Verdi vorhersehbar

Von Michael Horst |
In seiner Version von Verdis "I due Foscari" verpasst Werner Herzog die Chance, die Spannungen zwischen den drei Protagonisten auszuloten. Umso leidenschaftlicher ist zum Glück der musikalische Leiter Riccardo Muti dabei, dem kein Detail der Partitur entgangen ist.
Wer den berühmten Filmregisseur im Hinterkopf hatte, musste enttäuscht werden. Schon bei einem Publikumsgespräch im Vorfeld der Premiere hatte Werner Herzog interessante Aussagen zu seinen ästhetischen Unterscheidungen gemacht: Im Film habe für ihn die Musik nicht die Funktion, die Handlung zu unterstützen oder zu untermalen, sondern vielmehr einen Parallelstrang an Emotionen und Empfindungen zu entwickeln. Das sei bei der Oper verständlicherweise ganz anders. Da verweist die Musik auf die Handlung, wie die Handlung auf die Musik verweist, und das weiß auch Herzog.

Überzeugende Alternativen bietet er trotzdem nicht. Dabei stellt sich bei Verdis sechster Oper "I due Foscari" für den Regisseur das Problem, dass eigentlich nichts passiert und alles von Anfang an wie erwartet auf das Ende zuläuft. Es gibt drei Protagonisten: Jacopo Foscari, der unrechtmäßig des Mordes an einem anderen Patrizier angeklagt wird, seine Ehefrau Lucrezia und seinen Vater, den Dogen, der hin- und hergerissen ist zwischen seinen Pflichten als Doge und der Liebe zu seinem Sohn. Alle drei warten mehr oder wenig macht- und hilflos auf den Richterspruch, insofern wäre es die Aufgabe des Regisseurs gewesen, besonders die Hilflosigkeit, die Isolation oder die Bedrohung durch den venezianischen Machtapparat zu visualisieren.

Wenig davon bei Herzog. Harmlos, geradezu gefällig bleibt seine Inszenierung. Nie kratzt sie an der Oberfläche, um die seelischen Abgründe darunter zu entdecken. Auch die Spannung zwischen den drei Hauptpersonen wird kaum ausgelotet, der Chor als vierter Protagonist singt in aller Regel schön aufgereiht und frontal zum Publikum.

Anders dagegen der Dirigent Riccardo Muti. Für ihn sind die "Due Foscari" ein hörbares Herzensanliegen. Er hat sie schon 2003 in Mailand auf die Bühne gebracht, und in Rom reihen sie sich ein in seinen Verdizyklus, in dem bereits andere weniger häufig gespielte Werke wie "Nabucco", "Macbeth" und zuletzt "Simon Boccanegra" zu erleben waren. Muti entgeht kein Detail der Partitur, alles ist glänzend austariert. Andererseits gibt er dem Ganzen auch den nötigen Drive des jungen Verdi mit, ohne je in lärmige Überzeichnung zu verfallen. Mit diesen "Due Foscari" beweist Muti einmal mehr, dass er einer der Maßstab setzenden Verdidirigenten unserer Zeit ist.

Zum Glück hat er auch bei den Sängern ein gutes Händchen. Herausragend ist die russische Sopranistin Tatjana Serjan, die auch in München und Berlin regelmäßig als Tosca zu hören ist. Sie meistert mit strahlender Höhe, sicheren Koloraturen und dramatischem Biss die schwierige Rolle der Lucrezia. Einen hervorragenden Eindruck hinterlässt auch der Tenor Francesco Meli als Jacopo Foscari, der seine drei Arien mit souverän geführter Stimme und großer Musikalität bewältigt.

I due Foscari
Oper in drei Akten von Giuseppe Verdi
Regie: Werner Herzog
Musikalische Leitung: Riccardo Muti
Teatro dell'Opera di Roma (Oper in Rom)
Mehr zum Thema