TV-Propaganda in einem gleichgeschalteten Land
Vor zehn Jahren ging der Fernsehsender Telesur an den Start. Venezuelas sozialistischer Präsident Chavez wollte eine unabhängige Stimme des Südens schaffen. Zehn Jahre später ist Telesur längst zu einem ideologischen Werbesender der Regierung geworden.
So ging es einmal los vor zehn Jahren. Telesur - der Nachrichtenkanal aus Lateinamerika. Ein Gegenmodell zu CNN und der medialen Hoheit des Nordens. Der Uruguayer Aram Aharonian war Mitbegründer und damals Vize-Präsident des Senders:
"Lateinamerika wurde immer mit Augen von außen betrachtet. Und wir sind darauf trainiert, uns auch selbst so zu betrachten. Das führt zu einem großen Problem: Wir wissen selber nicht, wer wir sind."
Die Gründung von Telesur ist eng verbunden mit dem Aufstieg des linken Volkstribunen Hugo Chávez in Venezuela. Der hatte sich auf die Fahnen geschrieben, Lateinamerika neu zu vereinen. Telesur sollte da die Stimme des Südens werden – ein Projekt von Ländern wie Argentinien, Uruguay und Kuba – angeführt freilich von Venezuela. Und Chávez ging es auch darum, die Medienlandschaft in Venezuela selbst umzukrempeln. In Radio, Fernsehen und im Printbereich hatte die bürgerliche Opposition klar vernehmbare Stimmen. Telesur und andere sollten dem etwas entgegensetzen.
Allerdings: Einen Anspruch auf Distanz und Ausgewogenheit gab es schon damals auf keiner Seite. Mit der Wahl des Fernsehkanals wusste der Zuschauer, welche politische Richtung er zu sehen bekam. Zehn Jahre später. Telesur ist eine feste Größe in Venezuela und kann auch in anderen Ländern der Region gesehen werden. Allerdings: Gründungsdirektor Aram Aharonian hat sich längst enttäuscht zurückgezogen. Er beklagt, dass von einer Stimme Lateinamerikas, der Integrationsidee nicht viel geblieben sei. Stattdessen diene Telesur vor allem als internationaler Sender der venezolanischen Regierung. Und Er verweist etwa darauf, dass ein späterer Telesur-Chef zuvor Informationsminister Venezuelas war.
Weltsicht der Regierung
Im Programm gibt es stundenlange Übertragungen sozialistischer Aufmärsche, Präsident Nicolás Maduro ist mit einer eigenen Sendung auf dem Schirm von Telesur und anderen Kanälen. Und die Programmacher sind bemüht, die Weltsicht der Regierung zu verbreiten. Etwa die These, dass für den wirtschaftlichen Niedergang des sozialistischen Landes feindliche Kräfte von Innen und Außen verantwortlich seien:
"Präsident Maduro und auch unsere Recherchen belegen: Die langen Schlangen vor Supermärkten sind das Ergebnis eines Wirtschaftskrieges und von Boykottversuchen. Rechte Kräfte sind dabei, soziale Unruhe zu schaffen. Präsident Maduro hat klargestellt, dass Verräter der Revolution gefasst werden müssen, wenn sie das Land destabilisieren wollen."
Oppositionelle Medien gibt es kaum noch
So und ähnlich geht es rund um die Uhr bei Telesur. Allerdings: Ein Gegengewicht, oppositionelle Medien gibt es in Venezuela inzwischen kaum noch. In einer Art Salamitaktik haben die regierenden Sozialisten kritische Stimmen nach und nach verdrängt. Mal wurden breitflächig Sendefrequenzen entzogen, mal bekommen Zeitungen keine Devisen für Papier zugeteilt, mal werden Medien mit Strafandrohungen überhäuft.
Die Folge: Viele haben aufgegeben, nach diversen Eigentümer-Wechseln ist Venezuelas Medienlandschaft inzwischen weitgehend gleichgeschaltet – Ausnahmen wie die oppositionelle Traditionszeitung "El Nacional" dringen kaum noch durch. "Reporter ohne Grenzen" führt Venezuela auf Platz 137 von 180 Ländern auf der Rangliste der Pressefreiheit. Die venezolanische Soziologin Colette Capriles:
"Die Zensur und die Kontrolle der Medien ist so stark, dass wir in Venezuela inzwischen das Gleiche erleben wie etwa in den arabischen Ländern. Informationen laufen heute über das Internet – oder schlicht über direkte Kommunikation."
Zehn Jahre Telesur - Von der Stimme Lateinamerikas zur Propagandamaschine der Sozialisten in Venezuela.