Verdachtsfall Freie Sachsen

Die Spaziergänger mit der braunen Weste

06:37 Minuten
Blick durch eine dunkle Hauseinfahrt auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Demonstration.
Die Freien Sachsen seien eine Kaderpartei, die nicht so viele Mitglieder habe, sagt der Rechtsextrismusforscher Johannes Kiess. © picture alliance / dpa / Philipp von Ditfurth
Johannes Kiess im Gespräch mit André Hatting |
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Bei den Protesten gegen die Coronapolitik in Sachsen sind auch Mitglieder der Freien Sachsen beteiligt. Nun wird die Partei auch vom Bundesverfassungsschutz beobachtet. Sie seien vor allem für die Mobilisierung zuständig, so Soziologe Johannes Kiess.
Jeden Montag protestieren Tausende Menschen in vielen sächsischen und thüringischen Städten gegen die aktuelle Coronapolitik. Vor allem in kleineren Orten tauchen sie ohne Anmeldung auf. Einige wollen schlicht ihr Unverständnis gegenüber den Maßnahmen ausdrücken, andere zählen zu rechtsextremen Gruppen wie den Freien Sachsen und nutzen den Unmut für ihre Zwecke. Sie mobilisieren so Anhänger und Interessierte. Das funktioniert vor allem digital, aber auch auf den Straßen.
Der sächsische Verfassungsschutz hat die Freien Sachsen bereits im Sommer als rechtsextrem eingestuft. Seit dem Wochenende ist bekannt, dass auch der Bundesverfassungsschutz diese Partei als Verdachtsfall führt.
„Die Freien Sachsen sind ganz klar darauf ausgerichtet, den demokratischen Verfassungsstaat abzuschaffen“, erklärt Johannes Kiess. Aus diesem Ziel mache die Gruppe keinen Hehl. Kiess ist Soziologe und arbeitet vor allem zum Thema Rechtsextremismus am Else-Frenkel-Brunswik-Institut für Demokratieforschung an der Universität Leipzig.

Kaderpartei mit wenigen Mitgliedern

Die Partei bestehe aus bekannten Neonazis, Mitgliedern der NPD und "Pro Chemnitz" sowie Personen "aus rechtsextremen Verbünden". Bei den Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen machten die Freien Sachsen zahlenmäßig nur einen kleinen Teil aus. Sie seien eine Kaderpartei mit nicht so vielen Mitgliedern. Es gehe eher darum, für Demonstrationen und Protestaktionen zu mobilisieren und sich zu vernetzen. „Da kann ihnen niemand das Wasser reichen“, so Kiess.

Hören Sie auch die Reportage von einem Protest-„Spaziergang“ gegen die Coronamaßnahmen in Auerbach. Constantin Eckner war in der vogtländischen Kleinstadt dabei.

Neben den Freien Sachsen gebe es weitere rechtsextreme Strömungen, die bei den Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen eine relevante Rolle spielen, erläutert der Soziologe. Dazu gehörten die Alternative für Deutschland (AfD) und der Dritte Weg, „eine Neonazi-Kaderpartei“.
Bisher habe es eine Arbeitsteilung innerhalb des rechtsextremen Spektrums gegeben: „Die AfD sitzt in den Parlamenten und die Freien Sachsen mobilisieren auf der Straße." Ein ähnliche Aufteilung sei bereits bei Pegida zu beobachten gewesen. Doch vor den Kommunalwahlen in Sachsen im Juni könne es zu mehr Konkurrenz kommen, denn dann gehe es um Posten.

"Normalisierungsgewinn" erkennen und bekämpfen

Der Rechtsextremismus in Sachsen sei bereits jetzt durch die Coronapandemie gestärkt, so Kiess. Eine klare Abgrenzung gegenüber der rechtsextremen Unterwanderung der Demonstrationen habe nicht stattgefunden. Stattdessen habe es eine gewisse Normalisierung gegeben.
„Es ist inzwischen in Sachsen normal, dass Journalistinnen und Journalisten angegriffen werden. Auf Demonstrationen ist es normal, dass der Tod von Politikerinnen und Politikern gefordert wird.“ Dieser „Normalisierungsgewinn“ sei ein rechtsextremes Strategieelement. Diesen zu erkennen und zu bekämpfen, sei die Herausforderung der nächsten Jahre.
(abr)

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