Verdis Welt der Narren
Die letzten von Giuseppe Verdi verfassten Worte waren: "Die ganze Welt ist ein Narrenhaus, alles ist Theater, alle tragen Masken." Die "Rigoletto"-Inszenierung von Henning Brockhaus orientiert sich daran und präsentiert ein Panoptikum aus Artisten, Clowns und Kurtisanen.
Am Freitagabend fand in Florenz die Premiere von Giuseppe Verdis "Rigoletto" statt. Eigentlich sollte der mehrfach oscargekrönte Filmregisseur William Friedkin, von dem unter anderem der Horrorfilm "Der Exorzist" stammt, die Verdi-Oper im neuen Opernhaus von Florenz inszenieren. Da er kurzfristig absagte, hat sich der hierzulande wenig bekannte, in Italien aber renommierte deutsche Opern- und Schauspiel-Regisseur Henning Brockhaus, der aus der Strehler-Schule am Piccolo Teatro in Mailand kommt, bereit erklärt, die Verdioper zu inszenieren.
Bei Friedkin hatte man mit einer unkonventionellen Lesart gerechnet. Aber auch die Lesart von Brockhaus ist unkonventionell. Dass er die Premiere retten konnte, gelang ihm in der gebotenen Eile der Zeit nur, indem er auf eine "Rigoletto"-Produktion zurückgriff, die er im Teatro Regio di Parma realisierte und für Florenz reaktiviert und aufgefrischt hat.
Rigoletto, der Narr am Hofe des Herzogs von Mantua ist Opfer der Selbsttäuschung, des Glaubens nämlich, der Einzelne könne durch äußere Anpassung an die Gewalt doch irgendwie seine Integrität bewahren, indem er einen privaten Raum als seine eigentliche Welt verteidigt. Doch Rigoletto ist selbst getäuscher Täuschender, ein Narr! Und das eben zeigt Henning Brockhaus sehr zugespitzt. Vielleicht hat er sich von Verdis letzten Worten in Verdis Weltabschiedswerk "Falstaff" inspirieren lassen: "Tutto nel mondo è burla", also "die ganze Welt ist ein Narrenhaus, alles ist Theater, alle tragen Masken".
Sänger waren gut, aber nicht sensationell
In diesem Sinne hat er die Oper inszeniert als einen Karneval der Maskierten und der Grausamkeit, bei dem Rigoletto als größter Narr auftritt und mit seiner menschenverachtenden Anpassung, Verstellung und schließlich Rachsucht am Herzog, der seine Tochter verführte, eben diese in den Tod treibt und sein einziges Lebensglück zerstört. Die Ausstattung der Inszenierung verantwortet einer der Altmeister des italienischen Theaters, Ezio Toffolutti. Er hat das Stück in einem Niemandsland angesiedelt, einem kastenförmigen Ort der Unzucht und der Gewalt. Es ist ein Raum voller Symbole, rot wie die Liebe und das Blut, ein Todesengel tänzelt immer wieder über die Bühne. Artisten, Clowns und Kurtisanen bevölkern diesen antinaturalistischen Aktionsraum und geben der Produktion etwas Parabelhaftes. Eine grelle, groteske, aber einleuchtende Inszenierung von suggestiver Bildkraft.
Am Pult stand Zubin Metha, der ungekrönte Musikzar von Florenz. Er ist nicht mehr der Heißsporn, der er einmal war. Altersstil kennzeichnet sein Dirigat. Vor allem langsame Tempi bremsen den Drive der Oper etwas aus. Aber Jahrzehntelang in Sachen Verdi erfahren, dirigiert er das Stück dennoch sehr souverän, die dramatischen Höhepunkte des Stücks weiß er immer noch effektvoll zu gestalten.
Die sängerische Besetzung war gut, wenn auch nicht sensationell. Mit Ivan Magrì hatte man einen glaubwürdigen Tenor als Herzog zur Verfügung, Vladimir Stoyanov sang einen ungewohnt hellstimmigen Rigoletto, Julia Novikova allerdings eine lupenreine Gilda. Eine vom Premierenpublikum gefeierte Premiere. Man ist froh, dass die Oper in Florenz wieder eine Zukunft hat, denn bis vor einem Jahr stand war die noch ungewiss. Wie die römische Oper, wie die Mailänder Scala und das Teatro San Carlo in Neapel war die Oper von Florenz hoch verschuldet, ein Minus von 35 Millionen war aufgelaufen. Nur weil die Regierung die Notbremse zog und die Administration auswechselte, wurde die dramatische Opernsituation in Florenz stabilisiert.
Mit leeren Taschen dick aufgetragen
Der Finanzexperte Francesco Bianchi wurde zum kommissarischen General Manager gemacht. Er hat es geschafft, den Maggio musicale Fiorentino und die Oper in Florenz vor dem Bankrott zu bewahren. Ein Geldgeschenk aus Rom und langfristige Zusagen des Ministerpräsidenten Matteo Renzi, der zuvor Bürgermeister von Florenz war, hat der Oper mit ihrem neuen riesigen Opernhaus schließlich aufgeholfen und Planungssicherheit für die nächsten Jahre gegeben.
Dass man dieses Haus überhaupt erbaut erbaut hat in Zeiten der Krise, ohne zu wissen, ob man jemals das Geld haben würde, es zu bespielen, ist wohl nur dem Umstand geschuldet, dass Zubin Mehta einen imposanten Konzertsaal haben wollte, wie man hört. Und es gibt eben in Sachen Kunst schon immer etwas größenwahnsinnige Florenz eben immer noch viel privates Geld und spendable Opernenthusiasten. Davon abgesehen, daß es typisch für Italien ist, daß man, selbst wenn die Taschen leer sind immer gern dick aufträgt und bella figura macht. Und in Italien geht das immer irgendwie gut aus, auch in Sachen Oper.