Verdis Oper "Don Carlo" in Düsseldorf

Bildertheater, das ins Leere läuft

Der italienische Komponist Giuseppe Verdi (1813 bis 1901) in einer zeitgenössischen Darstellung.
Der italienische Komponist Giuseppe Verdi (1813 bis 1901) in einer zeitgenössischen Darstellung. © picture-alliance / dpa
Von Ulrike Gondorf |
Es opert so dahin mit Verdi in Düsseldorf. Die Figuren in Guy Joostens "Don Carlo" entwickeln keinerlei psychologische Tiefe. Die Sänger kommen über den Showeffekt nicht hinaus, kritisiert Ulrike Gondorf.
Privates und Politisches, Familienkatastrophen und Welthistorie liegen eng beieinander in der Geschichte des spanischen Infanten Don Carlos. Der junge Schiller hat ein flammendes Versepos daraus gemacht.
König Philipp II, der düstere Despot, zermalmt das Lebensglück seines Sohnes Carlos, indem er aus Staatsraison dessen Verlobe Elisabeth zu seiner eigenen Frau macht. Mit der gleichen rigorosen Machtpolitik unterdrückt er auch alle kollektiven Autonomiebestrebungen: Die Protestanten werden als Ketzer verbrannt, die Aufständischen in den Niederlanden mit Krieg überzogen. Und der einsame, alternde Mann wird selbst zur tragischen Figur, weil er nichts mehr neben sich leben lässt.
Verdi, der Schillerverehrer, hat sich das Freiheitspathos zueigen gemacht und die packende, ausgefeilte Psychologie der Figuren in Töne gesetzt. Der "Don Carlo" zählt zu den bedeutendsten unter seinen Opern. Ein Drama der Ideen und der Leidenschaften, das Sogwirkung entfaltet. Es muss viel schiefgehen, wenn es kalt, lang und langweilig wirkt – so wie in der Neuinszenierung von Guy Joosten im Düsseldorfer Haus der Deutschen Oper am Rhein.

Gefälliges Ausstattungstheater

Joosten und sein Bühnenbildner Alfons Flores setzen eine protzige und klotzige Dekoration auf die Düsseldorfer Bühne: Goldglänzende, portalhohe Wände in Quaderoptik, die aus dem Bühnenhimmel schweben und wieder dorthin verschwinden. Das Personal ist historisch kostümiert, dass es dem Abonnenten eine Augenweide ist: Wo man die Gestalten verorten soll, weiß man allerdings nicht. Carlos trägt ein rüschenbesetztes Wams nach dem Schnitt des 16. Jahrhunderts, Philipp eine Paradeuniform, die eher auf die Verdizeit deutet. Und der Damenchor in tief dekolletierten, pastellfarbenen Miedern und gebauschten Röcken wirkt, als hätte er an Philipps strengem, sinnenfeindlichen Hof versehentlich die Kostüme von "La Traviata" angezogen. Was in dieser Produktion auf die Bühne kommt, ist gefälliges Ausstattungstheater ohne inhaltlichen Bezug. Es opert halt so dahin.
Bis plötzlich der eine oder andere schräge Gag aus dem Regietheater in diese Stadttheaterbiederkeit hineinplatzt. Ganze Akte spielen in Philipps Schlafzimmer, vor, auf und neben seinem riesigen, goldenen Ehebett. Darauf arrangieren sich sämtliche Hofdamen zu Ebolis Schleierlied dekorativ und lasziv und sperren die Sängerin am Ende kurzerhand in den Kleiderschrank. Der große Freiheitsdialog von Philipp und Posa wird ein Plausch auf der Bettkante. Das Autodafé, in dem die unheilige Allianz von Thron und Altar ihre vernichtende Macht entfaltet und religiöse wie politische Feinde auf den Scheiterhaufen bringt, ist eher ein Tänzchen beim Krönungsball. Und die Deputierten aus den unterdrückten Niederlanden, die ergreifend ihre Sache vorbringen, tragen dazu Eselsohren auf dem Kopf.

Eine Haltung zum Stück vermittelt sich nicht

Bildertheater, das leer läuft und nicht davon ablenken kann, dass psychologische Arbeit an den Figuren nicht stattfindet in dieser Inszenierung. Die Sänger spielen nicht, sie gestikulieren und ringen die Hände. Eine inhaltliche Idee, eine Haltung zu diesem Stück vermittelt sich nicht aus dem, was Guy Joosten inszeniert hat.
Ebenso unklar bleibt das musikalische Konzept des Gastdirigenten Andriy Yurkevych. Unter seiner Leitung gewinnt Verdis Musik keine Einheitlichkeit und Stringenz. Man hat den Eindruck, er würde jeden Takt in einem anderen Tempo dirigieren. Mal ist er so breit, dass die Sänger gar nicht genug Atem haben, ihm zu folgen; dann wieder treibt er zur Hektik, um gleich darauf wieder bleiernen musikalischen Stillstand eintreten zu lassen. Dass die letzte halbe Stunde in geradezu qualvoller Langeweile erstarrt, ist sicher auch der mangelnden Disposition des Dirigenten geschuldet. Außerdem ist das Orchester, das sich anscheinend lieblos durch den Abend arbeitet, oft viel zu laut.
So leistet Yurkevych auch den sängerischen Problemen des Abends Vorschub. Laut und auftrumpfend muss gesungen werden in diesem "Don Carlo". Der Gast Vittorio Terranova in der Titelrolle tut das mit brachialem Kraftaufwand und verleiht seinen Phrasen oft mit tenoralen Manieriertheiten Nachdruck. Laimonas Pautienius als Posa singt die Partie, die für seine Stimme problematisch zu sein scheint, eher schwerfällig und rau. Der junge Bass Adrian Sampetrean hat makellose Töne für den König Philipp, aber im musikalischen Ausdruck bleibt er leider blass. Besser schlagen sich die beiden Damen: Olesya Golovneva als Elisabeth und Ramona Zaharia als Eboli. Unter dem Strich: ein schwacher, belangloser Abend der Deutschen Oper am Rhein.
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