Hören Sie zum Thema auch die Glosse von Peter Zudeick:
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Dürfen vegane Schnitzel nicht mehr "Schnitzel" heißen?
Der Vegetarierbund (Vebu) ist verärgert: Wenn es nach Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt geht, sollen vegetarische und vegane Schnitzel und Würste bald nicht mehr als solche bezeichnet werden. Derlei Entscheidungen, so der Vebu, oblägen allein der Lebensmittelbuch-Kommission.
Vegane Burger, vegane Currywürste, vegane Schnitzel: Ernährungsminister Christian Schmidt will, dass solche Bezeichnungen nicht länger auf Lebensmitteletiketten drauf stehen: Denn sie seien komplett irreführend und verunsicherten die Verbraucher, sagte der CSU-Politiker der "Bild"-Zeitung. Sein Ministerium will sich für eine klare Kennzeichnung einsetzen.
Es geht nicht um ein Verbot
Da, wo kein Fleisch drin sei, soll auch nicht so getan werden, als sei welches drin, argumentiert Schmidt. Doch wie soll man die Produkte dann nennen, wenn die Namen verboten werden? Der Sprecher des Ernährungsministeriums, Jens Urban, stellte in Berlin heute klar: Minister Schmidt wolle keine Bezeichnungen verbieten.
"Ganz grundsätzlich möchte ich nochmal darauf hinweisen, dass der Minister selber in dem Interview - und wenn man es durchliest in seiner Gänze, dann wird man es auch erkennen - nicht von einer Verpflichtung für irgendetwas gesprochen hat und auch nicht von einem Verbot für irgendetwas, wenn es mit der Einschränkung, dass es bei der Kennzeichnung klar und nicht irreführend sein muss."
EU-Minister fordert klare Definition
Ernährungsminister Schmidt stößt das Thema "klare Kennzeichnung fleischloser Produkte" nicht zum ersten Mal an. Im Sommer forderte er vom zuständigen EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Andriukaitis eine europaweit klare Definition dessen, was als vegetarisch oder veganes Produkt zu verstehen sei. Im Oktober unterstrich er, dass Vegetarier und Veganer zuverlässig aus einem breiten Angebot von Lebensmitteln auswählen können sollten.
Inzwischen scheinen auch in der Tat viele Menschen hierzulande auf ein solches breites Angebot zuzugreifen. 900.000 Menschen in Deutschland leben laut dem Vegetarierbund Deutschland (Vebu) vegan. 7,8 Millionen seien Vegetarier. Das Institut für Handelsforschung in Köln untersuchte, dass der Umsatz mit vegetarischen und veganen Produkten im vergangenen Jahr um fast 26 Prozent auf 454 Millionen Euro gestiegen sei.
Deutschland ist Vegan-Europameister
In Deutschland würden auch deutlich mehr vegane Produkte in den Handel kommen als in jedem anderen europäischen Land. Laut einer Analyse des internationalen Marktforschungsinstituts Mintel war jedes zehnte neu eingeführte Produkt im Jahr 2015 vegan oder zumindest als solches gekennzeichnet. Das seien doppelt so viele wie im europaweiten Schnitt.
Laut den Marktforschern waren die meisten der neuen veganen Produkte Fleischersatz wie vegetarische Wurst, Aufschnitt und Schnitzel. Hat Ernährungsminister Schmidt also den Nerv getroffen, wenn er eine eindeutige Kennzeichnung solcher Produkte fordert?
Der Vegetarierbund zeigt sich irritiert über den Vorstoß. Till Strecker, Leiter der Politikabteilung des Verbandes:
"Dieser erneute Vorstoß in diese Richtung kommt überraschend, es gibt überhaupt keine Hinweise darauf, dass in relevantem Ausmaß Menschen aus Versehen solche Produkte kaufen, weil sie denken, es wären Fleischprodukte. Auch die Verwendung der Begriffe ist von Gerichten bestätigt worden in Deutschland. Ganz im Gegenteil, wenn man jetzt plötzlich sagt, denkt euch irgendwelche Begriffe aus, das wäre ein Problem was Verwirrung beim Käufer angeht."
Keine Irritation seitens der Kunden
Der Vebu kritisiert außerdem, dass der Ernährungsminister mit seinem Vorstoß die Arbeit der Lebensmittelbuchkommission vorwegnehme. Dieses Gremium befasst sich mit Lebensmittelbeschreibungen. Laut dem Vegetarierbund hat sich dort keine derartige strikte Position herauskristallisiert, wonach Bezeichnungen wie zum Beispiel vegetarischer Schnitzel komplett verboten werden sollten. Steht die Arbeit der Kommission also im Widerspruch zum Vorstoß des Ministers. Sprecher Jens Urban findet nicht:
"Sie dürfen die Lebensmittelbuchkommission nicht als gesetzliches Instrument verstehen, sondern ein Instrument, in dem verschiedene Beteiligte, Verbraucher, die Hersteller und der Lebensmitteleinzelhandel an praxistauglichen Bezeichnungen arbeiten und das diese Bezeichnungen nicht zuletzt ich will mal sagen als Mainstream für die Bezeichnungen herangezogen werden."
Das Gremium sei eine Art Wegweiser, und in diesem Sinne versteht sich wohl nun auch der Ernährungsminister mit seinem Verweis auf die irreführende Veggie-Currywurst.
Immer wieder sorgt das Thema fleischlose Ernährung in Deutschland für hitzige Diskussionen. Die Grünen hatten im Bundestagswahlkampf 2013 großer Ärger mit ihrer Anregung, öffentliche Kantine mögen einen fleischlosen Tag - einen Veggie Day - anbieten. Ihnen wurde vorgeworfen, Menschen bei der Ernährung bevormunden zu wollen.