Familienrecht

Verantwortung übernehmen, auch ohne Trauschein

Zwei ältere Frauen sitzen auf einer Bank am Wannsee.
Füreinander da sein: Bundesjustizminister Marco Buschmann nennt Senioren-WGs und sich unterstützende Alleinerziehende als Beispiele für Verantwortungsgemeinschaften. © picture alliance / dpa / dpa-Zentralbild / Monika Skolimowska
Füreinander sorgen, auch ohne Ehe - zukünftig sollen sich Menschen zu Verantwortungsgemeinschaften zusammenschließen können. Eine rechtliche Grundlage dafür will die Regierung schaffen. Wer könnte von den Plänen profitieren und wie?
Ob Wohngemeinschaft oder gute Freunde - wer auch jenseits von Ehe und Familie dauerhaft füreinander einstehen möchte, den will die Ampelregierung rechtlich absichern. Geplant ist eine sogenannte Verantwortungsgemeinschaft, das entsprechende Eckpunktepapier hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am 5. Februar vorgestellt.

Was ist eine Verantwortungsgemeinschaft?

Die Verantwortungsgemeinschaft soll eine Möglichkeit schaffen, sich auch außerhalb von Ehe und Verwandtschaftsbeziehungen rechtlich verbindlich umeinander zu kümmern. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) spricht von „Wahlverwandtschaften“ und nennt als Beispiel Senioren-WGs und sich unterstützende Alleinerziehende.
Die geplanten Regelungen sollen sich an Menschen richten, "die sich in einer Art und Weise helfen, wie es früher vielleicht nur im Familienkreis üblich gewesen wäre“ und die das Recht bisher wie Fremde behandle, so der Minister. In einer Zeit, in der traditionelle Familienstrukturen gerade im Alter nicht immer tragen würden, wachse der Bedarf an neuen Formen gegenseitiger Absicherung.
Die Pläne zur Reform des Familienrechts sind Teil des von SPD, Grünen und FDP vereinbarten Koalitionsvertrags. Die Ampelregierung will nun einen entsprechenden Entwurf formulieren und dem Bundestag vorlegen. Buschmann zufolge könnten Verantwortungsgemeinschaften schon im kommenden Jahr geschlossen werden.

Wer kann eine Verantwortungsgemeinschaft eingehen?

Bilden können Verantwortungsgemeinschaften volljährige Personen, die "ein tatsächliches persönliches Näheverhältnis zueinander haben", heißt es im Eckpunktepapier des Justizministeriums. Staatlich kontrolliert werde das Näheverhältnis nicht.
Maximal sechs Personen können sich zu einer Verantwortungsgemeinschaft zusammenschließen. Eine Ausnahme bildet die sogenannte Zugewinngemeinschaft, eine besondere Art der Verantwortungsgemeinschaft, die ausschließlich zwischen zwei nicht verheirateten Personen geschlossen werden kann.
Das Eckpunktepapier sieht vor, dass der Vertrag über eine Verantwortungsgemeinschaft von einem Notar beurkundet wird. So soll gewährleistet werden, dass alle Vertragsschließenden über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt werden, heißt es in der Skizze. Eine Änderung soll ebenso wie eine Aufhebung jederzeit möglich sein. Letzteres auch einseitig.

Welchen Unterschied gibt es zur Ehe?

Laut Justizministerium bleibt der im Grundgesetz verankerte „besondere Schutz einer Ehe“ unberührt. Die Verantwortungsgemeinschaft soll demnach nicht dieselben Privilegien haben: So soll sie keine Auswirkungen auf das Sorge-, Namens- und Erbrecht haben, sie ist nicht mit Steuererleichterungen sowie den Anspruch auf eine Aufenthaltsberechtigung oder Arbeitserlaubnis verbunden.
Im Eckpunktepapier heißt es, das Modell sei "keine Konkurrenz zur Ehe". Es handle sich um eine "sehr begrenzte rechtliche Beziehung", die dazu dienen solle, Fragen des täglichen Lebens einfacher zu regeln, so Justizminister Marco Buschmann.

Welche Rechte und Pflichten gibt es in Verantwortungsgemeinschaften?

Welche Rechte die Mitglieder einer Verantwortungsgemeinschaft haben, entscheiden diejenigen, die sie eingehen. Geplant ist ein Stufenmodell mit Grund- und Aufbaustufe. Die Grundstufe umfasst laut dem Eckpunktepapier Regelungen zur rechtlichen Betreuung und zur Organspende.
Wer darüber hinaus Verantwortung füreinander übernehmen will, kann in der Aufbaustufe aus vier beliebig miteinander kombinierbaren Modulen wählen: Das erste Modul zielt auf medizinische Notfälle und betrifft etwa das Auskunftsrecht gegenüber Ärzten.
Das zweite Modul widmet sich dem Zusammenleben und regelt zum Beispiel die gemeinsame Haushaltsführung. Modul Nummer drei umfasst die Themen Pflege sowie Fürsorge. Mit dem vierten Modul, der Zugewinngemeinschaft, lässt sich der Vermögensausgleich regeln, wenn eine Verantwortungsgemeinschaft beendet wird.

Was sind die Vorteile einer Verantwortungsgemeinschaft?

Schon heute können Menschen, die nicht miteinander verwandt oder verheiratet sind, ihre Verantwortungsübernahme vertraglich regeln. Gegenüber der bestehenden Möglichkeit, individuelle Verträge abzuschließen, biete die neuen Regelungen zwei Vorteile, so Bundesjustizminister Marco Buschmann: Es könne "alles in einem Durchgang" erledigt und vom Notar das passende Modell zusammengebaut werden.
Außerdem gebe es einen symbolischen Mehrwert: Wer eine Verantwortungsgemeinschaft eingehe, "gibt einem sozialen Verhältnis eine Struktur und einen positiven Namen", so Buschmann.

Welche Reaktionen gibt es auf die Pläne des Justizministers?

Sozialverbände unterstützen die Pläne des Justizministers. Der VdK und der Sozialverband Deutschland (SoVD) begrüßen den Vorstoß, sehen aber noch Klärungsbedarf. VdK-Chefin Verena Bentele warb gegenüber dem MDR dafür, zivilgesellschaftliche Organisationen in die Ausgestaltung des Entwurfs einzubeziehen. Rechte und vor allem Pflichten müssten klar definiert werden. Zu klären sei beispielsweise, wer für eventuelle Pflegekosten einstehe.
Auch SoVD-Vorsitzende Michaela Engelmeier bewertet das Papier grundsätzlich positiv. Sie warnt aber vor einem möglichen Missbrauch. Diesem müsse "von Anfang an ein Riegel vorgeschoben werden".
CDU und CSU kritisieren das Eckpunktepapier. Die Regeln seien überflüssig, zudem enthalte das Konzept nichts, was nicht schon heute mit Verträgen und Vollmachten geregelt werden könne, sagt die familienpolitische Sprecherin Silvia Breher.
Allerdings räumt Breher ein, nur wenige Menschen würden die bestehenden Möglichkeiten nutzen. Die durch den Vorstoß des Justizministers belebte Debatte um eine rechtliche Absicherung von Verantwortungsübernahme jenseits der Ehe sei somit durchaus erfolgreich.

irs
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