Verdrängte Traumata
Kriegserlebnisse wirken tief in die Familien hinein, bis in die Generation der Kinder und Enkel - und sie können zerstörerische Wirkungen entfalten. Die Journalistin Hilke Lorenz erzählt in sieben Einzelporträts von Menschen, die versuchen, der eigenen Geschichte habhaft zu werden und mit ihr Frieden zu schließen.
"Sie mussten über Tote steigen, wo sie gestern über Kreidestriche gehüpft waren." In dieses Bild fasste Hilke Lorenz in ihrem viel beachteten Buch "Kriegskinder" die Erfahrungen von Frauen und Männern, die den Zweiten Weltkrieg als Kind erlebt haben. Als Lorenz vor zehn Jahren die Interviews für ihr Buch führte, vertrauten ihr viele Gesprächspartner Erinnerungen an, über die sie ein Leben lang geschwiegen hatten – zunächst, um es ihren Eltern nicht schwerer zu machen, später, um ihre eigenen Kinder zu schonen. "Auch wir, die Nachgeborenen", schrieb die Autorin, "sind noch nicht ganz im Frieden angekommen."
Die verdrängten Traumata wirken tief in die Familien hinein, sie können zerstörerische Langzeitwirkungen entfalten, gerade wenn man versucht, sie unter Verschluss zu halten. Davon handelt Hilke Lorenz’ neues Buch. In sieben Einzelporträts erzählt sie von Menschen, die versuchen, der eigenen Geschichte habhaft zu werden und mit ihr Frieden zu schließen.
Da ist eine Frau, deren Großmutter als Patientin einer Nervenheilanstalt von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Bis heute leidet die Enkelin unter Vorurteilen, hat Schwierigkeiten, anderen zu vertrauen, und Angst, selbst schwer psychisch zu erkranken.
Die verdrängten Traumata wirken tief in die Familien hinein, sie können zerstörerische Langzeitwirkungen entfalten, gerade wenn man versucht, sie unter Verschluss zu halten. Davon handelt Hilke Lorenz’ neues Buch. In sieben Einzelporträts erzählt sie von Menschen, die versuchen, der eigenen Geschichte habhaft zu werden und mit ihr Frieden zu schließen.
Da ist eine Frau, deren Großmutter als Patientin einer Nervenheilanstalt von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Bis heute leidet die Enkelin unter Vorurteilen, hat Schwierigkeiten, anderen zu vertrauen, und Angst, selbst schwer psychisch zu erkranken.
Chronistin bemerkenswerter Lebenswege
Da ist ein Mann, der seinem Vater auf dem Sterbebett versprechen musste, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Als ihm die Frage nach seiner Herkunft aber keine Ruhe lässt, helfen ihm Freunde, die Spur seiner Mutter aufzunehmen, die den Zweijährigen während des Krieges in ein Heim gegeben haben soll. Als über Sechzigjähriger entdeckt er im Internet einen Teil seiner Familie, von dem er gar nichts wusste, und kann wenigstens einen Teil der schmerzlichen Wissenslücken schließen.
Hilke Lorenz hat nicht als Historikerin oder Psychologin zum Thema geforscht. Die langjährige Zeitungsredakteurin versteht sich als Chronistin bemerkenswerter Lebenswege. "Weil der Krieg unsere Seelen frisst" ist ein engagiertes Sachbuch, kein Fachbuch: persönlich und einfühlsam im Ton, der Bericht einer passionierten Zuhörerin, der es gelingt, für die Geschichten ihrer Gesprächspartner die richtigen Worte zu finden. "Man lebt nur ein Leben – und das nur aus einer Perspektive, der eigenen", schreibt Lorenz. "Sie bestimmt jede Erzählung, die damit vom Zuhörer Vertrauen, Glauben und letztlich Parteilichkeit fordert."
Die gewissenhafte Schilderung höchst unterschiedlicher Biografien, die aus dieser Haltung resultiert, macht Lorenz’ Buch sehr lesenswert. In der konsequent subjektiven Perspektive der Autorin zeigen sich allerdings zugleich die Grenzen dieser Art von "Oral History". Gerade wenn bekannte historische Persönlichkeiten in den Blick geraten – durch den Neffen des Hitler-Attentäters Georg Elser, durch den Enkel einer Frau, die NS-Erziehungsratgeber schrieb – verlässt sich Hilke Lorenz zu sehr auf die Sicht ihrer Protagonisten. Hier hätte es weiterer Quellen bedurft und der Einordnung in einen Zusammenhang, der über das individuelle Schicksal hinausweist.
Besprochen von Frank Kaspar
Hilke Lorenz: Weil der Krieg unsere Seelen frisst
Wie die blinden Flecken der Vergangenheit bis heute nachwirken
Ullstein Verlag, Berlin 2012
213 Seiten, 19,99 Euro
Hilke Lorenz hat nicht als Historikerin oder Psychologin zum Thema geforscht. Die langjährige Zeitungsredakteurin versteht sich als Chronistin bemerkenswerter Lebenswege. "Weil der Krieg unsere Seelen frisst" ist ein engagiertes Sachbuch, kein Fachbuch: persönlich und einfühlsam im Ton, der Bericht einer passionierten Zuhörerin, der es gelingt, für die Geschichten ihrer Gesprächspartner die richtigen Worte zu finden. "Man lebt nur ein Leben – und das nur aus einer Perspektive, der eigenen", schreibt Lorenz. "Sie bestimmt jede Erzählung, die damit vom Zuhörer Vertrauen, Glauben und letztlich Parteilichkeit fordert."
Die gewissenhafte Schilderung höchst unterschiedlicher Biografien, die aus dieser Haltung resultiert, macht Lorenz’ Buch sehr lesenswert. In der konsequent subjektiven Perspektive der Autorin zeigen sich allerdings zugleich die Grenzen dieser Art von "Oral History". Gerade wenn bekannte historische Persönlichkeiten in den Blick geraten – durch den Neffen des Hitler-Attentäters Georg Elser, durch den Enkel einer Frau, die NS-Erziehungsratgeber schrieb – verlässt sich Hilke Lorenz zu sehr auf die Sicht ihrer Protagonisten. Hier hätte es weiterer Quellen bedurft und der Einordnung in einen Zusammenhang, der über das individuelle Schicksal hinausweist.
Besprochen von Frank Kaspar
Hilke Lorenz: Weil der Krieg unsere Seelen frisst
Wie die blinden Flecken der Vergangenheit bis heute nachwirken
Ullstein Verlag, Berlin 2012
213 Seiten, 19,99 Euro