Vereinte Nationen

Kein neues Narrativ – mehr Geld!

Das Eingangstor der Vereinten Nationen in Genf mit dem UNO-Logo, aufgenommen am 26.12.2011.
Eingangstor der Vereinten Nationen in Genf © picture alliance / dpa / Fredrik von Erichsen
Von Andreas Zumach · 12.09.2016
Vor einem Jahr setzten sich die Vereinten Nationen die "nachhaltigen Entwicklungsziele", die nichts weniger umfassen, als die Abschaffung von Hunger und Armut bis 2030. Seitdem hat man nicht allzu viel von der Staatengemeinschaft gehört, meint der Journalist Andreas Zumach.
Es herrscht globales Chaos, und die UNO ist machtlos: zu dieser Wahrnehmung sind in letzter Zeit immer mehr Menschen gelangt. Grund dafür sind die vielen aktuellen, ständig eskalierenden Gewaltkonflikte insbesondere im Nahen Osten.
Die Vereinten Nationen sind mit ihren Bemühungen gescheitert. Dabei wird oft übersehen, dass die Weltorganisationen in anderen Konflikten und Notlagen, die derzeit allerdings wenig öffentliche Aufmerksamkeit finden, erfolgreich politisch vermittelt und die überlebenswichtige humanitäre Versorgung von vielen Millionen Menschen organisiert. Zudem stellt die UNO den institutionellen Rahmen für die Aushandlung wichtiger internationaler Verträge, zuletzt des Pariser Klimaabkommens.

Abhängig von den Mitgliedstaaten

Allerdings ist die UNO kein eigenständig handlungsfähiger Akteur, sondern völlig abhängig vom guten Willen und der Kooperationsbereitschaft ihrer 193 Mitgliedstaaten. Und wenn diese Staaten, insbesondere die fünf ständigen, vetoberechtigten Mitglieder des Sicherheitsrates so gegensätzliche Interessen verfolgen , wie im Syrienkonflikt, wo sowohl die Nachbarstaaten wie die Großmächte USA und Russland ihre Stellvertreterkriege ausfechten, dann müssen auch die erfahrensten UNO-Vermittler zwangsläufig scheitern.
In Syrien versagen die Mitgliedsstaaten der UNO allerdings nicht nur vor der politischen Herausforderung, diesen Gewaltkonflikt endlich zu beenden. Sondern auch vor der Aufgabe, wenigstens die überlebenden Opfer dieses Konfliktes ausreichend humanitär zu versorgen. 1,7 Millionen syrische Flüchtlingen im Libanon erhielten Ende 2014 keine Nahrungsmittel mehr, weil das zuständige Welternährungsprogramm der UNO kein Geld mehr von den Mitgliedsstaaten bekam.

Keine neue Erzählung, sondern mehr Geld

Dieser Skandal unterstreicht den wichtigsten Reformbedarf der Weltorganisation: sie braucht keine neue Erzählung und Existenzbegründung, wie manche Kritiker meinen: Sondern die Vereinten Nationen brauchen in erster Linie mehr Geld, damit sie zumindest in ihrem humanitären und entwicklungspolitischen Verantwortungsbereich wieder handlungsfähiger werden. Das wird nur gelingen durch eine ausreichende und verlässliche Finanzierung all ihrer Aufgaben, möglichst unabhängig von der Zahlungsbereitschaft der einzelnen Mitgliedsstaaten.
Derzeit werden die jährlichen Kosten des gesamten UNO-Systems - zu lediglich 20 Prozent aus den Pflichtbeiträgen der 193 Mitgliedstaaten gedeckt. Die übrigen 80 Prozent sind freiwillige Zahlungen, die die UNO jeweils von den Mitgliedsregierungen erbetteln muss. Zum System gehören die Hauptquartiere in New York und Genf, die knapp 40 Sonderorganisationen und Fachabteilungen, bis hin zu den aktuell im Einsatz befindlichen 160.000 Blauhelmsoldaten.

Für eine weltweite UN-Steuer und ständige UN-Truppen

Die Reformalternative wäre eine weltweite UNO-Steuer, bemessen an der Einwohnerzahl und am Bruttosozialprodukt der Mitgliedsstaaten. Der zweite wichtige Reformschritt, um die Weltorganisation wieder handlungsfähiger zu machen, wäre die Aufstellung einer ständigen UNO-Blauhelm- oder Polizeitruppe unabhängig von nationalen Verbänden aus den Mitgliedsstaaten. Damit die Vereinten Nationen künftig rechtzeitig eingreifen können um Völkermord oder andere schwere Menschenrechtsverbrechen zu verhindern. Sonst werden sich Fälle wiederholen wie der Völkermord 1994 in Ruanda, als der damalige UNO-Generalsekretär die Mitgliedsstaatenvergeblich darum bat, Soldaten für eine Blauhelmtruppe zur Verhinderung dieses Völkermordes bereit zu stellen. Und wenn die 193 Mitgliedsstaaten das Pariser Klimaabkommen und die kürzlich von einem UNO-Gipfel feierlich beschlossenen nachhaltigen Entwicklungsziele für die Zeit bis 2030 auch tatsächlich fristgemäß umsetzen, dann würden sie sich selbst und ihrer gemeinsamen Weltorganisation neue Glaubwürdigkeit verschaffen.

Andreas Zumach, geboren 1954 in Köln, ist freier Journalist am UNO-Sitz in Genf, Korrespondent für "die tageszeitung" (taz) in Berlin sowie für weitere Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehanstalten in Deutschland, der Schweiz, Österreich und den USA. Er ist Autor mehrerer Bücher über den Irakkrieg, die UNO und internationale Konflikte (zuletzt im April 2015 erschienen: "Globales Chaos Machtlose UNO - ist die Weltorganisation überflüssig geworden?", Rotpunkt Verlag Zürich)

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