Verbraucherzentrale Bundesverband mit Atomausstieg-Beschluss zufrieden
Der Verbraucherzentrale Bundesverband begrüßt die Einigung der Bundesregierung zum Atomausstieg, mahnt aber an, noch offene Fragen zu den Ersatzkapazitäten für den Atomstrom zügig zu beantworten. Bundesverbandsvorsitzender Gerd Billen sagte, die Regierung müsse jetzt mit einem Gesetz glaubhaft machen, dass dies wirklich der endgültige Ausstieg aus der Atomkraft sei.
Gabi Wuttke: Im Deutschlandradio Kultur begrüße ich jetzt den Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband, Gerd Billen – guten Morgen!
Gerd Billen: Guten Morgen, Frau Wuttke!
Wuttke: Wie kommentieren Sie, was wir gerade gehört haben?
Billen: Ich glaube, es ist zunächst eine gute Nachricht, dass die Regierung diesen Ausstieg beschlossen hat. Allerdings würde ich auch mal abwarten, wie es im Kleingedruckten aussieht, denn ich glaube, man kann den Ausstieg schneller machen – das Umweltbundesamt hat dazu ja entsprechende Szenarien durchgespielt –, wenn der Ausbau neuer Gaskraftwerke, die Verbesserung der Netze in den nächsten Jahren zügig erfolgen.
Wuttke: Das heißt, dass die FDP dieses eine Jahr rausschlagen konnte, ist nicht unbedingt zum Wohl des Ganzen?
Billen: Nein, es ist von der Sache her nicht notwendig. Ich meine, die Ethikkommission hat ja gesagt, es soll einen Ausstieg geben aus ethischen Gründen, und er kann auch schneller erfolgen, wenn bestimmte Schritte gegangen sind. Insofern ist das Eine, die Regierung muss glaubhaft machen, dass es ein endgültiger Ausstieg ist, durch ein klares Gesetz, damit wir nicht wieder erleben, dass die Laufzeit verlängert wird. Und das Zweite, die spannende Frage ist dann, was geschieht nun in den nächsten vier, fünf Jahren bei der Stromerzeugung, bei der Verteilung, bei der Speicherung, damit wir auch endgültig aus der Atomkraft rauskommen?
Wuttke: Sie sagen ja, wir kennen alle das Kleingedruckte noch nicht – die Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert aber auch immer wieder, dass die Politik ihre Projekte nicht zu Ende denkt. Würden Sie auch jetzt schon sagen, aufgrund der Kürze der Zeit kann da vieles einfach gar nicht zu Ende gedacht worden sein?
Billen: Ja, das Zu-Ende-Denken betrifft ja eigentlich jetzt die Frage, wie geht es weiter ...
Wuttke: Eben.
Billen: ... und da ist schon mein Eindruck, man hat jetzt versucht, ganz schnell ganz viele Fragen zu lösen. Aber wo werden neue Kraftwerke gebaut? Was ist beim Leitungsausbau wirklich erforderlich, was ist nicht erforderlich. Wir haben in den letzten Wochen eine Vielzahl von Spekulationen gehört, auch was den Strompreis, die Strompreisentwicklung anbetrifft, wo ich immer gesagt habe, erst müssen alle Zahlen auf den Tisch, damit man wirklich sehen kann, was ist an welcher Stelle notwendig. Und deswegen glaube ich, die schwierige Frage, die liegt noch vor uns, nämlich in einem Zeitraum vielleicht von einem halben Jahr oder auch einem Jahr zu gucken, was ist an welcher Stelle nun zu tun.
Wuttke: Es gibt ja von interessierter Seite durchaus den Einwand, sonnenarme Wintertage ohne Wind, das könnte Deutschland in einen Ausnahmezustand versetzen, eingedenk der Tatsache – das müssen wir uns als Verbraucher ja alle noch mal ganz deutlich vor Augen halten –, dass 40 Prozent der Energie in Deutschland beim Heizen verbraucht wird. Sagen Sie nun also, man hat in der Politik jetzt nicht genau geguckt, sondern versucht, zwischen den Koalitionären auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, oder könnten wir tatsächlich sagen, das ist alles nur ein Schreckgespenst, wir kriegen das schon hin?
Billen: Es sind ja zwei verschiedene Dinge, die wir jetzt angehen müssen. Das Eine, da geht es um Strom. Wenn Atomkraftwerke abgeschaltet bleiben und abgeschaltet werden, brauchen wir Ersatzkapazitäten, denn man muss nüchtern betrachten, der Stromverbrauch der privaten Haushalte ist in den letzten Jahren nicht gesunken, obwohl viele Geräte effizienter geworden ist, und auch die Industrie braucht Strom für ihre Anliegen. Und hier brauchen wir relativ schnell ein Programm, aus dem klar wird, wir kriegen an der und der Stelle ein Gaskraftwerk, das Strom erzeugt. Denn die Abschaltdaten stehen ja nun mal fest. Das Zweite ist, was passiert im Gebäudebereich, wie können wir Öl sparen, wie können wir Gas sparen, was ist dafür zu tun. Und ich meine, die Programme, die muss man jetzt nicht über Nacht festlegen, sondern da sollte man vor allem sich mit Hausbesitzern, mit Mietern, mit Vermietern zusammen an einen Tisch setzen, eine Art Verbraucherkommission bei der Kanzlerin, um genau zu überlegen, was sind nun die Schritte, damit wir in 30 Jahren uns eigentlich keine Sorgen mehr machen müssen, wie sich der Öl- oder Gaspreis entwickelt, weil die Häuser gut gedämmt sind oder wir genug regenerative Energie nutzen können.
Wuttke: Inwiefern ist denn die Verbraucherzentrale Bundesverband von der Politik in das, was jetzt zirkuliert, was beschlossen, was diskutiert, was beraten wird, mit eingebunden worden?
Billen: Wir waren zu einem Gespräch mit Frau Merkel eingeladen, wir haben auch ein längeres Gespräch mit Herrn Röttgen geführt – also es ist schon so, dass man auf uns hört, weil man natürlich wissen will: Wie sieht es mit den Preisen aus, würden Verbraucher beim Strom höhere Preise akzeptieren, die durch den Ausstieg kommen? Und vor allem geht es aber darum, wie sind die Einsparpotenziale, sowohl bei Strom als auch bei Öl und bei Gas? Was kann Politik tun, damit Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer animiert werden, mehr zum Energiesparen zu tun? Das sind die Fragen und Themen, die wir in die Gespräche eingebracht haben.
Wuttke: Und das heißt, wir können mit Milliarden-Förderprogrammen für die Wärmedämmung und für neue Heizungen rechnen, oder geht es jetzt erst mal darum, dass wir ab sofort noch mehr sparen müssen als bislang, weil wir ja über Jahre noch unsauberen Strom aus dem Ausland werden dazukaufen müssen?
Billen: Also beim Strom schätzen wir, dass das Einsparpotenzial in den Haushalten bei ungefähr 20 Prozent liegt. Es gibt noch sehr viele alte Kühlschränke, es gibt sehr viele Heizungsumwälzpumpen, die Deutschen sind ja ein sparsames Volk, und deswegen scheuen sich auch viele, einen alten Kühlschrank einfach wegzuschmeißen und auszumustern. Ich glaube, das werden sich jetzt auch viele überlegen, wo sie im eigenen Haushalt dann entsprechenden Strom einsparen können. Schwieriger ist die Frage mit der Gebäudesanierung, also Gebäude isolieren, neue Heizkessel einbauen, neue Fenster – das sind Dinge, die mehr kosten, und da brauchen wir ein Programm, um die Verbraucher darin zu unterstützen. Das geht bei Beratung los, es wird um Steuerermäßigung gehen, um steuerliche Anreize gehen, bis hin zur Qualitätskontrolle, weil wir doch in vielen Fällen festgestellt haben, nicht überall da, wo Verbraucher viel Geld für Sanierung ausgegeben haben, sind auch tatsächlich die Einsparungen erzielt worden.
Wuttke: Die Energiewende und der Verbraucher – dazu im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur Gerd Billen, der Vorsitzende der Verbraucherzentrale Bundesverband. Vielen dank Ihnen und schönen Tag!
Billen: Danke!
Links bei dradio.de:
Koalition beschließt Atomausstieg bis 2022 -
Brennelementesteuer soll bleiben
Atomkraft (dradio.de-Sammelportal)
Gerd Billen: Guten Morgen, Frau Wuttke!
Wuttke: Wie kommentieren Sie, was wir gerade gehört haben?
Billen: Ich glaube, es ist zunächst eine gute Nachricht, dass die Regierung diesen Ausstieg beschlossen hat. Allerdings würde ich auch mal abwarten, wie es im Kleingedruckten aussieht, denn ich glaube, man kann den Ausstieg schneller machen – das Umweltbundesamt hat dazu ja entsprechende Szenarien durchgespielt –, wenn der Ausbau neuer Gaskraftwerke, die Verbesserung der Netze in den nächsten Jahren zügig erfolgen.
Wuttke: Das heißt, dass die FDP dieses eine Jahr rausschlagen konnte, ist nicht unbedingt zum Wohl des Ganzen?
Billen: Nein, es ist von der Sache her nicht notwendig. Ich meine, die Ethikkommission hat ja gesagt, es soll einen Ausstieg geben aus ethischen Gründen, und er kann auch schneller erfolgen, wenn bestimmte Schritte gegangen sind. Insofern ist das Eine, die Regierung muss glaubhaft machen, dass es ein endgültiger Ausstieg ist, durch ein klares Gesetz, damit wir nicht wieder erleben, dass die Laufzeit verlängert wird. Und das Zweite, die spannende Frage ist dann, was geschieht nun in den nächsten vier, fünf Jahren bei der Stromerzeugung, bei der Verteilung, bei der Speicherung, damit wir auch endgültig aus der Atomkraft rauskommen?
Wuttke: Sie sagen ja, wir kennen alle das Kleingedruckte noch nicht – die Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert aber auch immer wieder, dass die Politik ihre Projekte nicht zu Ende denkt. Würden Sie auch jetzt schon sagen, aufgrund der Kürze der Zeit kann da vieles einfach gar nicht zu Ende gedacht worden sein?
Billen: Ja, das Zu-Ende-Denken betrifft ja eigentlich jetzt die Frage, wie geht es weiter ...
Wuttke: Eben.
Billen: ... und da ist schon mein Eindruck, man hat jetzt versucht, ganz schnell ganz viele Fragen zu lösen. Aber wo werden neue Kraftwerke gebaut? Was ist beim Leitungsausbau wirklich erforderlich, was ist nicht erforderlich. Wir haben in den letzten Wochen eine Vielzahl von Spekulationen gehört, auch was den Strompreis, die Strompreisentwicklung anbetrifft, wo ich immer gesagt habe, erst müssen alle Zahlen auf den Tisch, damit man wirklich sehen kann, was ist an welcher Stelle notwendig. Und deswegen glaube ich, die schwierige Frage, die liegt noch vor uns, nämlich in einem Zeitraum vielleicht von einem halben Jahr oder auch einem Jahr zu gucken, was ist an welcher Stelle nun zu tun.
Wuttke: Es gibt ja von interessierter Seite durchaus den Einwand, sonnenarme Wintertage ohne Wind, das könnte Deutschland in einen Ausnahmezustand versetzen, eingedenk der Tatsache – das müssen wir uns als Verbraucher ja alle noch mal ganz deutlich vor Augen halten –, dass 40 Prozent der Energie in Deutschland beim Heizen verbraucht wird. Sagen Sie nun also, man hat in der Politik jetzt nicht genau geguckt, sondern versucht, zwischen den Koalitionären auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, oder könnten wir tatsächlich sagen, das ist alles nur ein Schreckgespenst, wir kriegen das schon hin?
Billen: Es sind ja zwei verschiedene Dinge, die wir jetzt angehen müssen. Das Eine, da geht es um Strom. Wenn Atomkraftwerke abgeschaltet bleiben und abgeschaltet werden, brauchen wir Ersatzkapazitäten, denn man muss nüchtern betrachten, der Stromverbrauch der privaten Haushalte ist in den letzten Jahren nicht gesunken, obwohl viele Geräte effizienter geworden ist, und auch die Industrie braucht Strom für ihre Anliegen. Und hier brauchen wir relativ schnell ein Programm, aus dem klar wird, wir kriegen an der und der Stelle ein Gaskraftwerk, das Strom erzeugt. Denn die Abschaltdaten stehen ja nun mal fest. Das Zweite ist, was passiert im Gebäudebereich, wie können wir Öl sparen, wie können wir Gas sparen, was ist dafür zu tun. Und ich meine, die Programme, die muss man jetzt nicht über Nacht festlegen, sondern da sollte man vor allem sich mit Hausbesitzern, mit Mietern, mit Vermietern zusammen an einen Tisch setzen, eine Art Verbraucherkommission bei der Kanzlerin, um genau zu überlegen, was sind nun die Schritte, damit wir in 30 Jahren uns eigentlich keine Sorgen mehr machen müssen, wie sich der Öl- oder Gaspreis entwickelt, weil die Häuser gut gedämmt sind oder wir genug regenerative Energie nutzen können.
Wuttke: Inwiefern ist denn die Verbraucherzentrale Bundesverband von der Politik in das, was jetzt zirkuliert, was beschlossen, was diskutiert, was beraten wird, mit eingebunden worden?
Billen: Wir waren zu einem Gespräch mit Frau Merkel eingeladen, wir haben auch ein längeres Gespräch mit Herrn Röttgen geführt – also es ist schon so, dass man auf uns hört, weil man natürlich wissen will: Wie sieht es mit den Preisen aus, würden Verbraucher beim Strom höhere Preise akzeptieren, die durch den Ausstieg kommen? Und vor allem geht es aber darum, wie sind die Einsparpotenziale, sowohl bei Strom als auch bei Öl und bei Gas? Was kann Politik tun, damit Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer animiert werden, mehr zum Energiesparen zu tun? Das sind die Fragen und Themen, die wir in die Gespräche eingebracht haben.
Wuttke: Und das heißt, wir können mit Milliarden-Förderprogrammen für die Wärmedämmung und für neue Heizungen rechnen, oder geht es jetzt erst mal darum, dass wir ab sofort noch mehr sparen müssen als bislang, weil wir ja über Jahre noch unsauberen Strom aus dem Ausland werden dazukaufen müssen?
Billen: Also beim Strom schätzen wir, dass das Einsparpotenzial in den Haushalten bei ungefähr 20 Prozent liegt. Es gibt noch sehr viele alte Kühlschränke, es gibt sehr viele Heizungsumwälzpumpen, die Deutschen sind ja ein sparsames Volk, und deswegen scheuen sich auch viele, einen alten Kühlschrank einfach wegzuschmeißen und auszumustern. Ich glaube, das werden sich jetzt auch viele überlegen, wo sie im eigenen Haushalt dann entsprechenden Strom einsparen können. Schwieriger ist die Frage mit der Gebäudesanierung, also Gebäude isolieren, neue Heizkessel einbauen, neue Fenster – das sind Dinge, die mehr kosten, und da brauchen wir ein Programm, um die Verbraucher darin zu unterstützen. Das geht bei Beratung los, es wird um Steuerermäßigung gehen, um steuerliche Anreize gehen, bis hin zur Qualitätskontrolle, weil wir doch in vielen Fällen festgestellt haben, nicht überall da, wo Verbraucher viel Geld für Sanierung ausgegeben haben, sind auch tatsächlich die Einsparungen erzielt worden.
Wuttke: Die Energiewende und der Verbraucher – dazu im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur Gerd Billen, der Vorsitzende der Verbraucherzentrale Bundesverband. Vielen dank Ihnen und schönen Tag!
Billen: Danke!
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Koalition beschließt Atomausstieg bis 2022 -
Brennelementesteuer soll bleiben
Atomkraft (dradio.de-Sammelportal)