neuen Lampen – durch einen besonderen Lichtmix.
"In unserem Konzept verwenden wir vier verschiedene LEDs. Eines, das warmweißes Licht emittiert. Und dazu mischen wir noch etwas Licht von einem roten, einem grünen und einem blauen LED. Und stellen die Intensität von diesen drei LEDs ebenso ein, dass man diesen optimalen Lichteindruck bekommt."
Als ob die aufgemalten Figuren einen Schritt nach vorn träten
Durch die computergestützte Lichtmischung konnten die Experten eine 95-prozentige Farbwiedergabe bei den Fresken erreichen. Mehr ist technisch kaum möglich. Die angepassten LEDs, jeweils 144, wurden zu einem Strahler gebündelt. Die Strahler, insgesamt vierzig, werden derzeit in der Kapelle auf einem Sims in zehn Meter Höhe montiert. Laut dem Münchener Physiker Boulouednine ergaben erste Tests, dass die Erschaffung Adams – wie auch die dargestellten Geschichten von Moses und Jesus – jetzt klarer, detaillierter und lebendiger wirken.
"Ich selber habe den Eindruck gehabt bei den Probebeleuchtungen, dass beispielsweise dreidimensionale Effekte, die Michelangelo beabsichtigt und dargestellt hat, jetzt erst richtig erkennbar werden. An den Wänden sind etwa Päpste in Wandnischen aufgemalt. Durch die höhere Beleuchtung sehen Sie die auf einmal, als ob die einen Schritt nach vorne treten würden."
Die deutsche Beleuchtungsfirma wird – gemäß einem neuen Vertrag mit den Vatikanischen Museen - weitere LED-Projekte im Kirchenstaat konzipieren. "Es werde Licht" soll künftig auch für religiöse Statuen, historische Wandteppiche und die Vatikanischen Gärten gelten.