Ver.di kritisiert Mindestlohn-Urteil
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di geht davon aus, dass das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichtes gegen den Mindestlohn in der Postbranche von der nächsten Instanz wieder gekippt wird. Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis wehrte sich zugleich gegen die Behauptung, die Einführung des Mindestlohns habe zu einer Verdrängung im Zustelldienst geführt.
Hanns Ostermann: Es war ein Urteil, dessen Konsequenzen weit reichen könnten. Das Berliner Verwaltungsgericht entschied, der Mindestlohn bei der Post darf nicht auch für die Postkonkurrenten gelten, also für jene, die einen anderen Tarifvertrag haben. TNT Post und die PIN Group hatten geklagt und Recht bekommen. Auch wenn das Arbeitsministerium jetzt in die nächste Instanz gehen will, die Postkonkurrenten begrüßten die Entscheidung, so entstehe mehr Wettbewerb. Mit völligem Unverständnis reagierte dagegen ver.di, die Dienstleistungsgewerkschaft. Stellvertretende Vorsitzende ist dort Andrea Kocsis. Guten Morgen, Frau Kocsis!
Andrea Kocsis: Guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Gehen Sie wie das Arbeitsministerium davon aus, dass das Urteil in nächster Instanz kassiert wird?
Kocsis: Wir gehen ganz fest davon aus, dass das Urteil kassiert wird, zumal die Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichtes abweicht, und deswegen sind wir ganz optimistisch, dass es dort nicht halten wird.
Ostermann: Was macht Sie da so sicher?
Kocsis: Wir sagen, das, was dort passiert ist in dieser Gerichtsverhandlung, war sozusagen ein Auftritt einer Pseudogewerkschaft, der GNBZ, mit Teilen der neuen Briefdienstleister. Vorher war eigentlich klar, dass der Tarifvertrag, den wir mit dem Arbeitgeberverband Postdienste geschlossen hatten, und der ja auch alle Bedingungen erfüllt hat, auch die 50 Prozent Tarifbindung, dass der zur Anwendung kommen sollte, und wir betrachten das jetzt nur als ein Störfeuer.
Ostermann: Aber ist das Urteil nicht ein Sieg für den Wettbewerb, gegen den doch letztlich niemand etwas haben dürfte?
Kocsis: Wir haben uns ja nie gegen den Wettbewerb positioniert. Wir haben immer nur gesagt, der Wettbewerb soll fair sein und soll nicht über Lohn- und Sozialdumping laufen. Auch in der Vergangenheit haben wir schon dargestellt, dass die Post immer noch wesentlich höhere Löhne zahlt, im Schnitt nämlich 16 Euro. Und deswegen glauben wir, dass es einen ausreichenden Spielraum gibt zwischen 9,80 Euro und 16 Euro, in dem sich auch die Wettbewerber dann tummeln können und in dem sich Wettbewerb abspielen kann.
Ostermann: Wenn man allerdings argumentiert, dass 9 Euro für den einen oder anderen Wettbewerber zu viel ist, dann spricht das doch auch Bände?
Kocsis: Na ja, es gibt jetzt viele, die sagen, nur die Mindestlohnentscheidung hätte dazu geführt, dass sie ihr Geschäft nicht weiter betreiben können. Wenn man der TNT glaubt und auch der PIN Group, haben sie ja im Vorfeld schon ihre Geschäftsmodelle so aufgebaut, dass sie davon ausgegangen sind, dass sie weiter Niedrigstlöhne zahlen. Betriebsräte des Springer-Konzerns haben uns gesagt, dass der Springer-Konzern für sich 4,50 Euro dauerhaft eingeplant hatte. Und wenn wir uns betrachten, was im letzten Jahr passiert ist, das heißt, dass der Markt konsolidiert wurde, dass große Einkaufstouren von den Unternehmen unternommen wurden und heute festgestellt wird, dass es eigentlich gar nicht sachdienlich war und dass das kein gutes Verteilnetz ist, dann ist es einfach, das jetzt alles auf die Frage der Mindestlöhne zu schieben. Wir glauben, da wurden von der Geschäftsidee im vergangenen Jahr schon große Fehler gemacht.
Ostermann: Die Union argumentiert jetzt, durch die Einführung der Mindestlöhne werden die Tarifverträge wertlos. Arbeitgeberpräsident Hundt spricht sogar von einem brutalen Angriff auf die Tarifautonomie. An der müsste Ihnen doch auch gelegen sein?
Kocsis: Uns ist an der Tarifautonomie natürlich gelegen, und wir freuen uns auch darüber, dass wir weiterhin Tarifpartner in vielen Bereichen und Branchen sind. Allerdings gibt es ein Problem immer da, wo Menschen in prekärer Beschäftigung arbeiten, das heißt, wo ihre Arbeitsbedingungen so schlecht sind und sie unter so hohem Druck stehen, auch persönlichem Druck, dass sie nicht getrauen, Gewerkschaftsmitglied zu werden und in Gewerkschaften einzutreten. Und für diesen Bereich brauchen wir die gesetzlichen Mindestlöhne, die wir auch weiterhin fordern, von 7,50 Euro für die Postbranche. Aber aktuell, weil es ja dort schon sozusagen einen großen Bereich gibt, der auch vorher durch Löhne, durch den Exmonopolisten Post vertreten war, brauchen wir eben höhere Löhne.
Ostermann: Frau Kocsis, nach dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts, welche Folgen sehen Sie jetzt für die anderen Branchen, die auch über den Mindestlohn diskutieren, zum Beispiel für die Zeitarbeitsbranche?
Kocsis: In der Zeitarbeitsbranche gibt es ja auch schon Tendenzen, dass dort versucht wird, das, was wir verhandeln, oder was wir verhandelt haben, zu unterlaufen. Im Moment haben wir diese Problematik ja an vielen Stellen, dass sich kleine Verbände oder Organisationen, ich mag sie gar nicht Gewerkschaften nennen, dazu hergeben, mit Arbeitgeberverbänden niedrigere Tarifverträge abzuschließen, um das, was wir mit unserer tatsächlichen Durchsetzungsfähigkeit in den Betrieben erreichen können, zu unterlaufen. Wir werden uns dieses Themas noch mal widmen müssen, da sind wir auch mit dem Bundesarbeitsministerium in Gesprächen. Und wir müssen uns ganz konkret der Frage widmen, kann eigentlich in diesem Land jeder, der möchte, Tarifverhandlungen führen und Tarifverträge abschließen.
Ostermann: Wie wollen Sie das verhindern?
Kocsis: Wir sind dabei zu prüfen, ob wir bei der einen oder anderen sogenannten Gewerkschaft die Gewerkschaftsfähigkeit beziehungsweise überprüfen, ob es sich tatsächlich um eine Gewerkschaft handelt, ob sie durchsetzungsfähig ist. Das ist nämlich in den meisten Fällen nicht so. Ich sage mal, die Gewerkschaft GNBZ hat 1300 Mitglieder bei viel mehr Beschäftigten. Dort wagen wir es zu bezweifeln, dass sie sich durchsetzen könnte in echt, wenn es in echt um Tarifverhandlungen geht. Und das werden wir auch bei anderen Organisationen in die Wege leiten.
Andrea Kocsis: Guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Gehen Sie wie das Arbeitsministerium davon aus, dass das Urteil in nächster Instanz kassiert wird?
Kocsis: Wir gehen ganz fest davon aus, dass das Urteil kassiert wird, zumal die Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichtes abweicht, und deswegen sind wir ganz optimistisch, dass es dort nicht halten wird.
Ostermann: Was macht Sie da so sicher?
Kocsis: Wir sagen, das, was dort passiert ist in dieser Gerichtsverhandlung, war sozusagen ein Auftritt einer Pseudogewerkschaft, der GNBZ, mit Teilen der neuen Briefdienstleister. Vorher war eigentlich klar, dass der Tarifvertrag, den wir mit dem Arbeitgeberverband Postdienste geschlossen hatten, und der ja auch alle Bedingungen erfüllt hat, auch die 50 Prozent Tarifbindung, dass der zur Anwendung kommen sollte, und wir betrachten das jetzt nur als ein Störfeuer.
Ostermann: Aber ist das Urteil nicht ein Sieg für den Wettbewerb, gegen den doch letztlich niemand etwas haben dürfte?
Kocsis: Wir haben uns ja nie gegen den Wettbewerb positioniert. Wir haben immer nur gesagt, der Wettbewerb soll fair sein und soll nicht über Lohn- und Sozialdumping laufen. Auch in der Vergangenheit haben wir schon dargestellt, dass die Post immer noch wesentlich höhere Löhne zahlt, im Schnitt nämlich 16 Euro. Und deswegen glauben wir, dass es einen ausreichenden Spielraum gibt zwischen 9,80 Euro und 16 Euro, in dem sich auch die Wettbewerber dann tummeln können und in dem sich Wettbewerb abspielen kann.
Ostermann: Wenn man allerdings argumentiert, dass 9 Euro für den einen oder anderen Wettbewerber zu viel ist, dann spricht das doch auch Bände?
Kocsis: Na ja, es gibt jetzt viele, die sagen, nur die Mindestlohnentscheidung hätte dazu geführt, dass sie ihr Geschäft nicht weiter betreiben können. Wenn man der TNT glaubt und auch der PIN Group, haben sie ja im Vorfeld schon ihre Geschäftsmodelle so aufgebaut, dass sie davon ausgegangen sind, dass sie weiter Niedrigstlöhne zahlen. Betriebsräte des Springer-Konzerns haben uns gesagt, dass der Springer-Konzern für sich 4,50 Euro dauerhaft eingeplant hatte. Und wenn wir uns betrachten, was im letzten Jahr passiert ist, das heißt, dass der Markt konsolidiert wurde, dass große Einkaufstouren von den Unternehmen unternommen wurden und heute festgestellt wird, dass es eigentlich gar nicht sachdienlich war und dass das kein gutes Verteilnetz ist, dann ist es einfach, das jetzt alles auf die Frage der Mindestlöhne zu schieben. Wir glauben, da wurden von der Geschäftsidee im vergangenen Jahr schon große Fehler gemacht.
Ostermann: Die Union argumentiert jetzt, durch die Einführung der Mindestlöhne werden die Tarifverträge wertlos. Arbeitgeberpräsident Hundt spricht sogar von einem brutalen Angriff auf die Tarifautonomie. An der müsste Ihnen doch auch gelegen sein?
Kocsis: Uns ist an der Tarifautonomie natürlich gelegen, und wir freuen uns auch darüber, dass wir weiterhin Tarifpartner in vielen Bereichen und Branchen sind. Allerdings gibt es ein Problem immer da, wo Menschen in prekärer Beschäftigung arbeiten, das heißt, wo ihre Arbeitsbedingungen so schlecht sind und sie unter so hohem Druck stehen, auch persönlichem Druck, dass sie nicht getrauen, Gewerkschaftsmitglied zu werden und in Gewerkschaften einzutreten. Und für diesen Bereich brauchen wir die gesetzlichen Mindestlöhne, die wir auch weiterhin fordern, von 7,50 Euro für die Postbranche. Aber aktuell, weil es ja dort schon sozusagen einen großen Bereich gibt, der auch vorher durch Löhne, durch den Exmonopolisten Post vertreten war, brauchen wir eben höhere Löhne.
Ostermann: Frau Kocsis, nach dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts, welche Folgen sehen Sie jetzt für die anderen Branchen, die auch über den Mindestlohn diskutieren, zum Beispiel für die Zeitarbeitsbranche?
Kocsis: In der Zeitarbeitsbranche gibt es ja auch schon Tendenzen, dass dort versucht wird, das, was wir verhandeln, oder was wir verhandelt haben, zu unterlaufen. Im Moment haben wir diese Problematik ja an vielen Stellen, dass sich kleine Verbände oder Organisationen, ich mag sie gar nicht Gewerkschaften nennen, dazu hergeben, mit Arbeitgeberverbänden niedrigere Tarifverträge abzuschließen, um das, was wir mit unserer tatsächlichen Durchsetzungsfähigkeit in den Betrieben erreichen können, zu unterlaufen. Wir werden uns dieses Themas noch mal widmen müssen, da sind wir auch mit dem Bundesarbeitsministerium in Gesprächen. Und wir müssen uns ganz konkret der Frage widmen, kann eigentlich in diesem Land jeder, der möchte, Tarifverhandlungen führen und Tarifverträge abschließen.
Ostermann: Wie wollen Sie das verhindern?
Kocsis: Wir sind dabei zu prüfen, ob wir bei der einen oder anderen sogenannten Gewerkschaft die Gewerkschaftsfähigkeit beziehungsweise überprüfen, ob es sich tatsächlich um eine Gewerkschaft handelt, ob sie durchsetzungsfähig ist. Das ist nämlich in den meisten Fällen nicht so. Ich sage mal, die Gewerkschaft GNBZ hat 1300 Mitglieder bei viel mehr Beschäftigten. Dort wagen wir es zu bezweifeln, dass sie sich durchsetzen könnte in echt, wenn es in echt um Tarifverhandlungen geht. Und das werden wir auch bei anderen Organisationen in die Wege leiten.