Veganer Schmalz aus Bohnen

Von Margarete Wohlan |
Sie sind noch eine Minderheit in Polen, aber sie werden immer mehr: Öko-Esser. Sie gründen mit Gleichgesinnten Kooperativen, die regionales Essen günstiger anbieten, oder erkunden gemeinsam die Umgebung, um Essbares zu finden.
Äpfel, Kirschen, Möhren, Kartoffeln gucken aus rund 50 Pappkartons heraus, die in selbstgezimmerten Holzregalen stehen.

"Das hier ist unser Lagerraum. Hier sind die Kisten - jeder hat seine eigene. An Gemüse und Obst bekommt jeder das Gleiche. Und wir kaufen nur das, was bei uns gerade wächst - also keine Zitrusfrüchte, weil das nicht ökologisch ist."

Tomek Sigora, 30 Jahre alt, mit schulterlangen braunen Haaren, hat eine gewöhnliche Altbauwohnung angemietet und betreibt dort eine Öko-Genossenschaft. Die Mitglieder gehören zu einer langsam, aber beständig wachsenden Nischengruppe in Polen: Es sind Öko-Fans.

"Die Produkte kommen von einem kleinen Bauernhof, 40 Kilometer von Warschau entfernt. Ist also lokal, aber nicht ökologisch, sondern konventionell angebaut. Wir würden gern ökologisch angebautes Gemüse kaufen, aber unsere Mitglieder haben nicht so viel Geld."

Vor drei Jahren hat Tomek mit Gleichgesinnten die erste Kooperative in Polen gegründet - inzwischen sind es 50 Mitglieder. Die Idee: das Geld, das jeder einzeln für Lebensmittel ausgeben würde, zusammenzulegen, um Lebensmittel besserer Qualität zu kaufen. Studenten, Künstler, aber auch Büroangestellte wie Kasia Przemicka sind dabei. Die 27-Jährige ist zum ersten Mal hier, im Blümchenkleid, die Haare zum Zopf geflochten. Sie sitzt auf einem der Sessel, auf ihren Knien eine große Kiste Erdbeeren.

"Sie sind ohne Öko-Zertifikat, aber meine Eltern kennen den Bauern schon lange. Leider lebt er 60 Kilometer von Warschau entfernt - das ist für mich für den täglichen Einkauf zu weit. Meine Eltern kaufen bei ihm regelmäßig Milch, Käse, Butter, Kartoffeln ein."

Die Ökofans knüpfen an eine Tradition an, die es in Polen vor dem Krieg gab: Hilfe zur Selbsthilfe, um sich gesund und möglichst ökologisch zu ernähren. Kasia ist an der Reihe, kauft Mehl, Zucker, Möhren, Kirschen. Die Erdbeeren sind ihr Einstiegsgeschenk.

"Ich habe schon lange nach einer Organisation wie der hier gesucht. Als wir uns letzte Woche getroffen haben, erfuhr ich, dass es heute diesen Verkauf gibt und da wollte ich mich daran beteiligen."

Drei Kilometer von der Öko-Genossenschaft entfernt, am Ufer der Weichsel. Ein Park, in dem in den Sommermonaten ein Öko-Event nach dem anderen stattfindet. Mittendrin der Marktplatz mit ökologischen und vegetarischen Produkten.

Paula Krasniewska steht hinter ihrem kleinen Holztisch, vor sich unterschiedliche Gläser, einige geöffnet, zum Probieren.

Die 25-Jährige fällt auf durch ihre bunten kurzen Haare und die schwarzen klobigen Schuhe. Viele Neugierige stehen um sie herum, kosten, nicken.

"Hirsegrütze, das Pesto aus Brennnesseln, Zucchini, Möhren, Sellerie, Petersilie. Manche fragen schon: wie, ohne Fleisch? Meistens Männer. Ihre Frauen sind da offener. Aber wenn sie probiert haben, dann sind sie überzeugt. Ich habe hier zum Beispiel Veganer-Schmalz, aus weißen Bohnen und Zwiebeln. Letztens hat eine Freundin ihrem Vater das Schmalz aufs Brot geschmiert. Er fand es super. Da sagte sie ihm: es ist aus Bohnen! Der wollte das nicht glauben."

Neben dem Öko-Markt, unter einer alten Buche, stehen Paulina und Jodie, umringt von zehn jungen Leuten. Paulina ist Polin, Jodie Amerikanerin - zusammen laden sie ein zu Spaziergängen der besonderen Art.

Die beiden Frauen bieten Touren an, durch Parks, Wiesen und verlassene Datschen, auf der Suche nach essbaren Kräutern und Pflanzen, Obst und Gemüse. Beide wohnen in Warschau und wollen mit der Natur im Einklang leben, ohne deshalb aufs Land ziehen zu müssen, erklärt die 30-jährige Paulina.

"Wir schauen herum und prüfen, auch wenn sie in der Stadt wachsen, ob sie gesund sind oder nicht."

"Die Polen denken, dass die Pflanzen vergiftet sind. Häufig fragen sie mich: Bist du sicher, dass es ungefährlich ist? Was ist mit den Flugzeugen, den Autos, den Schwermetallen?!"

Wo es welche essbaren Pflanzen in Warschau gibt und ob sie belastet sind - das wollen die beiden erforschen. Nicht, um sie zu pflücken, sondern um sie selbst anzubauen. Und das Interesse daran ist groß.

Der erste Halt nach zehn Minuten: ein verlassener Garten, Gras und Brennnesseln kniehoch, einige Sträucher und ein Baum, vor dem Jodie und Paulina stehenbleiben.

Paulina: "Das ist eine Walnuss. Ich sehe nicht, ob da wirklich eine Nuss drinnen ist . Doch ja, seht ihr? In dieser grünen Kugel steckt die Nuss."

Jodie: ""Von einem Walnussbaum können drei bis vier Familien etwas haben. Das habe ich selbst erfahren, als ich so einen Baum geerntet habe.""

Dass am Wegesrand aus vielen anderen Gärten der Duft von gebratenen polnischen Würsten und Grillfleisch weht, das stört die Teilnehmer nicht. Die Ökofans wissen, dass sie noch einen weiten Weg vor sich haben.
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