Nadelkurven - Platten Made in GDR
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Die Tonträger des "VEB Deutsche Schallplatten" bezeugen die hohe künstlerische Qualität der Solisten, Sänger, Orchester und Chöre in der DDR. Außerdem sind sie einzigartige Dokumente eines avancierten Komponierens.
Die schwarzen Scheiben aus dem VEB Deutsche Schallplatten gehörten zu den wenigen Dingen, die man ohne Bedenken den Verwandten in den Westen schicken konnte, um sich für Geschenkpakete zu bedanken. Manche der besonders gefragten Exemplare gab es nur "unter dem Ladentisch", viele Musikhörer verdanken ihnen ihre frühesten musikalischen Eindrücke.
Der Gründer Ernst Busch - vom Arbeitersänger zum Firmeninhaber
Am 12. August 1946 erteilte die Sowjetische Militäradministration in Deutschland Ernst Busch die Lizenz zur Gründung der Schallplattenfirma "Lied der Zeit". Bis Ende 1947 wurden 250.000 Schallplatten fertiggestellt. Ediert wurden zeitgenössisches Liedgut (Lied der Zeit) und klassische Musik (Eterna) sowie Tanzmusik (Amiga). Ab 1950 edierte "Lied der Zeit" Schallplatten und Noten.
Ernst Busch gab von 1946 bis 1953 die Noten- und Textsammlung "Internationale Arbeiterlieder" heraus. Diese Sammlung hatte Busch bereits 1937 in Spanien als "Canciones de guerra de las Brigadas Internacionales" ediert. Schon kurze Zeit später wurde die Serie "Spanien 1936–39" verboten und die Restproduktion eingestampft; die darin enthaltene Aussage war aus stalinistischer Sichtweise zu "freiheitlich".
Nach der Enteignung
1953 wurde die "Lied der Zeit"-Schallplatten-Gesellschaft mbH in Volkseigentum umgewandelt und ging damit faktisch in Staatsbesitz über. Noch im selben Jahr trennte sich die Schallplattenproduktion von der Notenabteilung: Aus den beiden Abteilungen gingen die selbstständigen Betriebe VEB Deutsche Schallplatten und der Musikverlag VEB Lied der Zeit hervor.
Firmensitz direkt an der Berliner Mauer
Der Sitz des VEB Deutsche Schallplatten war das Reichstagspräsidentenpalais. 1961 bis 1989 grenzte das Gebäude direkt an die Berliner Mauer, welche zwischen Palais und Reichstagsgebäude verlief.
Zum Unternehmen des VEB Deutsche Schallplatten zählten fünf Studios. Man arbeitete aber speziell in den 1980er Jahren auch eng mit dem Rundfunk der DDR zusammen, der in seinen Studios ebenfalls Musikaufnahmen produzierte.
Die Produktion der Schallplatten erfolgte im Presswerk in Potsdam-Babelsberg in den ehemaligen Anlagen der Tempo Schallplatten GmbH. Die Produktion von Musik-Kassetten fand in Berlin-Johannisthal statt. Stereo-Tonträger wurden erstmals 1962 und von 1971 an dauerhaft produziert.
In den 1980er Jahren wurden auch Digital-Aufnahmen hergestellt und CDs herausgebracht, welche bei Supraphon in der damaligen CSSR gepresst wurden.
Karajan in Dresden
Die Firma war wirtschaftlich erfolgreich. So entstanden in Zusammenarbeit mit der Deutschen Grammophon oder der EMI einige Produktionen, die Devisen einspielten. Bei solchen Kooperationen zahlten die westlichen Firmen die Gagen für die Sänger und Solisten, der VEB Schallplatten kümmerte sich um die Orchester und Chöre. So entstand z.B. in den frühen 1970er Jahren eine "Meistersinger"-Produktion in der Dresdner Lukaskirche mit der Dresdner Staatskapelle und Herbert von Karajan.
Dokumente Neuer Musik in der DDR
Ab 1965 wurden bei ETERNA in der Reihe "UnM" (Unsere neue Musik), später unter dem Namen NOVA, Werke von DDR-Komponisten vorgestellt und damit auch dokumentiert, angefangen bei Hanns Eisler und Ernst Hermann Meyer bis hin zu den Protagonisten der nächsten Generation wie Georg Katzer und Friedrich Goldmann.
Abwicklung und Verkauf
Nach der Wende (1990) wurde der Betrieb in die neu gegründete Deutsche Schallplatten Berlin GmbH überführt, die auch die Rechtsnachfolge übernahm und einige Marken (z. B. Litera) weiterführte, aber auch neue Marken hervorbrachte. Im Laufe des Jahres 1991 wurden allerdings Verwertungsrechte vieler Produktionen und einiger Marken verkauft – unter anderem an die Bertelsmann Music Group und die edel music GmbH.
Stefan Amzoll hat im Jahr 2014 und 2015 einige ehemalige Mitarbeiter der einzigen Plattenfirma der DDR besucht und sie nach ihren Erinnerungen befragt. Zu Wort kommen die Tonmeister Reimar Bluth und Eberhard Hinz, die Musikwissenschaftler Jürgen Schebera und Frank Schneider und der Produktionschef Dieter-Gerhard Worm.
Wiederholung vom 5. April 2015